Bei der Granate, die auf eine Flüchtlingsunterkunft in Villingen geworfen wurde, handelt es sich um eine Kriegswaffe aus dem ehemaligen Jugoslawien – ob diese einen Zünder hatte und damit scharf war, steht noch nicht fest. Ermittler untersuchen zudem, wem der Anschlag galt.
Mit einer Handgranate haben Unbekannte in Villingen-Schwenningen im
Schwarzwald einen Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft verübt. Der
Sprengsatz wurde in der Nacht zum Freitag über einen Zaun auf das
Gelände der bedarfsorientierten Erstaufnahmestelle (BEA) in Villingen
geworfen. 176 Menschen leben dort. Der Splint, mit dem solche
Sprengkörper gesichert werden, war gezogen, die mit Sprengstoff gefüllte
Granate explodierte jedoch nicht. Menschen kamen nicht zu Schaden.
Nach neuen Erkenntnissen sind Menschen allerdings in unmittelbarer Nähe
gewesen. Die Granate sei an einem Sicherheitszaun abgeprallt und neben
einem Container des Sicherheitsdienstes liegengeblieben. Darin befanden
sich nach Auskunft von Klemens Ficht vom Regierungspräsidium Freiburg
zur Tatzeit drei Sicherheitsleute. Die Granate explodierte jedoch nicht.
Ob der Container die Mitarbeiter bei einer Detonation geschützt hätte,
könne man noch nicht sagen, sagte Dietmar Schönherr von der
Kriminaldirektion Rottweil. Splitter der Granate hätten beispielsweise
durchs Fenster schlagen können. "Das hätte zu schweren Verletzungen oder
auch zum Tode der Personen führen können." Insgesamt seien in der Nacht
14 Security-Mitarbeiter im Einsatz gewesen.
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Noch gibt es laut Polizei keine Verdächtigten. Befragungen in der
Nachbarschaft der Asylbewerberunterkunft hätten allerdings den einen
oder anderen Hinweis erbracht, der nun geprüft werde.
Der Freiburger Regierungsvizepräsident Klemens Ficht erklärte, bei der
Handgranate habe es sich um eine Kriegswaffe gehandelt. Dass diese auf
eine Einrichtung für Kriegsflüchtlinge geworfen worden sei, sei
besonders zu verurteilen.
Nach dem Anschlag mit einer Handgranate auf eine Flüchtlingsunterkunft
untersuchen die Ermittler, ob die Kriegswaffe einen Zünder hatte und
damit tatsächlich scharf war. "Es steht fest, dass sie mit Sprengstoff
gefüllt war", sagte Johannes-Georg Roth, Leiter der Staatsanwaltschaft
Konstanz, auf einer Pressekonferenz in Villingen-Schwenningen am
Freitag. "Ob ein Zünder verbaut war, ist bisher nicht bekannt. Das ist
die entscheidende Weichenstellung."
Der Experte des Landeskriminalamtes, Andreas Stenger, erklärte, von
einer scharfen Granate könne nur gesprochen werden, wenn sowohl
Sprengstoff als auch Zünder vorhanden seien. Aus Polizeikreisen hatte es
zunächst geheißen, die Handgranate sei scharf gewesen.
Nach dem Anschlagsversuch hat die Polizei nun eine Sonderkommission
eingerichtet. In der "Soko Container" ermittelten 75 Beamte, um die
Hintergründe der Tat aufzuklären, sagte Dietmar Schönherr, Leiter der
Kriminaldirektion Rottweil, am Freitag in Villingen.
Soko-Chef Rolf Straub äußerte sich zurückhaltend zum Stand der
Ermittlungen. Es werde geprüft, ob es sich um eine fremdenfeindliche Tat
handele. Aber auch andere Möglichkeiten würden in Betracht gezogen.
Befragungen in der Nachbarschaft hätten einige Hinweise erbracht, aber
sie seien zu unkonkret, "um auf bestimmte Personen zuzugehen".
Ein Sicherheitsmann bemerkte die Granate gegen 1.30 Uhr auf dem Boden
und alarmierte die Einsatzkräfte. Die Polizei sperrte das Gelände und
angrenzende Straßen weiträumig ab. Die BEA, in einer ehemaligen Kaserne
untergebracht, befindet sich in einem Wohngebiet. Gegen 5 Uhr fuhr dann
ein Landwirt mit Strohballen vor. Diese lud man ab und positionierte sie
um die Granate. Entschärfer des LKA aus Stuttgart sprengten sie, ein
dumpfer Knall war zu hören. 20 Bewohner der Einrichtung mussten
kurzzeitig ihre Betten verlassen. Sie wurden vorübergehend in freien
Wohnungen untergebracht und kehrten nach der Sprengung der Handgranate
wieder in ihre Schlafräume zurück.
"Zu Typ und Sprengkraft der Handgranate können wir noch nichts sagen",
so Thomas Kalmbach am Freitagmorgen, Pressesprecher beim Polizeirevier
Tuttlingen. "Die Wirkung der Granate war aber so stark, dass wir von
einem Anschlag sprechen." Es habe immer mal wieder kleinere
Polizeieinsätze wegen Körperverletzungen in der BEA Villingen gegeben,
"allerdings nicht in dieser Brisanz", sagt Kalmbach. "Das ist eine neue
Qualität." Hinweise zum Täter gebe es noch nicht. "Der oder die Täter
werden aber eher nicht zur Gruppe 'Refugees Welcome' gehören", meint
Kalmbach.
Derzeit untersuchen Kriminaltechniker die Umgebung des Tatorts und
sichern Spuren. Die Sonderkommission "Container" hat die Ermittlungen
übernommen. Die Sprengstoffexperten in Stuttgart erstellen ein Gutachten
über die gefundene Handgranate.
Der Angriff auf das Flüchtlingsheim in Villingen ist bundesweit der
erste Fall, bei dem Sprengstoff zum Einsatz kam. "Bis jetzt hatten wir
zwar mehrere Fälle, in denen Pyrotechnik verwendet wurde", sagte eine
Sprecherin des Bundeskriminalamts (BKA) in Wiesbaden. "Dass nun eine
Kriegswaffe zum Einsatz gegen eine Flüchtlingsunterkunft kam, ist neu."
Das BKA sei in dem Fall bislang nicht tätig, dazu müsste es erst von der
zuständigen Staatsanwaltschaft beauftragt werden, erklärte die
Sprecherin. Es finde jedoch eine fachliche Zusammenarbeit mit den
Ermittlern vor Ort statt. Die BKA-Sprecherin warnte davor, die Lage
vorschnell zu bewerten: "Eine seriöse Einschätzung kann erst erfolgen,
wenn alle Umstände berücksichtigt wurden."
Den versuchten Anschlag auf die BEA in Villingen verurteilen
Regierungspräsidentin Schäfer, Landrat Hinterseh und Rupert Kubon, OB
von Villingen-Schwenningen einhellig: "Wir sind erleichtert, dass kein
Mensch bei diesem heimtückischen Versuch zu Schaden gekommen ist. Wir
sind entsetzt und verurteilen jede Form von Gewalt, die sich gegen die
Flüchtlinge, aber auch gegen die Mitarbeiter in unseren Unterkünften
richtet. Die Sicherheit der Flüchtlinge und der Mitarbeiter hat für uns
höchste Priorität."
Auch Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich bestürzt. Die
Gewalt habe ein erschreckendes Ausmaß angenommen. "Wir können alle nur
dankbar sein, dass dieses Mal niemand verletzt wurde", sagte Maas am
Freitag in Berlin. Die Täter dürften nicht ungestraft davonkommen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat den Wurf einer
Handgranate auf eine Flüchtlingsunterkunft in Baden-Württemberg als
"feigen" Angriff bezeichnet. Die Attacke in der Nacht mit dem
Sprengsatz, der jedoch nicht explodiert war, sei "inakzeptabel", sagte
de Maizière am Freitag dem Sender N24.
Er verstehe die Sorgen und Kritik der Bürger in der Flüchtlingsdebatte,
sagte de Maizière weiter. "Aber bei Gewalt hört es dann auf", stellte
der Minister klar. Die Bundesregierung wolle weder, dass Asylbewerber
straffällig werden, noch dass gegen diese Straftaten begangen würden.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck, innenpolitischer Sprecher,
bezeichnete die Tat als "rechten Straßenterror". Er teilte mit: "Wir
brauchen eine Flüchtlingsschutzpolitik." Er forderte einen Gipfel im
Kanzleramt mit Diskussionen, "die am Wohl und Schutz der Flüchtlinge
orientiert sind und nicht nur an deren Abwehr".
Im Südwesten gab es nach Auskunft des Innenministeriums vom Freitag im
vergangenen Jahr 68 Übergriffe gegen Flüchtlingsunterkünfte. Davon waren
61 politisch motiviert und werden von den Sicherheitsbehörden als
"Kriminalität Rechts" eingestuft. Unter den 68 Straftaten waren acht
Brandstiftungen. In elf Ermittlungsverfahren wurde mindestens ein
Tatverdächtiger ermittelt.