Kämpfe am Zaun zwischen Serbien und EU eskalieren / Deutschland plant Grenzkontrollen bis Weihnachten
Von Kathrin Lauer und Dieter Wonka
Budapest/Berlin. Die ungarische Polizei hat am Mittwoch an der serbischen Grenze bei Röszke Tränengas und Wasserwerfer gegen mehrere Hundert aufgebrachte Flüchtlinge eingesetzt, während diese ein Grenztor durchbrachen. Zeitweise gelang es Flüchtlingen, auf die ungarische Seite vorzudringen, jedoch seien sie von ungarischen Polizisten wieder auf die serbische Seite zurückgedrängt worden, berichteten ungarische Medien. 14 Polizisten seien verletzt worden.
 
Zunächst hatten die Flüchtlinge von der serbischen Seite aus die 
Polizisten mit Steinen und Holzstücken beworfen. Dabei riefen sie 
"Öffnen, öffnen". Zum Konflikt kam es an einem alten Grenzübergang auf 
einer Landstraße, der wegen des Andrangs von Flüchtlingen offiziell 
geschlossen worden war. Die Polizei verstärkte ihr Aufgebot, ein 
Polizeihelikopter kreiste über dem Ort des Geschehens. Ungarns 
Außenminister sagte im Staatsfernsehen, er habe in einem Telefonat mit 
seinem serbischen Kollegen verlangt, dass die serbischen Behörden am 
Schauplatz des Konflikts "sofort" eingreifen sollen. Aus Belgrad kam 
scharfe Kritik. "Tränengas wurde über die Grenzlinie geschossen, das ist
 nicht hinnehmbar", sagte Serbiens Sozialminister Aleksandar Vulin. Am 
Abend beruhigte sich die Lage wieder, als Busse auf Initiative der 
serbischen Behörden die Flüchtlinge abholten und in Auffanglager 
brachten.
Deutschland will unterdessen die Grenzkontrollen an den Übergängen nach 
Tschechien und Österreich voraussichtlich bis Weihnachten fortsetzen. 
Dies verlautete nach einem Gespräch von Kanzlerin Angela Merkel mit den 
Ministerpräsidenten der Länder, das am Dienstagabend länger gedauert 
hatte als  erwartet. Im Einzelnen gab es Annäherungen bei folgenden 
Punkten: 
Erstaufnahmelager: Der Bund hat angeboten, im Notfall auf Bitten 
der Länder zusätzlich 40000 Plätze (davon 25000 bei der Bundeswehr) 
bereitzustellen. Die Länder haben bisher rund 150000 Erstaufnahmeplätze 
geschaffen. Vereinbart wurde, dass es in jedem Land mindestens ein 
Anlaufzentrum geben soll. Dort soll es medizinische Hilfe und auch 
Angebote der Arbeitsagentur geben. Als Verteilungsmaßstab für die 
Flüchtlinge in Deutschland gilt der "Königsteiner Schlüssel" - eine 
Kombination aus Fläche, Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft. Diese 
Methode ist in Deutschland bei Verteilungsfragen schon seit vielen 
Jahren bewährt. Bis November sollen alle Flüchtlingsunterkünfte 
winterfest sein.
Grenzkontrollen: Nach Einführung der Passkontrollen an den 
Grenzen kommt täglich angeblich eine größere vierstellige Zahl von 
Flüchtlingen in Deutschland an. Nach Informationen des 
RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) sollen die Kontrollen bis 
Weihnachten bleiben. Bei dem Bund-Länder-Treffen wurde auch über die 
Zahl der in Deutschland erwarteten Flüchtlinge gesprochen. Bisher gilt 
die Ansage der Bundesregierung, dass man von 800000 Menschen in diesem 
Jahr ausgeht. Nachdem SPD-Chef Sigmar Gabriel vor wenigen Tagen 
erklärte, er rechne mit einer Million Flüchtlinge, erhöht die 
Bundesregierung die Zahl jetzt offenbar auf 1,2 Millionen.
Finanzen: Eine Berechnung wurde vorgelegt. Demnach sind für die 
Flüchtlingsversorgung in diesem Jahr zwei bis drei Milliarden Euro 
zusätzlich nötig, für 2016 wird mit einem Aufwand von zwölf Milliarden 
Euro gerechnet. Wer die Kosten trägt, ist noch nicht klar. Der Bund hat 
bisher für dieses Jahr zusätzlich eine Milliarde Euro und für 2016 
insgesamt sechs Milliarden Euro zugesagt. 
Rechtstrend im Osten? Für Sachsen gibt es eine Umfrage des MDR. 
Demnach wäre die rechtspopulistische AfD in dem Freistaat genauso stark 
wie die SPD - beide lägen bei 13 Prozent. Die rechtsextreme NPD, derzeit
 nicht im Landtag, käme derzeit wieder über fünf Prozent.
Viele weichen auf Kroatien aus
Zagreb. Aus Serbien einreisende Flüchtlinge dürfen Kroatien auf dem Weg nach Westeuropa passieren. Der kroatische Regierungschef Zoran Milanovic erklärte am Mittwoch im Parlament von Zagreb: "Sie können durchreisen, und wir bereiten uns auf diese Möglichkeit vor." Innenminister Ranko Ostojic sagte, derzeit werde die Einrichtung von Korridoren geprüft, er stehe dazu in Kontakt mit seiner slowenischen Kollegin Vesna Györkös Znidar. Diese dementierte jedoch umgehend, da die unkontrollierte Weiterleitung von Flüchtlingen gegen EU-Recht verstoße.
Der Weg von Serbien über Kroatien gilt als Ausweichroute für 
Flüchtlinge, die Richtung Österreich und Deutschland wollen, nachdem 
Ungarn seine Grenzen geschlossen hat. Die ersten Flüchtlinge aus Syrien,
 Iran und Afghanistan waren am Mittwochmorgen, einen Tag nach 
Abriegelung der ungarischen Grenze, an der Grenze Serbiens zum 
EU-Nachbarland Kroatien eingetroffen. 
Bislang hätten etwa 150 Flüchtlinge Kroatien erreicht, sagte Milanovic. 
Die eintreffenden Flüchtlinge seien überwiegend Frauen und Kinder, 
berichteten das kroatische Staatsfernsehen und Zeitungsportale des 
Landes. Die Menschen kamen sowohl mit dem Bus als auch mit Taxen in die 
serbische Grenzstadt Sid. 
