Versuchter Totschlag in Fichtenau: Auf dem Heimweg vom Seefest in Lautenbach haben drei junge Männer einen Polizisten übel zugerichtet. Innenminister Reinhold Gall fordert mehr Abschreckung.
Ein schwer verletzter und zwei leicht verletzte Polizisten sowie vier junge Männer aus der Gemeinde Fichtenau in Handschellen – so unwürdig ist in der Nacht zum Sonntag ein fröhlicher Seefest-Abend zu Ende gegangen.
Was war passiert? Eine sechs- bis achtköpfige Gruppe junger Männer und 
Frauen machte sich zu Fuß von Lautenbach in Richtung Wildenstein auf. 
Nach Angaben von Klaus Hinderer, dem Pressesprecher des 
Polizeipräsidiums Aalen, sollen die Personen eine Gruppe Ausländer 
verfolgt und grölend angepöbelt haben. Deshalb sei die Polizei gerufen 
worden. Im folgenden Geschehen spielten die Ausländer aber keine Rolle 
mehr.
Polizist erleidet großflächige Kopfplatzwunden
Als gegen 2.50 Uhr eine Streife mit zwei Beamten aus Crailsheim eintraf,
 stellte sich die Lage wie folgt dar: Auf einer Wiese unterhalb einer 
Böschung rief eine Frau aus der sechs- bis achtköpfigen Gruppe um Hilfe,
 einer der Tatverdächtigen bedrängte sie. Einer der Polizisten, so 
Hinderer, forderte den Mann mehrfach auf, von der Frau abzulassen. 
Anschließend ging er dazwischen. Der Tatverdächtige wehrte sich heftig. 
Zwei andere Männer unterstützten ihn. Einer davon sprang den Polizisten 
von hinten an. Die mutmaßlichen Schläger nahmen dem Beamten seine 
Taschenlampe und seinen Schlagstock ab und fügten ihm damit drei 
„großflächige Kopfplatzwunden“ zu. Als das Opfer am Boden lag, 
malträtierten sie es weiter. Daher rührt eine Verletzung an einem Ohr. 
Der Beamte musste später im Krankenhaus sofort operiert werden.
Der andere Polizist, der leicht verletzt wurde, als er seinem Kollegen 
zu Hilfe eilte, rief Verstärkung und einen Rettungswagen. Streifen aus 
Crailsheim, Ellwangen und von den Hundeführern in Schwäbisch Hall 
rückten an. Zwei Männer wurden gleich festgenommen, wobei ein weiterer 
Polizist leicht verletzt wurde. Bei zwei Männern erfolgte die Festnahme 
im Laufe des Sonntags. Ob die Tatverdächtigen betrunken waren, ist nicht
 bekannt. Das Ergebnis der Blutentnahme steht aus.
Im Falle eines der Männer im Alter zwischen 19 und 29 Jahren bestätigte 
sich der Tatverdacht nicht, wie die Staatsanwaltschaft Ellwangen und das
 Polizeipräsidium Aalen mitteilen. Die anderen wurden Montagnachmittag 
dem Haftrichter vorgeführt. Ein 19- und ein 21-Jähriger kamen in 
Untersuchungshaft. Bei einem 22-Jährigen wurde der Haftbefehl gegen eine
 Meldeauflage außer Vollzug gesetzt.
„Die Tatverdächtigen sind allgemein bekannt, auch der Polizei“
Gerald Ilg, der kommissarische Bürgermeister der Gemeinde Fichtenau, 
nannte den Vorfall gegenüber dem HT „erschreckend“. Ilg weiter: „Die 
Tatverdächtigen sind allgemein bekannt, auch der Polizei.“ Immer wieder 
gebe es Probleme, auch am Seefest 2014 habe die Gruppe randaliert. „Ich 
verstehe nicht, warum man dem nicht früher einen Riegel vorschiebt“, so 
Ilg.
Landesinnenminister Reinhold Gall (SPD) hat gestern auf die Vorkommnisse
 in Fichtenau und im Schwarzwald, wo ein 19-Jähriger am Wochenende einem
 Polizisten einen Faustschlag verpasst hatte, reagiert: „Diese beiden 
sehr schweren Übergriffe auf Polizeibeamte verurteile ich auf das 
Schärfste“, sagte Gall der dpa. „Wir wollen ein Pilotprojekt für den 
Einsatz von Bodycams zur Verbesserung der Beweisaufnahme und zur höheren
 Abschreckung starten. Ich habe zudem das Thema Gewalt gegen Polizisten 
bei der jüngsten Innenministerkonferenz eingebracht.“
Zum Hintergrund: Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Gewaltdelikte 
gegen Polizisten laut Innenministerium um fünf Prozent an. Fast zwei 
Drittel der Tatverdächtigen standen zur Tatzeit unter Alkohol.
Polizeisprecher Klaus Hinderer stimmte Gall gestern auf HT-Nachfrage zu:
 „Gerade in solchen Situationen wie in Fichtenau ist es absolut 
angebracht, wenn man Hilfsmittel wie eine Bodycam hat.“ Andernorts habe 
sich das bereits bewährt. Die kleinen Schulterkameras werden in Hessen 
eingesetzt, sind aber etwa aus Datenschutzgründen umstritten. In jedem 
Fall müssten seine Kollegen besser geschützt werden, so Hinderer.
CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf beklagte derweil einen zunehmenden 
Autoritätsverlust der Polizei. Statt wie die Landesregierung über eine 
Kennzeichnungspflicht für Polizisten bei Großeinsätzen zu reden, sei 
eine Debatte über deren Schutz nötig. Der Vorsitzende der Deutschen 
Polizeigewerkschaft in Baden-Württemberg, Joachim Lautensack, forderte: 
„Wer Polizisten so verletzt, muss ins Gefängnis.“
