Flüchtlingskrise:Breite Kritik an Tillich-Aussagen

Erstveröffentlicht: 
19.01.2016
Ministerpräsident: Integration in weiten Teilen gescheitert

VON ANDREAS DEBSKI

 

Dresden. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat erstmals eingestanden, dass die mangelnde Integration von Zuwanderern und das Entstehen von Parallelgesellschaften seit Langem ein Problem ist – und erntet dafür parteiübergreifend Kritik. Selbst der Koalitionspartner SPD hält Tillichs Aussagen für nicht gerechtfertigt. „Wir dürfen die Fehler der vergangenen Jahrzehnte nicht wiederholen. Die SPD drängt darum auf ein Integrationsgesetz für Sachsen, das Rechte und Pflichten ganz klar regelt“, sagt Daniela Kolbe, die Generalsekretärin der Sozialdemokraten in Sachsen.

 

Der sächsische Regierungschef hatte in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt gesagt: „Wir sind zu idealistisch an die Flüchtlingskrise herangegangen. Wir haben von hervorragend ausgebildeten Flüchtlingen gesprochen, die unser Land weiterbringen werden.“ Dabeihabe es Deutschland in den vergangenen 15 Jahren nicht geschafft, viele der Zuwanderer zu integrieren , so Tillich. „Wir haben Parallelgesellschaften längst zugelassen.“ Zugleich kritisierte er, dass „muslimische Männer massenhaft Frauen sexuell belästigen“ und forderte: „Wir müssen diese Menschen zur Integration zwingen. Diese Menschen wollen unseren Wohlstand teilen. Sie können nicht nur nehmen, sondern müssen auch geben.“

 

Opposition vermisst ein Konzept

 

Dem hält die SPD-Generalsekretärin Kolbe entgegen: „Von Zwang kann keine Rede sein, solange das Angebot nicht ausreicht. Integrationsministerin Petra Köpping hat ein Handlungskonzept vorgelegt und steht bereit. Herr Tillich muss sich jetzt an seinen Taten messen lassen.“ Auch Sachsens Linken-Vorsitzender Rico Gebhardt erklärte, dass die Staatsregierung „außer ein paar Ansätzen“ bislang kein Integrationskonzept geliefert habe. „Nach wie vor gibt es nur für einen Bruchteil der Flüchtlinge Deutschkurse, Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt sind bisher statistisch kaum wahrnehmbar“, machte Gebhardt klar. Der pauschalen Behauptung zur Kriminalität stellte der Linken-Landeschef entgegen: „Flüchtlinge werden insgesamt nicht häufiger straffällig als Deutsche.“

 

Ähnlich sehen es die Grünen. Fraktionschef Volkmar Zschocke warf Tillich „Scheinheiligkeit“ vor. „Die populistische Forderung nach einer Integrationspflicht löst kein Problem. Was fehlt, sind ausreichend Integrationskurse“, stellte Zschocke klar. Zudem falle der Vorwurf der idealistischen Sicht auf den Ministerpräsidenten selbst sowie dessen Innenminister Markus Ulbig (CDU) zurück: „Stanislaw Tillich trägt als Regierungschef Mitverantwortung für das anfängliche Aufnahmechaos und den Vertrauensverlust in der Bevölkerung.“

 

Die FDP forderte Tillich auf, seine Meinung auch in Berlin zu vertreten. „Einfach nur Parallelgesellschaften zu beklagen, reicht nicht aus. Ein stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender und Bundesratspräsident müsste eigentlich einen umfassenden Plan präsentieren, wie angesichts der aktuellen riesigen Herausforderungen die Integration in Zukunft besser gelingen soll – doch dazu schweigt er“, monierte Holger Zastrow, FDP-Landeschef und Präsidiumsmitglied der Bundespartei. Es genüge nicht, „wenn Tillich jetzt die Rolle eines ‚Horst Seehofers light‘ einnimmt“.