Angeblich geht es ihnen um Recht und Sicherheit: In Ludwigshafen formiert sich gerade eine Bürgerwehr, in Frankenthal sind Freiwillige am Sonntag schon auf Patrouille gegangen. Wer den Hintermännern nachspürt, landet irgendwo zwischen Rechtsextremen und Hooligans.
LUDWIGSHAFEN/FRANKENTHAL. Dunkle Funktionskleidung, entschlossener Blick: Mit einem großen Hund an seiner Seite hat sich der Schnurrbartträger an die Uferpromenade gestellt. Nun prangt das Foto im Internet, dazu hat er am 9. Januar um 16.11 Uhr drei Worte geschrieben: „Ich bin dabei.“ Damit ist dieser Mann der Erste, der sich öffentlich sichtbar für eine Bürgerwehr in Ludwigshafen anmeldet. Den Aufruf zur ihrer Gründung hat er bei einer NPD-nahen Facebook-Gruppe gefunden, die seit Monaten gegen Flüchtlingsheime in wettert.
Auf ihren eigenen Internet-Seiten suchte die NPD schon einmal Pfälzer, die auf eigene Faust eine Art Wachdienst bilden: Im August warb sie für eine „Deutsche Bürgerwehr Rodalben-Pirmasens“. Ein Sprecher des rheinland-pfälzischen Innenministeriums allerdings sagt: „Eine Gründung dieser Bürgerwehr hat nach Erkenntnissen der Polizei nie stattgefunden.“ Doch nun haben die Kölner Silvester-Übergriffe solchen Ideen Auftrieb verschafft. In den vergangenen Tagen spendierten etwa 3000 Nutzer zum Beispiel der „Bürgerhilfe Saarland“ einen „Gefällt mir“-Klick.
Rechte Hetzer wollen sich deren Hintermänner nicht nennen lassen. Doch als erstes Profilbild haben sie das Wappen ihres Bundeslands gewählt – und den beiden Löwen Sturmgewehre in die Klauen montiert. Auf ihrer Seite geht es vor allem um Straftaten, die von Ausländern begangen worden sein sollen. Und um Asylpolitik. Dazwischen wird zur Diskussion gestellt, ob sich eine mit „Rothschild, Rockefeller & Co“ umschriebene „Weltelite“ dazu verschworen hat, Europa in Bürgerkriege zu stürzen und islamistische Terrororganisationen zu fördern.
Welche Debatten bei „Trier hilft sich“ geführt werden, bleibt derweil verborgen: Hier dürfen nur registrierte Mitglieder mitlesen. Davon gibt es schon eine ganze Menge: Mehr als 1100 Menschen gehören zu der Gruppe, sieben von ihnen patrouillierten am Samstag zum ersten Mal durch die Stadt – bewacht von der Polizei und beäugt von etwa 20 Gegnern. Einen Tag später sind selbst ernannte Ordnungshüter nach eigenen Angaben auch in der Pfalz erstmals losgezogen: In Frankenthal gingen sie am Bahnhof auf Streife.
Ihr Anführer ist ein Mann, der sich im Internet mit freiem Oberkörper, Tätowierungen und Brustwarzen-Piercings präsentiert. Ein Szenekenner berichtet: Früher habe der Bürgerwehr-Gründer bei Facebook einer Bobenheim-Roxheimer Anti-Asyl-Gruppe applaudiert, die von der Wormser NPD gesteuert war. Aber auch auf seinem eigenen Profil verbreitet der Frankenthaler vielsagende Beiträge. Zum Beispiel das Grusel-Bild einer halb verwesten Leiche mit Wehrmachtshelm, darüber der Schriftzug: „Es wird Zeit, die alten Geister zu rufen.“
Der Ludwigshafener Schnurrbartträger mit Hund und in Funktionskleidung hat sich hingegen für eine Bürgerwehr gemeldet, die – obwohl sie von einer flüchtlingsfeindlichen Gruppe beworben wird – mit den „alten Geistern“ nichts zu tun haben will, zumindest nach außen hin. Als erste Regel auf ihrem eigenen Profil gilt, was in Original-Rechtschreibung so formuliert wurde: „Keine Rechte Nazi sachen posten...Keine Ausländerfeindlich Parolen verbotenes usw .sonst fliegt der oder diejenige ohne vorwahnung“.
Als dieser Hinweis erscheint, heißt die Gruppe noch „Rlp Wachsam“, wenig später nennt sie sich „Rlp Phantoms“. Mittlerweile hat sie den Bogen auf die andere Rheinseite geschlagen. Sie firmiert jetzt als „Lu/Ma passt auf“, ihre Regeln sind viel sorgfältiger ausformuliert, und sie hat sich abgeschottet: Wie in Trier können jetzt nur noch registrierte Mitglieder mitlesen und so zum Beispiel erfahren, wann das erste Kennenlern-Treffen ansteht. Nach RHEINPFALZ-Informationen soll es am Samstagabend in einem Oggersheimer Bistro stattfinden, dessen Hinterzimmer ungefähr 50 Leuten Platz bietet.
Im Internet führen die selbst ernannten Ordnungshüter einstweilen schon rege Gespräche: Zum Beispiel darüber, ob sie auch noch den Heidelberger Raum einbeziehen sollen. Und ob sie beim Ludwigshafener Fasnachtsumzug in kleinen Gruppen auf Streife gehen. Und ob sie dafür einheitliche T-Shirts brauchen. Zwei Funkgeräte will ein junger Mann aus Bruchsal beisteuern. Der hat unter dem Motto „Steh auf für Deutschland“ im vergangenen Herbst diverse rechtsextreme Kundgebungen vor allem in Nordbaden organisiert.
Eine noch viel gewichtigere Szenegröße hat bei den selbst ernannten Aufpassern ebenfalls beitreten dürfen: Christian Hehl. Der gebürtige Ludwigshafener sitzt für die NPD im Mannheimer Gemeinderat. Er hat wegen Volksverhetzung, Landfriedensbruch und Körperverletzung eine Menge Vorstrafen gesammelt und pflegt Kontakte ins Hooligan-Milieu. Das ist in der Bürgerwehr-Gruppe auch noch mit etwa zwei Dutzend Menschen vertreten, die schon in T-Shirts der „Berserker Pforzheim“ gesehen wurden.
Die berüchtigte Truppe vom Rande des Nordschwarzwalds scheint im vergangenen Sommer eine „Ortsgruppe Ludwigshafen/Mannheim“ gegründet zu haben. Aufgefallen sind ihre Anhänger vor allem im Oktober 2014 in Köln, bei der Großdemonstration unter dem Motto „Hooligans gegen Salafisten“. Der Aufmarsch endete in einer brutalen Straßenschlacht mit der Polizei.
Einwurf: Die wirkliche Gefahr
Von Christoph Hämmelmann
„Flüchtlinge machen Deutschland unsicher, denn sie bringen genau jene Gefahren, vor denen sie angeblich geflohen sind.“ So in etwa tönen Menschen, die jetzt Bürgerwehren bilden und so „unsere Frauen und Kinder“ schützen wollen. Zunächst einmal allerdings beschäftigen sie vor allem die Polizei. Denn die muss in einem Rechtsstaat darauf achten, dass sich keiner zum Sheriff aufschwingt und nach Gutdünken durchsetzt, was er für Recht und Gesetz hält. Das gilt erst recht, wenn sich in so einer Bürgerwehr diverse Rechtsextremisten und Hooligans tummeln. Unterm Strich tun sie, was sie den Flüchtlingen vorwerfen: Sie machen Deutschland unsicherer.