Neuer U-Ausschuss zum Neonazi-Terror in Dresden

Erstveröffentlicht: 
15.05.2015

Abgeordnete wollen Licht ins NSU-Dunkel bringen / Kontroverse um Geheimhaltungsvorschriften

 

Von Jürgen Kochinke


Dresden. Schon kurz vor dem Ende der vergangenen Legislaturperiode stand fest, dass es ab 2015 zu einer Neuauflage des U-Ausschusses zum Neonazi-Terror im sächsischen Landtag kommen wird. Zu ungeklärt waren die Hintergründe und Motive der Täter, zu nebulös schien noch immer der Einfluss von möglichen Hintermännern, Helfern und Drahtziehern. So ist es kein Wunder, dass der neue U-Ausschuss bereits seit Wochen beschlossene Sache ist, und jetzt fiel der Startschuss - konstituierende Sitzung heißt das im Tagungsalltag.


Beim ersten Treffen ging es vor allem um Formfragen. Termine und mögliche Zeugenvernehmungen standen auf dem Programm, das Gremium tagte hinter verschlossenen Türen. Doch klar war auch: Lars Rohwer (CDU), der neue Chef des Ausschusses, würde sich erstmals als Sitzungsleiter präsentieren, der Rest war reine Formsache. Doch wie so oft bei der Debatte um Formalia und sogenannte Verfahrensfragen gibt es auch in diesem Fall ein Thema von Brisanz. Wie halte ich es mit den Geheimhaltungsvorschriften? - das bewegt auch den neuen U-Ausschuss zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Sachsen.


Konkret geht es dabei um die Frage, ob selbst bei der Behandlung von Akten mit der niedrigsten Geheimhaltungsstufe - solche mit dem Vermerk "nur für den Dienstgebrauch" - die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden soll. Das war bisher nicht der Fall, und es steht fest: Ein solches Verfahren würde die Aufklärung des Neonazi-Terrors nicht unerheblich erschweren. Der juristische Dienst des Landtags plädiert dennoch dafür, das Gremium von der direkten Kontrolle durch die Öffentlichkeit abzuschotten. Dieser Vorschlag sei auf "allgemeines Unverständnis" quer durch die Fraktionen gestoßen, hieß es dazu hinterher von Teilnehmern, ein Beschluss stehe aber noch aus.


In dem neuen U-Ausschuss sitzen insgesamt 18 Abgeordnete des sächsischen Landtags, neun von der CDU, vier von den Linken, jeweils zwei von SPD und AfD sowie einer von den Grünen. Am Anfang dieses weiteren Versuchs, Licht in der NSU-Dunkel zu bringen, steht die Notwendigkeit, erneut alle Akten aus dem Landeskriminalamt und anderen Behörden anzufordern. Danach beginnt die eigentliche Vernehmung diverser Zeugen. Bereits in der vorherigen Legislaturperiode gab es einen NSU-Ausschuss in Sachsen. In seinem Abschlussbericht war er mit den Stimmen von CDU und FDP zu dem Schluss gekommen, dass kein Fehlverhalten sächsischer Behörden vorgelegen habe.


Linke, Grüne sowie die damals noch in der Opposition befindliche SPD sahen das anders, warfen den Behörden ein Versagen bei der Fahndung nach den Neonazis vor. "Sachsen war das Kernland des NSU", sagt die Linke Kerstin Köditz. Obwohl das Landesamt für Verfassungsschutz sowie Polizei und Landeskriminalamt zutreffende Hinweise über den möglichen Aufenthalt des Trios gehabt hätten, habe dies nicht zur Ergreifung der Flüchtigen geführt. Dies müsse dringend aufgeklärt werden.


Der NSU mit Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatte nach seinem Abtauchen jahrelang unerkannt in Zwickau gelebt. Der Gruppe werden zehn Morde zur Last gelegt, darunter neun Gewerbetreibende mit türkischen oder griechischen Wurzeln sowie eine deutsche Polizistin.