Seit 1990 fast 70 Mordanschläge: Mehr Todesopfer rechter Gewalt als gedacht

Erstveröffentlicht: 
27.07.2015

Nach dem NSU-Schock überprüft die Bundesregierung ungeklärte Verdachtsfälle auf einen rechtsextremen Hintergrund. Das Ergebnis zeigt: Seit der Wiedervereinigung starben deutlich mehr Menschen durch rechte Gewalt als bisher angenommen.

 

Gibt es Fälle von tödlicher rechter Gewalt, die bislang unentdeckt blieben? Diese Frage stellte sich nach der Mordserie der rechtsextremen Terrortruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Das Bundesinnenministerium und das BKA ließen 745 Altfälle untersuchen, die vielleicht doch einen rechten Hintergrund haben könnten. Das Ergebnis liegt nun vor, auch wenn der offizielle Abschlussbericht noch aussteht.

Seit dem Jahr 1990 wurden bei 69 Mordanschlägen 75 Menschen durch rechtsradikale Gewalttäter getötet. Bei weiteren 170 Mordversuchen habe es 142 Verletzte gegeben, berichtet die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf die Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine kleine Anfrage der Grünen.

Dem Zeitungsbericht zufolge fand das Bundeskriminalamt in Zusammenarbeit mit den meisten Landeskriminalämtern unter den 745 noch einmal überprüften Fällen fünfzehn weitere Morde, die heute als rechte Taten gewertet werden müssten.

 

Viele Fälle trotzdem nicht berücksichtigt

 

Bemerkenswert daran ist vor allem die Sondermeldung aus Brandenburg. Das Bundesland allein hat vor wenigen Wochen neun Morde nachgemeldet. Neun Morde aus den Jahren 1990 bis 2000, von denen die Landesregierung heute denkt, dass sie zu Unrecht als unpolitische Taten gewertet wurden. Anders als die anderen Länder hatte Brandenburg auch die Zivilgesellschaft und Opferverbände in die Überprüfung der alten Fälle einbezogen.

Die Grünen kritisierten nun, dass das BKA nicht ebenfalls die Zivilgesellschaft einbezog. "Der Bund hat die durch ihn koordinierte Altfallprüfung sehenden Auges an die Wand gefahren", sagte die grüne Bundestagsabgeordnete Monika Lazar. Sie kritisierte auch, dass das BKA die alten Fälle nur auf einen rechtsextremistischen oder rechtsterroristischen Hintergrund überprüft habe. Für Lazar wurden damit Täter ausgeschlossen, die zwar nicht die Abschaffung der Verfassung zum Ziel hatten, aber aus rassistischer oder rechtsradikaler Gesinnung Gewalttaten begingen.