Uhingen: Entsetzen über rechte Hetze

Erstveröffentlicht: 
28.09.2015

Auswärtige Rechtsextremisten hetzen mit örtlichen Neonazis gegen die geplanten Flüchtlingsunterkünfte in Uhingen. Das Auftreten in der jüngsten Gemeinderatssitzung macht die Stadträte betroffen. Mit einem Kommentar von Karin Tutas.

 

„Wir waren eigentlich vorbereitet“, meint der Uhinger Bürgermeister Matthias Wittlinger. Ein Flugblatt, das in der vergangenen Woche in Uhingen kursierte, hatte erahnen lassen, dass Stadtverwaltung und Bürgervertretern in der jüngsten Gemeinderatssitzung ein rauer Wind entgegen wehen würde. Die Ausweisung dreier Standorte für die Unterbringung von rund 140 Flüchtlingen ist mit Sorgen und Ängsten verbunden, sagt der Rathauschef. „Wir hatten damit gerechnet, dass viele Bürger kommen würden“, wurde doch in dem Flugblatt dazu aufgerufen, gegen die Pläne der Stadt zu protestieren.
 
Das taten die Bürger dann in der dafür vorgesehen Fragestunde. Eine der Wortführerinnen war die Ehefrau des mehrfach vorbestraften Neonazis Manuel M. aus Uhingen, der kürzlich als einer der Rädelsführer der verbotenen Autonomen Nationalisten Göppingen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war. Offenbar hatten sich die Angehörigen der rechten Szene Verstärkung von außen geholt. Vor dem Uditorium verteilten Sympathisanten der rechtsextremistischen Partei „Der dritte Weg“, ein Flugblatt mit der Überschrift „Asylmißbrauch in Deutschland endlich stoppen“.

Von außen gezündelt

In der Sitzung ergriff Martin Bissinger, Stützpunktleiter Schwaben der Neonazipartei, das Wort und machte kräftig Stimmung gegen die geplanten Unterkünfte. „Uns war zunächst nicht bewusst, dass das Leute von außerhalb waren“, sagte Wittlinger auf Nachfrage. Sind Redebeiträge in der Bürgerfragestunde des Gemeinderats doch eigentlich nur Uhingern vorbehalten. Solche Situationen möchte der Rathauschef bei künftigen Debatten nicht mehr haben. Die Verwaltung überlege jetzt, in welcher Form die geplante Informationsveranstaltung zu den Flüchtlingsunterkünften ablaufen soll: „Wir möchten die Uhinger voll mit ihren Sorgen mitnehmen, aber wir wollen nicht, dass von außen gezündelt wird“, macht der Bürgermeister deutlich.

„Solche Auftritte brauchen wir in Uhingen nicht“, erklärt auch der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Gemeinderat, Rainer Frey und fügt hinzu: „Ich wünsche mir, dass wir solche Leute künftig aus den Debatten ausschließen.“ Indes hält Frey das für schwierig: „Wir wollen es ja nicht so weit kommen lassen, dass wir Ausweiskontrollen machen.“ Die Freien Wähler stünden zur Flüchtlingsunterbringung. Seiner Fraktion sei in diesem Zusammenhang sehr wichtig, dass der Gemeinderat sich möglichst schon im Oktober auch über die Anschlussunterbringung – also wenn die Menschen als Asylbewerber anerkannt sind – Gedanken mache.

Unverschämt und dreist

Auch der SPD-Fraktionsvorsitzenden Susanne Widmaier gibt das Auftreten der Rechtsradikalen zu denken: „Ich bin erschrocken“, erklärt die Stadträtin. Da seien Ängste geschürt und haltlose Argumente ins Feld geführt worden. Sorge bereitet Widmaier, „dass die schweigende Akzeptanz solcher Aktionen schwer einzuschätzen ist“. Die SPD-Fraktion jedenfalls werde die Flüchtlinge willkommen heißen. „140 Menschen bei 14.000 Einwohnern müsste zu schaffen sein“, sagt die Fraktionsvorsitzende. Nicht zuletzt sieht Widmaier angesichts der älter werdenden Bevölkerung durch den Zuzug auch eine Chance.

„Unverschämt“ findet die CDU-Fraktionsvorsitzende Sabine Braun den Auftritt der auswärtigen Neonazis in der Ratssitzung. Als „Dreistigkeit“ bezeichnet die Stadträtin, dass die Rechtsextremisten Flüchtlingen unterstellten, kriminell zu sein und im Publikum sitze ein bekannter Neonazi, der gerade aus dem Gefängnis entlassen worden sei. Braun fordert Konsequenzen. Es müsse gewährleistet sein, dass nur Uhinger in der Bürgerfragestunde zu Wort kommen. „Wir sind verpflichtet, die Flüchtlinge aufzunehmen“, gibt Braun die Haltung der CDU-Fraktion wieder. „Wir müssen sie nicht umarmen, sondern einfach wie normale Menschen behandeln.“

Ein Kommentar von Karin Tutas: Gefährliche Brandstifter

Damit war zu rechnen: Der geplante Bau von drei Flüchtlingsunterkünften in der Uhinger Innenstadt stößt nicht bei allen Einwohnern auf Gegenliebe. Dass Bürger im Gemeinderat ihre Sorgen und Nöte äußern und Antworten auf die Fragen wollen, die sie bewegen, ist in Ordnung. Nicht in Ordnung ist allerdings, wenn solche Meinungsäußerungen in Gepöbel und Beschimpfungen ausarten.

Was aber wirklich zu denken gibt, ist, dass es offenbar nicht nur besorgte Uhinger waren, die ihren Protest gegen die Flüchtlingsunterkünfte artikuliert haben. Unter den Zuhörern waren auch von auswärts angereiste Neonazis, offensichtlich mit dem Ziel, in der Debatte heftig mitzumischen. Dass ein führendes Mitglied der rechtsextremistischen Partei "Der dritte Weg" in der Bürgerfragestunde sogar das Wort ergreift und gegen Flüchtlinge hetzt, ist eine mehr als peinliche Panne.

Der dreiste Auftritt der Rechtsextremen in einer Ratssitzung ist jedoch auch ein Novum im Landkreis. Ängste zu schüren und Asylbewerber zu Kriminellen zu stempeln, gehört zum täglichen Brot dieser Herrschaften, deren Flugblätter auch in anderen Kommunen im Kreis auftauchen. Es ist gut, dass Bürgermeister Matthias Wittlinger diesen geistigen Brandstiftern unmissverständlich den Kampf angesagt hat. Notwendig ist aber auch, dass auch die Bürger diesen menschenverachtenden Parolen die Stirn bieten - damit Uhingen bleibt wie es ist: bunt statt braun.