Leipziger setzen am 11. Januar mit einer Lichterkette um den ganzen Innenstadtring ein Zeichen für Toleranz und Weltoffenheit

Erstveröffentlicht: 
08.01.2016

Das war wohl nix. Kraft ihrer Wassersuppe wollten die Veranstalter von Legida den Jahrestag ihres Erstauftritts in Leipzig auch gleich am zentralen Platz feiern: auf dem Augustusplatz. Da war der Leipziger Ableger von Pegida vor einem Jahr noch vierstellig gestartet. Aber zum "Geburtstag" bekommt das geschrumpfte Häuflein nur noch den Parkplatz vorm Naturkundemuseum. Der Ring gehört am 11. Januar dafür den weltoffenen Leipzigern.

 

All jene Initiativen, die nun schon seit einem Jahr die Gegenkundgebungen zu den diversen Auftritten von Legida, Pegida und (noch eine Spur rassistischer)  OfD organisiert haben, haben sich für Montag, 11. Januar, etwas Besonderes ausgedacht: eine Lichterkette rund um den Innenstadtring. Kirchen, Parteien, Gewerkschaften, zahlreiche Vereine, Kunstschaffende und Hochschulen machen mit. Die Universität Leipzig, ja direkt am Augustusplatz ansässig, will schon ab 17 Uhr alle Veranstaltungen aus dem Haus nach draußen verlegen – die Leipziger dürfen ruhig mal dran teilnehmen und was lernen, wenn sie nicht eh schon beim Friedensgebet in der Nikolaikirche sind (Beginn ebenfalls 17 Uhr). Denn das wird auch diesmal Ausgangspunkt aller Ereignisse.

 

„Wir müssen in Leipzig deutlich machen, dass wir für etwas anderes stehen“, sagt Oberbürgermeister Burkhard Jung, der mittlerweile sichtlich besorgt ist darüber, was Pegida in Dresden in der internationalen Wahrnehmung Sachsens anrichtet. Die deutschen Medien reden von „Dunkeldeutschland“, selbst dann, wenn sie die Prozesse hinter den fremdenfeindlichen Auftritten in Dresden nicht durchschauen, sich auch nie mit der sächsischen Wegduck-Politik beschäftigt haben, die gerade in Ostsachsen erst die Etablierung eines rechtsextremen Milieus ermöglicht hat.

 

In Dresden scheint die Zivilgesellschaft regelrecht ratlos, berichtet Christian Wolff, Thomaspfarrer im Ruhestand, von einer erlebten Diskussionsveranstaltung in der Dresdner Kreuzkirche. Da ist eine Menge schiefgelaufen in Dresden. Und das regierungsseitige „Verständnis“ für die „besorgten Bürger“ gehört dazu. Es gibt Haltungen, die in einer weltoffenen Demokratie schlicht kein Verständnis verdienen. Und dazu gehören Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Chauvinismus.

 

In Leipzig hat sich die Bewegung der „besorgten Bürger“ schon früh auf einen harten Kern von klaren Rassisten und bekannten Rechtsextremen zurechtgeschrumpft. 700 waren es vor dem Sommer, um die 500 im Herbst. Zuletzt fanden sich noch 300 ein, um den immer gleichen Reden, Phrasen und Bittgesängen zu lauschen und einen Mann wie Wladimir Putin als Heilsbringer zu beschwören.

 

Am 11. Januar hofft man nun, mit einem Gast wie dem Pegida-Organisator Lutz Bachmann wieder ein Publikum von 1.000 bis 2.000 Leuten zu ziehen. Aber das hat schon beim letzten Mal nicht geklappt. Die selbsternannten Heilsbringer haben keine Botschaft, die wirklich über den engen Kreis der rumorenden Fremdenfeinde hinausreicht. Angebote oder Lösungen schon gar nicht.

 

Auch OBM Burkhard Jung rechnet nicht damit, dass es mehr „als ein paar Hundert“ Hartnäckige sind, die am Montag auf den Platz vorm Naturkundemuseum eskortiert werden. Die Polizei werde wohl den Ring zwischen Naturkundemuseum und Hauptbahnhof sperren, um die Veranstaltungen abzusichern. Aber den Legida-Demonstranten droht wie beim letzten Marsch durchs Waldstraßenviertel am 31. August Ungemach. Damals wurden sie aus den Fenstern der Häuser mit der „Ode an die Freude“ beschallt.

 

Die von Legida abgespaltete Truppe um Silvio Rösler (Offensive für Deutschland) hat von der Ordnungsbehörde den Waldplatz als Versammlungsort zugewiesen bekommen. Was es zumindest schwierig machen wird, den Straßenbahnverkehr in der Jahnallee zu sichern.

 

„Wir werden versuchen, den Verkehr auf dem Ring weitgehend am Laufen zu halten“, sagt Jung. Einzige Ausnahme die erwähnte Strecke am Tröndlinring. Was schwer genug wird.

 

„Wir jedenfalls werden den Verkehr auf dem Ring nicht beeinträchtigen“, sagt Christian Wolff als Sprecher der Organisatoren der Aktion „Leipzig bleibt helle“. Denn die Lichterkette soll möglichst auf Bürgersteigen und am Straßenrand stattfinden. Auch als symbolisches Zeichen nach außen, dass diese Stadt den Demokraten gehört, den Menschen, die Weltoffenheit leben und vor allem für eine friedliche Auseinandersetzung in der Demokratie einstehen, wie Burkhard Jung betont. Die Lichterkette sei auch ein Zeichen der Vernünftigen in dieser Stadt, „dass wir friedlich einstehen für unsere Demokratie“.

 

„Die Innenstadt bleibt frei“, sagt Jung (und vergisst auch die deutliche Abgrenzung gegen jegliche Gewalt, „egal von welcher Seite“, nicht). Die Demokratiefeinde bleiben draußen.

 

Und für Christian Wolff ist es auch ein Zeichen, dass Unternehmen wie das BMW Werk Leipzig und das Porsche Werk Leipzig sich hinter die Aktion stellen. Für Jochen Müller, Kommunikationschef im Leipziger BMW Werk, sei das auch eine Erinnerung daran, warum BMW sich vor 16 Jahren für den Standort Leipzig entschieden habe. Der Faktor einer als weltoffen bekannten Stadt mit internationaler Ausstrahlung habe dabei eine wesentliche Rolle gespielt. Dem stimmten die Kollegen von Porsche dann einfach bei.

 

„Ich lade alle Leipziger ein, am Montag mitzumachen bei der Lichterkette“, sagt Burkhard Jung.

 

Der Ablauf am 11. Januar:


Nach dem Friedensgebet sammeln sich ab 18 Uhr alle Leipziger, die mit der Lichterkette ein Zeichen setzen wollen, an fünf Punkten rund um das Stadtzentrum: 1 auf dem Willy-Brandt-Platz am Hauptbahnhof, 2 auf dem Augustusplatz, 3 am Neuen Rathaus, 4 auf der Westseite der Thomaskirche und 5 auf dem Richard-Wagner-Platz.

 

Ab 18:45 Uhr ziehen die Teilnehmer von dort aus los, um die Lichterkette um den Ring zu schließen. Christian Wolff: „Der Ring umfasst 3,5 Kilometer. Also brauchen wir mindestens 3.500 Teilnehmer. Aber ich bin mir sicher, dass wir an vielen Stellen sogar doppelreihig stehen werden.“

 

Eine Viertelstunde haben die Organisatoren vorgesehen. Immerhin werden in der Zeit dann auch kurz die Zufahrten ins Stadtzentrum geschlossen. „Wir wollen den Verkehr um die Innenstadt so wenig wie möglich beeinträchtigen“, sagt Frank Kimmerle vom Erich-Zeigner-Haus e.V, einer der Mitorganisatoren. Und bei widrigen Wetterbedingungen müsse man auch an Ältere und Kinder denken. Burkhard Jung lädt sogar extra ein, dass auch Familien mit Kindern kommen, aber auch Flüchtlinge, die sich hier einreihen können in eine Stadtgesellschaft, die Gastfreundschaft noch ernst nimmt.

 

Nach Abschluss der Lichterkette gibt es dann gegen 19:15 Uhr eine Kundgebung vorm Mendelssohn-Portal der Thomaskirche mit OBM Burkhard Jung, Staatsministerin Petra Köpping, Sari Kittani (Flüchtling aus dem Irak), Bernd Kruppa vom Leipzig Courage zeigen e.V., Irena Rudolph-Kokot von Leipzig nimmt Platz und der grünen Bundestagsabgeordneten Monika Lazar.

 

Um 20 Uhr schließt der Tag mit einem Friedensgebet in der Thomaskirche.

 

Das „Programm“ von „Leipzig bleibt helle“:


Auch 2016 treten wir ein

– für das Grundrecht auf Asyl
– für ein Europa der offenen Grenzen
– für eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen
– für religiöse und weltanschauliche Vielfalt
– für die Achtung unterschiedlicher Lebensentwürfe
– für eine demokratische Streitkultur.

Die freiheitliche Demokratie kann nur von allen Bürgerinnen und Bürgern verantwortet und gestaltet werden.