Müdes „Köln 2.0“

Roeseler und Dittmer in Köln
Erstveröffentlicht: 
26.10.2015

Das angekündigte Revival der HoGeSa-Organisatoren in Köln misslang gründlich. Nicht mal 1000 Anhänger folgten dem Aufruf, ihr Auftritt schien wenig motiviert.

 

Aufgeregt sprang Hauptorganisator Dominik Roeseler ans Mikrophon und brüllte: „Wir sind wieder da!“ und setzte nach: „Wir sind die Macht!“ Dann tauchte der Mann von „pro NRW“ in den Reihen seiner Anhänger unter,  begrüßte einige einzeln mit männlichem Gehabe. Die Fäuste wurden ineinander geklatscht. Nur allmählich füllte sich der abgelegene Barmer Platz in Köln mit Anhängern der „Hooligans gegen Salafisten“. Es war eine Mischung aus Aktivisten in schwarzer Kleidung, alten Hooligans, einigen älteren Herren, Türstehern, aufgekratzten Frauen und herumprollenden jungen Männern. Die gelb-schwarze Fahne der „Identitären Bewegung“ wurde geschwungen. Zwei, drei Teilnehmer hatten sich in Deutschland-Fahnen gehüllt, eine Frau zeigte die Schweizer Flagge. Eine Gruppe war aus den Niederlanden angereist. Einige Migranten waren unter den Ankommenden.

Roeseler und seine Helfer wollten die Veranstaltung unter dem Motto „Hooligans gegen Salafisten“ erneut aufleben lassen. Vor der Randale am Hauptbahnhof im Oktober vergangenen Jahres war der organisierte rechte Protest von den Behörden unterschätzt worden. Die Demonstration lief aus dem Ruder und endete mit zahlreichen Verletzten.

In diesem Jahr verhinderten über 15 000 Gegendemonstranten mit  zahlreichen Blockaden den Zugang der Rechten zu dem unwirtlichen Platz zwischen Brücken und Hochhäusern. Die Polizei hatte Wasserwerfer in einer Reihe aufgefahren, das Aufgebot war riesig. Polizeikontrollen in Zelten verzögerten den Zugang. Nur eine kleine Bühne wurde errichtet. Alles wirkte recht unmotiviert.

 

„Kategorie C“ musikalisch an der Spitze der Kampagne

Mit dem Wagen eines Autohauses aus Osterholz-Scharmbeck erschien der Sänger der Bremer Band „Kategorie C“ Hannes Ostendorf aus Lilienthal und baute sofort mit seinem Gefolge den einzigen Verkaufsstand auf. Die Macher hinter dem Label „Kategorie C“ könnten die wirtschaftlichen Gewinner der radikalen bundesweiten Hooligan-Bewegung sein, die sich in vielen Regionen auch an örtlichen Protesten gegen Flüchtlingsheime beteiligt. Ausgerechnet  rechte Hooligans, die ansonsten eine gewaltsame „dritte Halbzeit“ nach den Fußballspielen propagieren, spielen sich als „Wächter“ von Moral und Ordnung auf. „Kategorie C“ hatte rechtzeitig zum ersten Kölner Aufmarsch  den Song „Hooligans gegen Salafisten“ veröffentlicht und sich so musikalisch an die Spitze der Kampagne gesetzt. Die Band genießt fast ein Monopol.

An dem Sonntag waren auch viele „Berserker“-Embleme zu sehen. Die Hooligan-Truppe aus Pforzheim hat mittlerweile einige Ableger wie im Raum Vechta und Wolfsburg. Sie agiert eng mit der „Bruderschaft Nordic 12“.  Die Augen des Logos der „Division Braune Wölfe“ zieren leuchtend rote Achten. Anhänger der „Aktionsgruppe Weserbergland“ reisten an, doch die meisten Teilnehmer kamen aus Nordrhein-Westfalen. Eine große Truppe traf sich zuvor in Herne, um gemeinsam anzureisen.

Die Landes-NPD wurde durch den Vorsitzenden Claus Cremer und das Landesvorstandsmitglied Ariane Meise vertreten. Aus Aachen kam Willibert Kunkel hinzu und aus Rheinland-Pfalz Sascha Wagner. Führende Aktivisten von „Die Rechte“ aus Dortmund oder größere Gruppen aus den ostdeutschen  Bundesländern ließen sich nicht blicken.

 

„Ahu“-Gegrunze und „Lügenpresse“-Rufe

Es dauerte über eine Stunde, bis die Organisatoren um Melanie Dittmer endlich die 50 Ordner aufgestellt bekamen. Polizeiliches Führungszeugnis und Alkoholwerte wurden überprüft. Immer wieder sortierte die Polizei Ordner und Ordnerinnen aus. Auch der Bremer Hooligan-Sänger streifte die Ordner-Binde nur ganz kurz über. Er war bereits Anfang der 1990er Jahre an einem Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim beteiligt gewesen.

Die angekündigte populäre Pegida-Rednerin Tatjana Festerling erschien nicht. Edwin Utrecht aus den Niederlanden sprach als erster. Zur Stimmungsmache sprang immer wieder der Tattooladen-Besitzer Andreas Kraul aus Herne, genannt „Kalle“, auf die Bühne. Doch selbst das „Ahu“-Gegrunze und die „Lügenpresse“-Rufe zogen nicht. Das Publikum ließ sich kaum motivieren. Sogar der Applaus für „Kategorie C“-Sänger Ostendorf hielt sich später  in Grenzen. Nur ein paar eingefleischte Fans sprangen mit erhobenen Fäusten herum. Die Musik kam vom Band.

Einige Transparente wurden entrollt. Junge Männer in roten Kapuzenpullovern nannten sich „PesN“, sollte heißen: „Patriotische Europäer sagen Nein!“ Die Forderung der Gruppe: „Gemeinsam statt Einsam“. Einer prollte mit dem beliebten Szene-Spruch: „Kniet nieder ihr Bauern der Osten ist zu Gast“. Ein Brillenträger zeigte stolz sein Shirt. „Kraft durch Freude“ stand darauf. „Die with your God“ hieß es auf der Lederweste eines „Nordic Klan“-Vertreters. Sein Patch auf dem Rücken zierte eine brennende Kirche.

 

Rednerin „Jacky“ vom NPD-Ortsverband Burbach

Ganz cool koordinierte die langjährige Szene-Aktivistin Melanie Dittmer mit Knopf im Ohr die Ordnerkräfte. Sie organisiert die „Dügida“-Aufmärsche in Düsseldorf und forderte Medienberichten zufolge kürzlich „Ferkel muss weg – Ihr wisst schon wer gemeint ist“. Auf die Frage eine Facebook-Schreibers, warum sie nicht offizielle Pegida-Ableger würden und die Anmerkung, der Dresdener Organisator würde sich von den Nordrhein-Westfalen distanzieren, herrschte Dittmer schriftlich zurück: „Ist uns doch egal von wem Bachmann sich abgrenzt“. Und weiter: „Muss man zu einem Franchise Unternehmen gehören, um gesellschaftlich zu protestieren?“ Sie unterstellt: „Wäre er  ein kluger Mann, so hätte er Absprachen mit Höcke und mit Köln 2.0 und allen anderen getroffen. Anstatt den alleinigen Franchise-Unternehmer zu mimen.“

„Kalle“ Kraul versucht erneut den Einheizer. Er fordert dann eine Frau nach oben, die sich zu zieren schien. Viele machen es ihm daraufhin nach und grölen „Jacky, Jacky“.  Eine Frau mit langen dunklen Haaren, Tattoos am Hals und einem weiten Dekoltee unter der Lederjacke tritt zögerlich ans Mikrophon. „Das ist gemein“, sagt sie. Kraul grinst süffisant und kaut Kaugummi. Der Auftritt ist inszeniert.

Denn die scheinbar so spontan nach oben gerufene „Jacky aus dem Saarland“ ist Jaqueline Süßdorf und Vorsitzende des NPD-Ortsverbandes Burbach. Ihre Rede war vorbereitet, sie hatte mehrere Zettel dabei. In Saarbrücken betreibt Süßdorf Gastwirtschaften. Für die „Bild“-Zeitung war sie die „Skandal-Wirtin“, gegen die wegen Volksverhetzung ermittelt wurde. Die Endvierzigerin war mit auffälligem Anhang nach Köln gereist. Neben ihren weiblichen Bekannten stand starr ein Mann, der ihr wie ein Bodyguard nicht von der Stelle zu weichen schien und ein Barett auf dem Kopf trug. Der Saarländer  ist  Jurist und Wirtschaftsjunior. Er hielt bereits Vorträge für die IHK und begeisterte sich vor Jahren noch für die FDP, nun scheinen ihn die „Hooligans gegen Salafisten“ zu interessieren.

 

„Wer im deutschen Herbst schläft …“

Süßdorf kommt mit ihrer Rede nur schwer in Gang. „Kalle“ Kraul unterbricht  sie noch einmal mit dem  Spruch : „Wenn sie nicht reden kann, dann kann sie auch die Jacke ausziehen“. Männliches Gelächter. Schließlich redet Süßdorf doch. Sie fordert „Treffpunkte im ganzen Land“, wo „man zusammen kommen kann, wenn es mal wirklich rappelt“. Auf „Jacky“ folgt dann eine blonde „Maria“, die weitaus flüssiger spricht, aber weniger Aufmerksamkeit erhält.

Das Interesse an den Rednern schien vorüber. Immer mehr Teilnehmer strömten zur Schleuse, von der aus die Polizei sie dann zum Bahnhof geleitete. Hannes Ostendorf feierte die Veranstaltung später bei Facebook ab, es habe eine „super Stimmung“ geherrscht. Die wollte aber schon bei seinen eigenen Begleitern anscheinend nicht aufkommen. Der letztjährige Mitorganisator „Captain Flubber“ aus Bremen, alias Marcel Kuschela, wirkte völlig gelangweilt. Zuvor hatte er allen virtuell noch einen „erfolgreichen Sonntag“ gewünscht und einen umgekippten VW-Bus abgebildet. 2014 war bei der Randale ein Fahrzeug der Polizei inmitten der aggressiven Menge umgeworfen worden, das Foto wurde zur Symbolik für die Ausschreitungen in Köln im vergangenen  Jahr. Großspurig hatte Kuschela zudem vor dem müden „Köln 2.0“ noch verkündet: „Wer im deutschen Herbst schläft... wird im arabischen Frühling aufwachen.“