Mega-Panne bei Flüchtlingsheim in der Friederikenstraße 37

Erstveröffentlicht: 
23.02.2015

Obwohl die Stadt die Unterkunft dringend gebraucht hätte, wurde sie vom Liegenschaftsamt verkauft

 

Von Jens Rometsch
Am 30. Januar 2015 beschwerte sich Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) in einem Brief an Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) über die schlechte Zusammenarbeit bei der Einrichtung von Asylunterkünften. "Fassungslos" mache ihn, dass die Stadt nicht vorab über den Plan des Freistaates informiert wurde, in der Dölitzer Friederikenstraße 37 ein Erstaufnahmelager für 350 Flüchtlinge einzurichten.


In Jungs Rathaus läuft die Zusammenarbeit allerdings auch nicht besser. Denn noch vor wenigen Monaten gehörte die Friederikenstraße 37 der Stadt selbst. Erst im Sommer 2014 hat das Liegenschaftsamt das fast zwei Hektar große Grundstück für 500000 Euro an die KKS Projekt GmbH verkauft.


Nach LVZ-Informationen bot KKS die Immobilie - kurz nach dem Erwerb von der Stadt - der Stadt zur Miete als Flüchtlingsheim an. Sozialbürgermeister Thomas Fabian (SPD) besichtigte daraufhin die leeren Räume, die 1955 als Ingenieurschule mit Wohnheim erbaut wurden. Fabian zeigte sich begeistert. Schließlich hatte die Stadt schon längere Zeit Probleme, wenigstens Notunterkünfte für die stark wachsende Zahl von Asylbewerbern zu finden. Am 22. Dezember 2014 folgte im Rathaus eine erste Verhandlungsrunde zwischen dem Sozialamt und KKS. Zwar wurde noch nicht über konkrete Mietpreise geredet, doch im Prinzip schienen sich alle einig.


Dann brach der Kontakt überraschend ab. Am 28. Januar - zwei Tage vor Jungs Protestbrief - verschickte der Freistaat eine Pressemitteilung. Inhalt: Das Land Sachsen wolle nun die Friederikenstraße als Flüchtlingsheim nutzen. Der Mietvertrag dazu wurde erst am selben Tag unterzeichnet. Zur Miethöhe gab der Freistaat auf LVZ-Nachfrage keine Auskunft. Auch bei einer Bürgerinformationsveranstaltung, die morgen 19 Uhr im Connewitzer Werk II beginnt, bleibe die Miethöhe geheim, so eine Sprecherin.


Nach Ansicht von Fachleuten entstand der Kommune ein Schaden in Millionenhöhe. Allein dadurch, weil sie das Grundstück verkauft hat. "Das Rathaus hätte das Gebäude ja auch verpachten und durch einen Investor herrichten lassen können. Dann wären die Konditionen sehr günstig gewesen", so Linke-Stadträtin Margitta Hollick. Ihre Fraktion hat dazu eine Anfrage für die Ratsversammlung diesen Mittwoch gestellt. Tatsächlich entspricht der Verkaufserlös von 500000 Euro etwa der Miete, die sonst für nur 200 Plätze jährlich anfällt. Mitunter zahlt die Stadt deutlich mehr.


Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht (CDU) mag dennoch kein Versagen bei dem ihm unterstellten Liegenschaftsamt erkennen. Das Sozialdezernat habe versäumt, für die Friederikenstraße 37 rechtzeitig Bedarf anzumelden, sagt er. Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst sieht das offenbar anders. Sie hat unlängst beim Liegenschaftsamt protestiert. Nach LVZ-Informationen wurde das Objekt in Dölitz dem Sozialamt zuletzt vor über fünf Jahren als Asylheim angeboten. Damals gab es tatsächlich noch keinen Bedarf. 2014 - als die Not immer größer wurde - offerierte das Liegenschaftsamt den Kollegen ausschließlich ungeeignete Objekte. Obwohl diese geradezu um Unterstützung flehten.


Natürlich musste der erst Ende Mai 2014 eilig angeschobene Verkauf an die KKS durch den Grundstücksverkehrsausschuss genehmigt werden. Dort hatte Ralph Rinner, Abteilungsleiter im Liegenschaftsamt, laut Protokoll aber unter anderem erklärt: "Eine Nutzung für Wohnungen ist ausgeschlossen." Am 7. Juli stimmte der Ausschuss dem Deal zu. Manche Stadträte sehen die Ursache für die Mega-Panne in einem grundsätzlichen Problem. "Das Liegenschaftsamt verkauft noch immer Flächen als gäbe es kein Morgen", rügt SPD-Fraktionschef Axel Dyck. Dabei sei Leipzig die am schnellsten wachsende Kommune in Deutschland. Statt alles loszuschlagen, müsste sie dringend Grundstücke für Kitas, Schulen, Kultur, Sport und andere Dinge bevorraten. "Sonst müssen wir sie bald um ein Vielfaches teuerer kaufen."


Grünen-Stadtrat Michael Schmidt fallen spontan der Ex-Tanzklub Victor Jara am Felsenkeller, das Theater Skala in der Gottschedstraße, das Areal des Akademischen Rudervereins am Elstermühlgraben, die Ex-Jugendherberge am Auensee und das Stadtbad ein. Diese Objekte und viele weitere will das Liegenschaftsamt aktuell veräußern. "Dabei könnte die Stadt - etwa per Erbbaurecht - private Investitionen unterstützen und dennoch Eigentümer bleiben." Für den Doppelhaushalt 2015/16 haben SPD und Grüne beantragt, dass die Stadt und ihre Unternehmen keine Flächen mehr verkaufen dürfen, die für die Daseinsvorsorge von Belang sind. Ausgang offen.