Halle für Kampfabend: Uni Leipzig fällt auf rechtsextreme Freefighter rein

Erstveröffentlicht: 
18.03.2015

Die Uni Leipzig hat Räume an Freefighter vermietet, die Verbindungen zu rechten Lok-Hooligans und Neonazis haben. Der Dekanatsrat wusste das angeblich nicht. Das Rektorat hat die Verträge mittlerweile wieder gekündigt.

 

Breitbeinig, mit freiem Oberkörper, die Fäuste im Anschlag, so posieren sieben junge Männer auf dem Plakat zur zweiten "Imperium Fighting Championship" in Leipzig. Ihre Blicke sind so düster wie die nächtliche Umgebung, in der sie ihre Muskeln zeigen, angestrahlt nur vom Scheinwerferlicht der dicken schwarzen Autos im Hintergrund.

 

Geworben wird für eine Freefight-Veranstaltung Anfang April in der Ernst-Grube-Halle auf dem Sportcampus der Universität Leipzig. Im Vorlesungsverzeichnis der sportwissenschaftlichen Fakultät sucht man allerdings vergeblich nach Angeboten zu dieser Vollkontaktkampfsportart - die Mixed Martial Arts, kurz MMA, haben einen schlechten Ruf. Als zu brutal und blutig galten die Zweikämpfe im Käfig, die Ausstrahlung im Fernsehen war jahrelang nicht erlaubt. Erst Ende 2014 erstritt der weltweit größte Veranstalter Ultimate Fighting Championship (UFC) die Aufhebung des Verbots.

 

Ein weiterer Grund für das Imageproblem: Besonders im Osten ist Freefight beliebtes Training für gewaltaffine Hooligans und rechtsmotivierte Straßenschläger, die Szene steht in Sachsen sogar unter behördlicher Beobachtung. Den Dekanatatsrat der Leipziger Uni hielt das jedoch nicht davon ab, den Kämpfern und Zuschauern aus diesem Milieu seine Türen zu öffnen.

 

Verbindungen in die rechte Szene


Dabei bestätigt schon ein Blick auf die Fightcard, eine Übersicht der Kämpfer bei der "Imperium Fighting Championship", dieses Vorurteil. Ganz oben steht dort Benjamin Brinsa, Jahrgang 1989. Seit Jahren wird ihm vorgeworfen, er unterhalte Verbindungen in die rechte Szene. Die UFC hielt die Anschuldigungen anscheinend für so plausibel, dass er 2013, nach monatelanger Prüfung, den Vertrag mit Brinsa kündigte.

 

Im Internet waren belastende Fotos aufgetaucht. Eines soll Brinsa bei einer Neonazi-Demo 2006 zeigen, auf einem anderen Bild sieht man ihn offenbar in einer Gruppe Männer hinter einem Fan-Plakat, auf dem steht: "Ultras Lok - Nationaler Widerstand". Sie werden der rechten Hooligan-Fan-Gruppierung "Szenario Lok" zugeordnet, die im vergangenen Jahr offiziell ihre Auflösung erklärte.

 

Brinsa bestritt die Vorwürfe und behauptete, die Verschwörung eines Leipziger Lokalreporters und Antifa-Aktivisten stecke hinter den Nazi-Anschuldigungen. Kurz nach seinem UFC-Rauswurf nannte er den Namen des Journalisten im September 2013 in einem Interview, einen Monat später wurde dieser auf offener Straße verprügelt. Die polizeilichen Ermittlungen dazu liefen bisher ins Leere. Eine erneute Anfrage von SPIEGEL ONLINE bei der Leipziger Polizei brachte in dieser Woche ebenfalls keine neuen Erkenntnisse.

 

Anfang März ging Brinsa erneut in die Offensive: Über sein Facebook-Profil verbreitete er einen Aufruf zur "Selbstjustiz". Ein gefälschtes polizeiliches Fahndungsplakat zeigte das Konterfei des Journalisten, der angeblich wegen "sexueller Belästigung von Kindern" gesucht werde. Nur wenige Stunden später löschte Brinsa den Eintrag, fleißig verbreitet wurde der verleumderische Aufruf dennoch von einschlägigen Nazis, von Pegida-Anhängern und Angehörigen von dessen Leipziger Ableger, Legida.

 

Immerhin: Dass er Mitglied der vom Verfassungsschutz beobachteten rechten Hool-Truppe "Szenario Lok" war, gibt Brinsa zu. Der Traditionsverein hat ihm bereits ein lebenslanges Hausverbot verpasst.

 

Mag sich der Verein auch mittlerweile entschiedener von seinen ungebetenen Fans distanzieren - andersrum passiert das nicht. Bei lokalen Kampfveranstaltungen marschiert Brinsa unter wehenden Lok-Fahnen in die Arena, "L.O.K."- und "Hoo-li-gan"-Gebrüll ist nicht zu überhören.

 

Der "Boxclub Lokomotive" ist laut Präsidium des 1. FC Lokomotive nicht Teil des Vereins, nutzt aber dieselben Farben für sein Emblem. Laut Polizei ist der Klub Sammelbecken ehemaliger "Szenario Lok"-Mitglieder und anderer Lok-Hooligans. Unterstützt wurde der Klub von einem Unternehmen, das auf einem Grundstück von Thomas Persdorf angesiedelt ist. Persdorf ist eine feste Größe in der sächsischen Neonazi-Szene und gilt seit Jahren als wichtiger Unterstützer der rechten Freefighter.

 

Auch bei Legida spielen Lok-Fans eine entscheidende Rolle. Auf eine Kleine Anfrage der Linken im sächsischen Landtag teilte das sächsische Innenministerium mit, dass bei den Aufmärschen im Januar bis zu 300 gewaltbereite Hooligans aus dem Umfeld des 1. FC Lokomotive Leipzig mitliefen. Am Rande mindestens einer dieser Veranstaltungen war laut einem szenekundigen Beamten auch Benjamin Brinsa zu sehen.

 

Viele der "Problemfans" führen längst ein ähnlich seltsames Eigenleben außerhalb des Vereins. Sie haben sich in einer Mischszene zwischen Hooliganismus, Freefight und rechter Alltagskultur eingerichtet.

 

Einige von ihnen finden sich auch im "Imperium Fight Team" wieder, dessen Trainingszentrum in einer Kleinstadt bei Leipzig liegt. Dort hält sich eine ähnliche personelle Mischung aus bekannten Neonazis und Hooligans wie im "Boxclub Lokomotive" fit. Zwischen den beiden Institutionen gibt es sogar enge Verbindungen: Brinsa führt gemeinsam mit Persdorf eine Sportmanagement- und Textilhandelsfirma, die bis 2012 die Internetseite Aryan Brotherhood betrieb.

 

Uni kündigt Verträge mit Freefightern


Seit Kurzem ist Brinsa Inhaber der Klamottenmarke "Streetwar" mit Sitz in einem Haus in Wurzen, das Persdorf gehört. In der Kleinstadt haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr Bekleidungslabel zwischen Neonazi- und Hooligan-Schick angesiedelt, darunter die Marken "Staffbull-Department", und "Eastrebel", die bei Ebay auch "Hooligans-gegen-Salafisten"- Bierkrüge und "Odin statt Allah"-Sweater anbieten.

 

Die Veranstaltung in der Leipziger Uni wird ebenfalls von "Eastrebel" beworben - offenbar zu viel für das Rektorat. Das hat jetzt die Reißleine gezogen und nach Informationen von SPIEGEL ONLINE den Vertrag mit den Veranstaltern gekündigt. "Wir wollen solchen Veranstaltungen keinen Raum bieten. Sie entsprechen nicht dem Leitbild einer weltoffenen und toleranten Hochschule und schaden dem Ansehen unserer Universität", sagt Rektorin Beate Schücking. Damit keine Missverständnisse entstehen, werde die Uni zukünftig verstärkt ein Auge darauf haben, wer sich wozu in ihren Räumen einmiete.

 

Die Verträge mit den Veranstaltern hatte Marco Morgner gemacht, der Dekanatsrat der Sportwissenschaftlichen Fakultät. Er sagt, er habe damals nicht gewusst, um welche Kampfsportart es sich handele. Jetzt ist er froh, dass die Uni gehandelt hat: "Die Vorstellung, die Ernst-Grube-Halle wäre voller Rechter und Hooligans gewesen, ist unerträglich."

 

Die Veranstalter des "Imperium Fighting Championship" haben ihren Kampfabend allerdings noch nicht abgesagt.