"Der angebliche Gemeinderatsbeschluss von 1996" (Spiegelung von schattenparker.net/spip.php?article165 vom März 2010)

Entgegen anderslautenden Aussagen der Stadtverwaltung gibt es keinen Gemeinderatsbeschluss, der Wagenlätze auf städtischen Flächen verhindern würde.

 

Dieser Artikel dokumentiert den entspechenden Artikel der Schattenparker-Website, erstellt im März 2010.

(Falls die Links zu den Gemeinderatsprotokollen nicht funktionieren, einfach selbst im Ratsinfosystem der Stadtverwaltung nachschlagen (https://freiburg.more-rubin1.de/)

 


 

Hartnäckiges Gerücht: Der angebliche Gemeinderatsbeschluss


OB Dieter Salomon spricht über politische Sachzwänge.

 

"Die Haltung der Stadtverwaltung ist klar : Laut Gemeinderatsbeschluss von 1996 darf keine Wagenburg mehr auf städtischem Gelände stehen, auf privatem dagegen schon." (Badische Zeitung, 18.03.2010)

 

"OB Salomon stellte weiterhin in dem Gespräch noch einmal klar, dass es, wie der Gemeinderat beschlossen hat, keinen weiteren Standort auf öffentlicher Fläche geben wird." (Pressemitteilung der Stadt Freiburg, 27.01.2006)

 

  

Ende der Märchenstunde !

 

Wann immer es nötig ist, den Kopf aus der Schlinge der politischen Verantwortung zu ziehen, greift Freiburgs Stadtverwaltung unter OB Dieter Salomon auf denselben Trick zurück :

Es wird behauptet, Wagenplätze auf städtischem Gelände seien nicht zulässig, denn es gebe einen "Gemeinderatsbeschluss von 1996", der dies verhindert.

Stadtverwaltung und Oberbürgermeister haben diese Falschaussage in den vergangenen Jahren derart unermüdlich wiederholt (1 2 3 4 5 6 ...), dass das Gerücht ein Eigenleben entwickelt hat. Es wird in der Presse unhinterfragt abgedruckt, und selbst unter Wagenbewohnern glaubt man gelegentlich (1 2) daran.

Das wollen wir doch mal klarstellen :

Einen solchen Beschluss gibt es nicht.

Bei genauerer Nachfrage (1) seitens der Unabhängigen Listen (UL) kam bereits 2005 die Verwaltung ins Schwimmen, kramte lange in den Akten und hatte dann nichts zu bieten als ein Papier, das nicht von 1996, sondern aus dem Folgejahr stammt – und, wie die UL klarstellten, gar nicht zum Thema gehört. Als daraufhin die Zeitung "Der Sonntag" das Presseamt mit der Wertlosigkeit des 1997-Papieres konfrontierte, ruderte der städtische Pressesprecher schnell wieder zurück (1) auf die alte Mär vom "Beschluss von 1996".

 

 

 

Also mal der Reihe nach :

Welche Beschlüsse gibt es und was steht drin ?

 

1996 bis 1997 ist im Gemeinderat drei Mal über Wagenplätze geredet worden. Jedes Mal gab es eine Beschlussvorlage (= Informationsgrundlage für die Räte) und einen Beschluss. Sechs Dokumente, die wir im folgenden verlinken.

 

Logo fuer Ratsbeschluss Juli 1996Die Beschlussvorlage G-96/136 untersuchte, ob und wie die Aufgabe gelöst werden könne, das besetzte Vauban-Gelände (1) wagenfrei zu machen, ohne eine Zwangsräumung durchführen zu müssen. Verschiedene Gelände wurden vorsorglich auf technische Eignung und politische Durchsetztbarkeit abgeklopft, denn im Vorfeld hatten verschiedene Fraktionen angekündigt, einen Beschluss von 1995 (1) zur ersatzlosen Räumung des Vauban-Geländes neu diskutieren zu wollen.
Grüne, SPD und LL/UF beantragten außerdem, die Zahl von drei Wagenplätze zu beschließen. Es ward abgestimmt und mit 24:23 knapp verloren (Beschluss vom 09.07.1996).

 

Die Idee mit den drei Plätzen fand keine Mehrheit, na gut. Waren jetzt dadurch Wagenplätze auf Stadtgrundstücken verboten ? Selbst wenn man das so sehen wollte... : die Dinge kamen anders.

In der Sommerpause überlegte sich OB Rolf Böhme die Sache nocheinmal, und er fand es eine gute Idee, lieber noch einmal neu abstimmen zu lassen.


Logo fuer Ratsbeschluss November 1996Woher die Gesinnungänderung ? Die neue Beschlussvorlage G-96/246 mahnte an, dass
"für die Wagenburgbewohner eine befriedigende Lösung gefunden werden müßte, um gesellschaftliche Spannungen und Auseinandersetzungen in Freiburg zu vermeiden".
Aha, daher weht der Wind. Rolf Böhme hat im Sommer mit der Polizeiführung geredet (1) und danach schlecht geträumt. Zu frisch die Erfahrungen mit ungehaltenen KTS-Aktivisten.

 

Und so fand sich im Beschluss vom 26.11.1996 eine Mehrheit fürs glatte Gegenteil des Juli-Beschlusses :
"Der Gemeinderat stimmt zu, daß eine Ersatzlösung für die Bau- und Wohnwagen auf dem Vaubangelände auf dem Gelände ’Zähringer Neumatten’ geschaffen wird." [Zur Orientierung : aus dem Plan ’Zähringer Neumatten’ wurde später der ’Wagenplatz Eselwinkel’ (1). Zur Orientierung II : dieser ist nicht zu verwechseln mit dem Schattenparker-Platz (2).]

Wer will, kann im Ratsinformationssystem der Stadt Freiburg nachsehen, ob der Beschluss vom November 1996 irgendwas zum Thema "weitere Wagenplätze" sagt – er tuts nicht.

Damit ist vom angeblichen "Beschluss von 1996" nichts übrig als das Gegenteil : Wo ein politischer Wille ist, da ist auch ein Weg – egal, was da vorher für Beschlüsse gefällt wurden.

Übrigens war sich die Stadtverwaltung im Klaren darüber, dass das die Ersatzlösung, die für Vauban geschaffen werden sollte, u.a. zahlenmäßig nicht für alle betroffenen Wagenbewohner ausreichen würde (1). Deshalb sagt die Vorlage, das Gelände wird eingezäunt, und
„Außerhalb der Umzäunung aufgestellte Bau- und Wohnwagen werden umgehend beseitigt.“
Das zur Beruhigung jener Gemeinderäte, die bei einem legalisierten Wagenlatz gleich einen "unkontrollierten Zuzug" auf den Platz befürchteten.


Freiburger WappenBleibt noch das oben erwähnte Ausweichmanöver der Verwaltung auf das Jahr 1997. Das Projekt Neumatten/Eselswinkel verzögerte sich, so dass die Wagen zunächst in der Tullastrasse stehen mussten.

Im Beschluss vom 04.02.1997 wird diese Übergangslösung abgesegnet ; der Satz, um den es geht, findet sich nur in der Vorlage G-97/021, und er schlägt in die gleiche Kerbe (nicht genügend Platz für alle) wie der "außerhalb-der-Umzäunung-Satz" vom November :

"Zur vorübergehenden Nutzung des Lagerplatzes Tullastraße wird folgendes festgestellt : (...) Es wird festgestellt, daß max. 40 Bau- und Wohnwagen im Rahmen der vorgesehenen Fläche auf dem Lagerplatz Tullastraße aufgestellt werden. Darüber hinaus gehende Ansiedlungen werden nicht geduldet werden."

Auf deutsch : nur 40 Wagenbewohner bekommen Verträge – wer sich darüber hinaus noch dort hinstellt, fliegt raus. Der Satz "Darüber hinaus gehende Ansiedlungen..." klingt, wenn man ihn aus dem Zusammenhang reißt, natürlich brisant; wer aber Vorlage G-97/021 liest, sieht, dass es eindeutig nur um Details in der Nutzung der Tullastraße geht und nicht um Freiburgs Wagenpolitik.

 




Das sind die banalen Fakten. Es gibt nichts, was die Freiburger Stadtverwaltung davon abhalten würde, ein Gelände an Wagenbewohner zu vermieten.

 

Anderweitige Behauptungen von OB und Stadtverwaltung sind frei erfunden. Auf dass sich in Zukunft niemand mehr Unfug auftischen lasse,

AG Schattenschleierlüftungskommandoparker (März 2010)

 


Wenn der Gemeinderat vor 20 Jahren beschließt,
wir bauen folgende drei Straßen nicht –
dann heißt das doch nicht,
dass seither der Straßenbau in Freiburg gestoppt ist !
Sybille Goetz, Schattenparkerin




Linksammlung


(alle Dokumente auch einsehbar im Ratsinfosystem der Stadt Freiburg: https://freiburg.more-rubin1.de/)

 

Gemeinderatsbeschlüsse von 1992

erst: ersatzlose Räumung des Platzes im Rieselfeld beschlossen, im selben Jahr dann wieder aufgehoben (->keine Räumung ohne Ersatz)


Gemeinderatsbeschluss vom 02.05.1995 zu G-95/053

Beschlussvorlage für den 09.07.1996 (G-96/136)
Gemeinderatsbeschluss vom 09.07.1996 zu G-96/136

Beschlussvorlage für den 26.11.1996 (G-96/246)
Gemeinderatsbeschluss vom 26.11.1996 zu G-96/246

Beschlussvorlage für den 04.02.1997 (G-97/021)
Gemeinderatsbeschluss vom 04.02.1997 zu G-97/021

 


 

Update 2014:

Freiburgs Gemeinderatsbeschluss zu Wagenplätzen / Sand im Getriebe (2014)