Auswärtige Rechtsextremisten hetzen mit örtlichen Neonazis gegen die geplanten Flüchtlingsunterkünfte in Uhingen. Das Auftreten in der jüngsten Gemeinderatssitzung macht die Stadträte betroffen. Mit einem Kommentar von Karin Tutas.
„Wir waren eigentlich vorbereitet“, meint der Uhinger Bürgermeister
Matthias Wittlinger. Ein Flugblatt, das in der vergangenen Woche in
Uhingen kursierte, hatte erahnen lassen, dass Stadtverwaltung und
Bürgervertretern in der jüngsten Gemeinderatssitzung ein rauer Wind
entgegen wehen würde. Die Ausweisung dreier Standorte für die
Unterbringung von rund 140 Flüchtlingen ist mit Sorgen und Ängsten
verbunden, sagt der Rathauschef. „Wir hatten damit gerechnet, dass viele
Bürger kommen würden“, wurde doch in dem Flugblatt dazu aufgerufen,
gegen die Pläne der Stadt zu protestieren.
Das taten die Bürger dann in der dafür vorgesehen Fragestunde.
Eine der Wortführerinnen war die Ehefrau des mehrfach vorbestraften
Neonazis Manuel M. aus Uhingen, der kürzlich als einer der Rädelsführer
der verbotenen Autonomen Nationalisten Göppingen zu einer
Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war.
Offenbar hatten sich die Angehörigen der rechten Szene Verstärkung von
außen geholt. Vor dem Uditorium verteilten Sympathisanten der
rechtsextremistischen Partei „Der dritte Weg“, ein Flugblatt mit der
Überschrift „Asylmißbrauch in Deutschland endlich stoppen“.
Von außen gezündelt
In der Sitzung ergriff Martin Bissinger, Stützpunktleiter Schwaben der
Neonazipartei, das Wort und machte kräftig Stimmung gegen die geplanten
Unterkünfte. „Uns war zunächst nicht bewusst, dass das Leute von
außerhalb waren“, sagte Wittlinger auf Nachfrage. Sind Redebeiträge in
der Bürgerfragestunde des Gemeinderats doch eigentlich nur Uhingern
vorbehalten. Solche Situationen möchte der Rathauschef bei künftigen
Debatten nicht mehr haben. Die Verwaltung überlege jetzt, in welcher
Form die geplante Informationsveranstaltung zu den
Flüchtlingsunterkünften ablaufen soll: „Wir möchten die Uhinger voll mit
ihren Sorgen mitnehmen, aber wir wollen nicht, dass von außen gezündelt
wird“, macht der Bürgermeister deutlich.
„Solche Auftritte brauchen wir in Uhingen nicht“, erklärt auch der
Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler im Gemeinderat, Rainer Frey und
fügt hinzu: „Ich wünsche mir, dass wir solche Leute künftig aus den
Debatten ausschließen.“ Indes hält Frey das für schwierig: „Wir wollen
es ja nicht so weit kommen lassen, dass wir Ausweiskontrollen machen.“
Die Freien Wähler stünden zur Flüchtlingsunterbringung. Seiner Fraktion
sei in diesem Zusammenhang sehr wichtig, dass der Gemeinderat sich
möglichst schon im Oktober auch über die Anschlussunterbringung – also
wenn die Menschen als Asylbewerber anerkannt sind – Gedanken mache.
Unverschämt und dreist
Auch der SPD-Fraktionsvorsitzenden Susanne Widmaier gibt das Auftreten der Rechtsradikalen zu denken: „Ich bin erschrocken“, erklärt die Stadträtin. Da seien Ängste geschürt und haltlose Argumente ins Feld geführt worden. Sorge bereitet Widmaier, „dass die schweigende Akzeptanz solcher Aktionen schwer einzuschätzen ist“. Die SPD-Fraktion jedenfalls werde die Flüchtlinge willkommen heißen. „140 Menschen bei 14.000 Einwohnern müsste zu schaffen sein“, sagt die Fraktionsvorsitzende. Nicht zuletzt sieht Widmaier angesichts der älter werdenden Bevölkerung durch den Zuzug auch eine Chance.
„Unverschämt“ findet die CDU-Fraktionsvorsitzende Sabine Braun den Auftritt der auswärtigen Neonazis in der Ratssitzung. Als „Dreistigkeit“ bezeichnet die Stadträtin, dass die Rechtsextremisten Flüchtlingen unterstellten, kriminell zu sein und im Publikum sitze ein bekannter Neonazi, der gerade aus dem Gefängnis entlassen worden sei. Braun fordert Konsequenzen. Es müsse gewährleistet sein, dass nur Uhinger in der Bürgerfragestunde zu Wort kommen. „Wir sind verpflichtet, die Flüchtlinge aufzunehmen“, gibt Braun die Haltung der CDU-Fraktion wieder. „Wir müssen sie nicht umarmen, sondern einfach wie normale Menschen behandeln.“
Damit war zu rechnen: Der geplante Bau von drei
Flüchtlingsunterkünften in der Uhinger Innenstadt stößt nicht bei allen
Einwohnern auf Gegenliebe. Dass Bürger im Gemeinderat ihre Sorgen und
Nöte äußern und Antworten auf die Fragen wollen, die sie bewegen, ist in
Ordnung. Nicht in Ordnung ist allerdings, wenn solche
Meinungsäußerungen in Gepöbel und Beschimpfungen ausarten.
Was aber wirklich zu denken gibt, ist, dass es offenbar nicht nur
besorgte Uhinger waren, die ihren Protest gegen die
Flüchtlingsunterkünfte artikuliert haben. Unter den Zuhörern waren auch
von auswärts angereiste Neonazis, offensichtlich mit dem Ziel, in der
Debatte heftig mitzumischen. Dass ein führendes Mitglied der
rechtsextremistischen Partei "Der dritte Weg" in der Bürgerfragestunde
sogar das Wort ergreift und gegen Flüchtlinge hetzt, ist eine mehr als
peinliche Panne.
Der dreiste Auftritt der Rechtsextremen in einer Ratssitzung ist jedoch
auch ein Novum im Landkreis. Ängste zu schüren und Asylbewerber zu
Kriminellen zu stempeln, gehört zum täglichen Brot dieser Herrschaften,
deren Flugblätter auch in anderen Kommunen im Kreis auftauchen. Es ist
gut, dass Bürgermeister Matthias Wittlinger diesen geistigen
Brandstiftern unmissverständlich den Kampf angesagt hat. Notwendig ist
aber auch, dass auch die Bürger diesen menschenverachtenden Parolen die
Stirn bieten - damit Uhingen bleibt wie es ist: bunt statt braun.