Wieder einmal versammeln sich türkische Nationalisten in Göppingen zu einem Kulturabend. Polizei und Verfassungsschutz beobachten die Feier, die Junge Union kritisiert den Vermieter der Halle.
Für deutsche Ohren klingt der Text martialisch. Doch in der Türkei ist Mustafa Yildizdogans Hymne stadiontauglich. „Für meine Türkei würde ich sterben“, singt der Mann, der angeblich als Schafhirte entdeckt wurde und inzwischen zum Star aufgestiegen ist. Am Samstag tritt er mit anderen Sängern aus der nationalistischen Musikszene der Türkei in der Werfthalle in Göppingen auf.
Zum Jubiläum kam ein Abgeordneter aus Ankara
Dort bittet der örtliche Türkische Idealistenverein wieder einmal zu einem großen Kulturabend. Schon mehrfach haben die auch als Graue Wölfe bekannten „Idealisten“ im Stauferpark gefeiert. Ein andermal gastierten sie in Ebersbach. Zuletzt beging der in der Göppinger Jahnstraße angesiedelte Verein im Mai 2014 in der Werfthalle sein 30-jähriges Bestehen. Sogar ein Abgeordneter der rechtsextremen MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung) aus der Türkei war damals anwesend.
Diesmal kommt keine Prominenz, dafür werden es noch mehr Besucher. „Wir erwarten 1000 Gäste“, sagt Mustafa Tok. Der Daimler-Mitarbeiter aus Sindelfingen fungiert bei den Idealistenvereinen der Region als Pressesprecher und besitzt in seiner Heimatstadt einen guten Leumund. Da sitzt er im Integrationsausschuss.
Die Junge Union macht Druck auf den Vermieter
Die besagte Jubiläumsfeier im Mai 2014 blieb von der deutschen Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt. Das ist diesmal anders. In einer Pressemitteilung hat die Junge Union im Kreis den Betreiber der Werfthalle, den Geschäftsmann Johannes Krauter, aufgefordert, die Veranstaltung abzusagen. „Als Junge Union fordern wir, dieser nationalistischen, extremistischen und demokratiefeindlichen Gruppierung keine Plattform und keinen Nährboden in Göppingen zu geben“, lässt sich Simon Weißenfels zitieren. Er ist nicht nur Kreisvorsitzender der JU, sondern kämpft für die CDU bei der Landtagswahl auch um das Direktmandat im Wahlkreis Göppingen.
Doch Krauter steht zum Mietvertrag und verweist darauf, dass der Verein nicht verboten sei. Allerdings wird er in Deutschland seit Jahrzehnten vom Verfassungsschutz überwacht. Auch im Bericht des vergangenen Jahres sind die Idealisten im Allgemeinen und die etwa 100 Mitglieder starke Göppinger Gruppe im Besonderen erwähnt. Sie pflegten rassistische und politische Feindbilder und agitierten speziell gegen die ebenfalls im Visier der Verfassungsschützer stehende kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Eine Großtürkei nach Vorbild der EU?
Dass sie sich zu einer Großtürkei bekennen, die sämtliche Turkvölker vom Bosporus bis nach Fernost vereint, räumt Tok ein. Doch das sei eher als freiwilliger Zusammenschluss gedacht, eine Art EU. Tatsächlich liegt bislang nichts Handfestes gegen den vorschriftsmäßig beim Amtsgericht eingetragenen Verein vor. Beim letzten Kulturabend in der Werfthalle habe es nicht einmal einen Parkverstoß gegeben.
„Diese Kulturabende verlaufen meist ohne jede Außenwirkung“, sagt der Sprecher der Ulmer Polizei. Dennoch habe man die Veranstaltung im Blick. Schließlich habe die politische Konfrontation zwischen Kurden und Türken zuletzt weiter zugenommen. Das bereitet auch dem Landesamt für Verfassungsschutz Sorgen. Erkenntnisse zu einer Mobilisierung in PKK-nahen oder linksextremistischen Kreisen zu Gegenveranstaltungen oder Störungen der Veranstaltung lägen dem Landesamt für Verfassungsschutz aber nicht vor, sagt ein Sprecher der Behörde in Stuttgart.
Für Kurden könnte es eine Provokation sein
Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse sei der Kulturabend zweifelsohne eine Provokation, findet Melek Kandilli. Die Vorsitzende des Migrantenvereins Göppingen ist Mitglied der Linken, kommt aber zum gleichen Ergebnis wie die JU. Besonders türkischstämmige Jugendliche, denen es an einem gesunden Fundament fehle, könnten „durch die nationalistische Agitation derart gepusht werden, dass sie auch auf Kurden losgehen“. Tok hält das allerdings für abwegig. „Wir stehen zur demokratischen Grundordnung. Und wir gehen erst gar nicht auf die Straße“, sagt er.