Amtsgericht Meißen - Selbst ernannter Polizist zu 22 Monaten Haft verurteilt

Erstveröffentlicht: 
15.12.2015

Sie gaben sich als Polizisten aus, hielten einen Gerichtsvollzieher fest und versetzten ihn in Todesangst. Jetzt mussten sich die ersten vier von insgesamt 17 Beschuldigten vor dem Amtsgericht Meißen verantworten. Doch nur einer der mutmaßlichen Anhänger der Reichsbürgerbewegung erschien zum Prozessauftakt. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die anderen werden jetzt per Haftbefehl gesucht.

 

Das Amtsgericht Meißen hat ein mutmaßliches Mitglied des sogenannten "Deutschen Polizei Hilfswerks" (DPHW) zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten ohne Bewährung verturteilt. Der Richter sprach ihn der gemeinschaftlichen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und dem Missbrauch von Amtszeichen schuldig. Er ging mit seinem Urteil über die Forderung der Staatsanwaltschaft nach Beweährungsstrafe von zwei Jahren hinaus. Es war der erste von insgesamt drei geplanten Prozessen gegen mutmaßliche Mitglieder dieser Vereinigung.

 

Haftbefehle gegen nicht anwesende Angeklagte

 

Der 56 Jahre alte Beschuldigte war am Dienstag als einziger von vier Angeklagten erschienen, so dass die Verhandlung schon wenige Minuten nach dem Auftakt unterbrochen wurde. Zwei der nicht anwesenden Angeklagten sollten von der Polizei von ihren Wohnsitzen im brandenburgischen Spremberg abgeholt und zwangsvorgeführt werden, waren aber offenbar nicht zu Hause. Gegen einen Mann und eine Frau wurden inzwischen Haftbefehle erlassen. Auch der Aufenthaltsort des vierten Angeklagten ist unklar, er wird in Belgien vermutet und bereits seit längerem per Haftbefehl gesucht. Alle drei sollen zu den Anführern des DPHW gehören. Am späten Vormittag wurde der Prozess mit dem einzigen anwesenden Angeklagten fortgesetzt und die Zeugen vernommen.

 

Als selbst ernannte Polizisten Gerichtsvollzieher gekidnappt

 

Die drei Männer und eine Frau im Alter zwischen 45 und 56 Jahren mussten sich wegen gemeinschaftlicher Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Ihnen wurde vorgeworfen, im November 2012 zusammen mit weiteren selbst ernannten Ordnungshütern in Bärwalde nahe Dresden einen Gerichtsvollzieher in ihre Gewalt gebracht und ihn verletzt zu haben.

Der Vertreter des Amtsgerichts Meißen sollte dort auf einem Grundstück eine Zwangsvollstreckung vornehmen. Der Schuldner rief daraufhin Mitglieder des DPHW zu Hilfe. Bis zu 20 der Möchtegernpolizisten erklärten dem Gerichtsvollzieher, er sei festgenommen. Sie versuchten, ihn niederzuringen und zu fesseln. Außerdem hinderten sie den Mann am Verlassen des Grundstücks. Erst die richtige Polizei konnte ihn befreien.

 

Zeugen: Opfer stand Todesängste aus


Zwei damals anwesende Polizeibeamte sagten im Prozess aus, der Gerichtsvollzieher sei wie ein Hund über den Hof gehetzt worden. Seine Verfolger hätten auf den ersten Blick täuschend echte Polizeiuniformen getragen, so dass den echten Beamten nicht sofort klar gewesen sei, wer Opfer und wer Täter war. Der Gerichtsvollzieher habe sichtbar Todesängste ausgestanden und sei schwer traumatisiert gewesen, so die beiden Zeugen. Der Staatsdiener war nach dem Zwischenfall 16 Monate arbeitsunfähig.

 

Mutmaßliche Anhänger der Reichsbürgerbewegung

 

Als Zeuge angehört wurde auch ein Sachverständiger des Operativen Abwehrzentrums der sächsischen Polizei. Er hatte damals zu prüfen, ob es sich beim DPHW um eine kriminelle Vereinigung handelt. Laut Staatsanwaltschaft war die Gruppe der streng hierarchisch aufgebaut - vom "Chef des Generalstabs" bis zum einfachen "Hilfswilligen". Der zunächst ebenfalls erhobene Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung erwies sich als nicht haltbar. Inzwischen soll die Gruppe aufgelöst worden sein. Ihren Mitgliedern wird nachgesagt, Anhänger der Reichsbürgerbewegung zu sein, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnet und die Staatsmacht nicht anerkennt.

 

Angeklagter zeigt sich unwillig


Auch das Verhalten des zum Prozess erschienen Angeklagten legte diesen Schluss nahe. Er verweigerte Äußerungen zu persönlichen Angaben, stellte die Autorität des Gerichts infrage und bedrängte den Richter verbal. Dieser verhängte gegen den Mann schließlich ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 Euro wegen Missachtung des Gerichts. Bei seiner Befragung gestand der gelernte Elektromonteur die "Festnahme" des Gerichtsvollziehers und bezeichnete sie als gerechtfertigt. Ein Tatbeteiligter hatte die ganze Aktion als "Schulungsvideo" des DPHW aufgezeichnet.

 

Hohe Sicherheitsstufe am Amtsgericht


Für den Prozess am Meißner Amtsgericht galten strenge Sicherheitsauflagen. Besucher mussten am Einlass einen gültigen Personalauswies vorzeigen. Außerdem wurden sie auf Waffen und andere Gegenstände untersucht, die den Prozess stören könnten. Dazu gehörten laut richterlicher Verfügung auch "Kleidungsstücke mit beleidigenden, volksverhetzenden, Gewalt verherrlichenden oder sonst strafbaren Symbolen oder Textaufdrucken". Im Zuschauerraum und vor dem Gerichtsgebäude waren mehr als 30 Unterstützer des Angeklagten anwesend. Wie er stellten sie die Legitimation des Gerichts und der Bundesrepublik insgesamt infrage.

Insgesamt müssen sich 17 Beschuldigte vor Gericht verantworten. Wegen dieser großen Anzahl wurde das Verfahren auf drei Prozesse aufgeteilt.