Main/Tauber: „Linker Mob“ und „geistige Brandstifter“

Erstveröffentlicht: 
15.01.2016

Für die Initiative "Mergentheim gegen Rechts" sind Björn Höcke und Alexander Gauland "geistige Brandstifter" einer "rechtspopulistischen Partei". Aufseiten der "Alternative für Deutschland" (AfD) bezeichnet Christian von der Groeben, Vorstandsmitglied des AfD-Kreisverbands Main-Tauber, die Aktivisten aus der Kurstadt als "linken Mob" und sieht seine Partei "in die rechte Schmuddelecke" gestellt.

 

Die AfD Main-Tauber hat in der heißen Phase ihres Wahlkampfs zwei große Veranstaltungen geplant: In Distelhausen soll am 19. Februar mit Höcke der Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen auftreten. Zwei Wochen später, am 4. März, ist ein Auftritt des Fraktionsvorsitzenden aus Brandenburg, Gauland, in der Aula Alte Steige in Wertheim vorgesehen.

 

"Neben Frauke Petry gelten Höcke und Gauland als derzeit radikalste Kräfte der AfD, die aufgrund ihrer Hetze gegen Geflüchtete aus unserer Sicht eine Mitverantwortung für die deutschlandweit über 800 Angriffe auf Asylunterkünfte im Jahr 2015 tragen", schreibt "Mergentheim gegen Rechts" in einer Mail, die unserer Redaktion zugespielt wurde. Darin ruft die Gruppe Vereine, Parteien und Initiativen zu einem Bündnis "gegen Rechtspopulismus und Rassismus und für eine offene Gesellschaft" auf.

 

Trommelgruppe erwägt Absage


In weiteren Mails wendet sich die Initiative an die Distelhäuser Brauerei, in deren "Alten Füllerei" Höcke auftreten sollte, und an die Stadt Wertheim, die die "Aula Alte Steige" an die Partei vermietet hat. Schreiben gehen zudem an den Satiriker und AfD-Kritiker Gernot Hassknecht - er tritt am 17. Februar in der "Alten Füllerei" auf - und an die afrikanische Trommelgruppe "Mother of all Nations". Die Musiker sollten in Höckes Vorprogramm Spenden für die "Adompoja Kinderhilfe Ghana & Togo" sammeln.

 

"Wir empfinden es als bizarr, weil ausgerechnet Björn Höcke in der jüngsten Vergangenheit mehrfach mit eindeutig rassistischen Äußerungen auf sich aufmerksam machte", erklärt ein Vertreter von "Mergentheim gegen Rechts", der unter dem Pseudonym Timo Büchner agiert. "Der Kontakt zur Trommelgruppe bestand ohnehin. Wir wollen auch dokumentieren, dass wir kein fremdenfeindlicher Verein sind, sondern nur gegen die derzeitige Politik", begründet von der Groeben das Engagement der Musiker. Offenbar wusste jedoch die Leiterin der Gruppe, Sana Kpante, nichts darüber, dass der Auftritt vor einer Höcke-Rede geplant war. Das geht aus der Antwort-E-Mail hervor, die Kpante Mittwochnacht an Büchner geschickt hat. Sie werde versuchen, das Konzert abzusagen, schreibt sie.

Definitiv nicht stattfinden wird der Höcke-Auftritt in der "Alten Füllerei". Die Distelhäuser Brauerei hat auf den Hinweis der Bad Mergentheimer Gruppe reagiert und die Veranstaltung abgesagt. Dass sich AfD-Mann Höcke in ihren Räumlichkeiten präsentieren wollte, habe die Brauerei bis Montag nicht gewusst. "Die Veranstaltung in der "Alten Füllerei" wurde über eine Privatperson gebucht und nicht von der AfD direkt", erklärt Geschäftsführer Achim Kalweit. Die Distelhäuser Brauerei verhalte sich politisch grundsätzlich neutral.

"Wir wollen keine Plattform bieten für politische Diskussionen dieser Art. Durch die Vorgänge um Herrn Höcke müssen wir befürchten, dass durch Demonstrationen zum einen der Geschäftsbetrieb behindert wird und zum anderen das Bild der Brauerei in der Öffentlichkeit Schaden nehmen könnte", begründet Kalweit die Absage.

 

Für "Mergentheim gegen Rechts" ist diese Entscheidung ein großer Erfolg. "Besser hätte es diesbezüglich nicht laufen können", sagt Büchner. Ganz anders bewertet Christian von der Groeben den Vorgang: "Wir haben uns vorgenommen, den wahren Björn Höcke zu zeigen. Aber die Brauerei musste den Drohungen des linken Mobs nachgeben." Es sei aber bereits ein neuer Raum gefunden. Wo die Veranstaltung letztlich stattfinden wird, will von der Groeben noch nicht öffentlich machen.

 

Zu Neutralität verpflichtet


Wie geplant in der Aula Alten Steige wird am 4. März Alexander Gauland zu sehen und zu hören sein. "Als öffentliche Verwaltung sind wir zu Recht und Gesetz (Versammlungsfreiheit) und zu politischer Neutralität verpflichtet. Wir können also die Entscheidung über die Vermietung städtischer Räumlichkeiten nicht danach ausrichten, ob die anfragende Partei uns schmeckt oder nicht. Die AfD gehört nun mal zum bundes- und landespolitischen Parteienspektrum", rechtfertigt Stadtsprecherin Angela Steffan die Vermietung. Beispielsweise habe die SPD ebenfalls am 4. März den Arkadensaal für eine Wahlveranstaltung angemietet.

 

"Die Entscheidung der Stadtverwaltung Wertheim ist aus unserer Sicht skandalös: Sie bietet der AfD und Gauland, der wiederholt mit rassistischen Sprüchen auf sich aufmerksam machte, eine Plattform - und das nur neun Tage vor der Landtagswahl", ärgert sich Timo Büchner. Bleibe die Stadt bei dieser Entscheidung, würde "Mergentheim gegen Rechts" und seine Unterstützer vor Ort protestieren. Idealerweise könnte eine Woche vor der Veranstaltung ein Vortrag über Rechtspopulismus organisiert werden.

 

"Einige Dinge rausgerutscht"


Bange ist von der Groeben angesichts einer solchen Ankündigung nicht. Demonstrationen gegen Gauland und Höcke sieht er gelassen entgegen: "Das wird die Polizei regeln", sagt er. Gleichwohl ist sich von der Groeben der Wirkung, die gerade Höcke hat, bewusst. "Der Landesvorstand hat uns gewarnt, ihn einzuladen", räumt von der Groeben ein. Zustande gekommen war der Kontakt über Kreisvorsitzende Christine Baum, die aus Thüringen stammt und regelmäßig an AfD-Kundgebungen in Erfurt teilnimmt. Er habe Höcke als "netten, umgänglichen Menschen" kennengelernt, dem in der jüngsten Vergangenheit "einige Dinge herausgerutscht" seien, sagt von der Groeben. "Er hat sich ein paar Mal falsch ausgedrückt." Bei den Veranstaltungen im Main-Tauber-Kreis werde es keine Parolen geben. "Vielleicht können wir etwas geraderücken."

 

Hintergründe zum AfD-Kreisverband und zur Initiative „Mergentheim gegen Rechts“:

  • Der AfD-Kreisverband Main-Tauber gründete sich im August 2013. Die Vorsitzende des Kreisverbands, Dr. Christina Baum, ist eine von drei Stellvertreterinnen im Landesvorstand. Bei den Bundestagswahlen im Jahr 2013 erhielt die AfD in Baden-Württemberg 5,2 Prozent der Stimmen. Das gleiche Ergebnis erzielte sie im Wahlkreis Odenwald-Tauber.
  • Im April 2014 hatte die Kreis-AfD ebenfalls in der "Alten Füllerei" einen Vortrag mit dem damaligen AfD-Europakandidaten Joachim Starbatty organisiert. Starbatty sprach über Finanzpolitik in der Europäischen Union. Wie Parteigründer Bernd Lucke ist wie Starbatty inzwischen aus der Partei ausgetreten.
  • Die Initiative "Mergentheim gegen Rechts" engagiert sich seit Anfang 2014 in der Aufklärungs- und Bildungsarbeit. In erster Linie beschäftigt sich die lose organisierte Gruppe mit der Recherche, Dokumentation und Aufklärung von organisierten rassistischen und faschistischen Strukturen im Raum Bad Mergentheim und im Umkreis. Zuletzt fand am 9. Januar ein Vortrag zum Thema Rechtsrock in der Kopernikus-Realschule in Bad Mergentheim statt. Die Mitglieder der Gruppe wollen anonym bleiben. Beteiligt sind Schüler, Studenten, Auszubildende, Lehrer und Arbeiter.