Beate Zschäpe will ihr Schweigen brechen

Erstveröffentlicht: 
10.11.2015

„Umfassende Aussage“ im NSU-Prozess für Mittwoch angekündigt – aber mehrere ihrer Anwälte wussten davon nichts


Von Christoph Trost

 

München. Spektakuläre Wende im Münchner NSU-Prozess: Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe will ihr mehr als zweieinhalbjähriges Schweigen brechen, wie die Kanzlei ihres Verteidigers Mathias Grasel am Montag ankündigte. Am morgigen Mittwoch werde die mutmaßliche Neonazi-Terroristin vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG) „umfassend“ aussagen. Entsprechende Berichte von „Spiegel“ und „Bild“ bestätigte der Anwalt Hermann Borchert aus der Grasel-Kanzlei.

 

Die 40-Jährige werde aber nicht selbst sprechen, hieß es, sondern ihren Verteidiger Grasel ihre Aussage verlesen lassen. Zum Inhalt der angekündigten Aussage machte er keinerlei Angaben. Dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) werden unter anderem neun Morde an Migranten und die Ermordung einer Polizistin vorgeworfen. Zschäpe, die einzige Überlebende des Trios, steht seit Mai 2013 in München vor Gericht – zusammen mit vier Mitangeklagten. Die Anklage wirft der Thüringerin Zschäpe Mittäterschaft an allen Taten des NSU vor.

 

Seit dem Bekanntwerden des NSU vor fast genau vier Jahren hatte Zschäpe beharrlich geschwiegen, auch an den inzwischen fast 250 Verhandlungstagen vor Gericht. Und das, obwohl sie bei der Polizei gesagt haben soll, sie habe sich nicht gestellt, um nicht auszusagen. In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Hinweise und Mutmaßungen gegeben, Zschäpe könnte nun doch aussagen. Es wurde spekuliert, dass sie mit der Schweige-Strategie ihrer Verteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm nicht zufrieden sei. In einem Gutachten des Gerichtspsychiaters Norbert Nedopil wurden diese Zweifel am Rat der Anwälte noch einmal unterstrichen. Es hieß dort vor einem halben Jahr, inzwischen „belaste“ das Schweigen die Hauptangeklagte im NSU-Prozess zunehmend.

 

Im Juni schrieb Zschäpe dann – im Streit über ihre Anwälte – an das OLG, dass sie sich „durchaus mit dem Gedanken beschäftige, etwas auszusagen“. Mit diesem Hinweis versuchte sie, ihre Anwältin Sturm loszuwerden – was ihr dann allerdings misslang. Im Juli bestellte das Gericht Grasel als vierten Verteidiger, in der Hoffnung, den Streit um die Zschäpe-Verteidigung zu befrieden. Das Gegenteil trat ein: Grasel und die drei ursprünglichen Verteidiger arbeiten nicht zusammen. Die drei Anwälte sollen auch, im Unterschied zu Grasel, nichts von Zschäpes geplanter Aussage wissen. Zuletzt war im Umfeld des NSU-Prozesses spekuliert worden, das Verfahren könnte sich langsam seinem Ende nähern. Das ist angesichts der angekündigten Aussage Zschäpes nun unwahrscheinlich geworden. Wenn sie in der Aussage tatsächlich fundierte Tatsachen erwähnen sollte, wäre die Vernehmung zusätzlicher Zeugen denkbar.