Verbotenes Neonazi-Netzwerk vor Gericht

Erstveröffentlicht: 
12.08.2015

Rund ein Jahr nach dem Verbot des „Freien Netzes Süd“ befasst sich der Bayerische Verwaltungs-gerichtshof ab dem 13. Oktober mit der Rechtmäßigkeit der staatlichen Maßnahme. Eine Gruppe von rund 40 Neonazis hatte zuvor Beschwerde gegen die Auflösung der Gruppierung eingelegt.

 

Vor über einem Jahr ließ das bayerische Innenministerium nach langjährigen Forderungen unter anderem aus der Zivilgesellschaft am 23. Juli 2014 den neonazistischen Kameradschaftsdachverband „Freies Netz Süd“ (FNS) als Nachfolgeorganisation der 2004 verbotenen „Fränkischen Aktionsfront“ auflösen und dessen Vermögenswerte sicherstellen. (bnr.de berichtete) Zudem wurden im Rahmen der Maßnahme der „Final-Resistance-Versand“ sowie die Immobilie der Gruppierung im oberfränkischen Oberprex, ein ehemaliger Gasthof, beschlagnahmt und zugunsten des Freistaates Bayern eingezogen.

 

Wenige Tage später, im August vergangenen Jahres, kündigte eine Gruppe von rund 40 Neonazis auf der rechtsextremen Online-Plattform „Altermedia“ an, dagegen Klage zu erheben. Unter der Federführung von Roy Asmuß, zuletzt presserechtlich Verantwortlicher des FNS, wollten einige Anhänger des ehemaligen Dachverbands gegen den „neuesten negativen Höhepunkt der staatlichen Verbotsmaschinerie“ vor Gericht ziehen, um das Verbot und die zwei Beschlagnahmungen anfechten zu lassen. (bnr.de berichtete)

 

Knapp ein Jahr später befasst sich nun ab 13. Oktober der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit der Klage über die sofortige Auflösung der Gruppierung nach dem Vereinsgesetz, die in den Augen der 40 Neonazis rechtswidrig war, demnach also für ungültig erklärt werden muss. Diese Meinung begründet die Klägergruppe mit der Behauptung, das Netzwerk hätte organisatorisch überhaupt keinen Verein gebildet — sondern sei in den sechs Jahren seines Bestehens vielmehr ausschließlich als Website aktiv gewesen.

 

Immobilie in Oberprex bloß „Privathaus“

 

Bereits nach der Großrazzia zur Sammlung von Beweismaterialien im Juli 2013 und in dem „Altermedia“-Dokument war die Bedeutung des Netzwerks von den Beschwerdeführern auf diese Weise relativiert worden. Demnach wäre nicht nur das FNS lediglich eine „heimattreue Internetseite“ gewesen. Auch die Immobilie mit größerem Gartenbereich in Oberprex, die 2010 von der Mutter des vormaligen FNS-Kaders Tony Gentsch angemietet und in den folgenden Jahren für diverse Veranstaltungen verwendet wurde, hätte bloß als „Privathaus“ der „unpolitischen Mutter eines dort lebenden Nationalisten“ fungiert, hieß es damals in der Veröffentlichung auf „Altermedia“.

 

Das bayerische Innenministerium erkennt beim FNS hingegen klare Strukturen, wie sie für ein Verbot erforderlich sind. „Die Auswertung der sichergestellten Materialien und Datenträger wie PCs und Mobiltelefone“ belegten die „interne hierarchische Organisation im ‚Freien Netz Süd’“, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Juli 2014 anlässlich einer Pressekonferenz. Außerdem hätten im Zuge der Großrazzia im Juli 2013 „die ideologische Prägung und die tatsächlichen Ziele, die von den Aktivisten nach außen regelmäßig verborgen wurden“, bewiesen werden können. Die notwendigen Kriterien für ein Vorgehen nach dem Vereinsgesetz seien dem Minister zufolge somit erfüllt.

 

Mobilisierung zum „Heldengedenken“ in Wunsiedel

 

Tatsächlich ziehen die Beobachtungen der letzten Jahre die Behauptung des FNS, nur eine Homepage gewesen zu sein, zumindest stark in Zweifel. Denn neben seinen Betätigungen im Web beteiligte sich das militante Netzwerk seit seinem Bestehen regelmäßig mit eigenen Bannern an Demonstrationen, verbreitete Propagandamaterialien der Gruppierung und mobilisierte zu Großevents wie dem braunen 1.-Mai-Aufmarsch oder dem „Heldengedenken“ in Wunsiedel. Gleichzeitig nahm die Immobilie in Oberprex —  das angebliche Privathaus — eine zentrale Rolle als Treffpunkt und bei der Durchführung von öffentlichen und nicht-öffentlichen Szene-Events ein. So zählten Sicherheitsbehörden alleine im Zeitraum von Juni 2010 bis Anfang Januar 2014 in dem Objekt 44 rechtsextreme Treffen, darunter länderübergreifende Events wie beispielsweise den „III. Tag der Deutsch-Böhmischen Freundschaft“.

 

Verhandelt wird vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof jedoch nur, ob das Verbot des FNS und die Einziehung der Vermögenswerte rechtmäßig war, teilte das Gericht mit. Die Frage nach der Zulässigkeit der Beschlagnahmung der Immobilie und des „Final-Resistance-Versand“ ist als eigenes Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth anhängig und soll nach Angaben des Gerichts gegenüber dem „Evangelischen Pressedienst“ erst nach der Entscheidung aus München verhandelt werden. Das Verbot des braunen Dachverbands dürfte die Gerichte also wohl noch einige Zeit beschäftigen.