[S] Justiz baut auf Aussagen von Neonazis

Erstveröffentlicht: 
17.11.2009

Justiz baut auf Aussagen von Neonazis. Behörden gehen gegen Stuttgarter Antifaschisten vor. Drei Wochen Untersuchungshaft. Von Markus Bernhardt.

 

Den Vorwurf der »politisch motivierten und willkürlichen Kriminalisierung linker Aktivisten«, erheben Stuttgarter Nazigegner aktuell gegen die dortige Justiz. Diese wirft einem Antifaschisten vor, am 22. September an einer Auseinandersetzung mit Neonazis im Stuttgarter Stadtteil Zuffenhausen beteiligt gewesen zu sein. Mehrere einschlägig bekannte Rechtsextremisten waren dabei offenbar leicht verletzt worden. Die Polizei war an besagtem Abend selbst nicht in der Lage, den Neonazis Herr zu werden. So versammelten sich nach der Schlägerei etwa drei Dutzend teils vermummte Rechte und griffen unter den Augen der anwesenden Beamten eine Gruppe von Migranten mit Schlagstöcken, Eisenstangen und Messern an. Infolge der Auseinandersetzung legte der Staatschutz den beteiligten Neofaschisten Bilder von Stuttgarter Antifaschisten vor. Die Rechten belasteten einen der Nazigegner und behaupteten, dieser sei an dem angeblichen Übergriff auf sie beteiligt gewesen. Polizei und Justiz reagierten prompt: Vermummte Einsatzkräfte stürmten die Wohnung, in der der Beschuldigte mit seiner Frau und seiner vier Monate alten Tochter lebt, und durchsuchten diese. Der Antifaschist wurde festgenommen. Erst gegen Zahlung einer Kaution in Höhe von 3000 Euro wurde der junge Mann, nachdem er über drei Wochen in Stuttgart-Stammheim in Untersuchungshaft saß, am 29. Oktober entlassen. Das Verhalten von Polizei und Justiz löste Kritik seitens Stuttgarter Antifagruppen aus. Diese werfen den Behörden unter anderem vor, entlastende Zeugenaussagen zu ignorieren. Tatsächlich bezeugen mehrere Menschen unabhängig voneinander, daß der Beschuldigte sich zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung beim Training in einem Fitneßstudio war. Auch, daß es sich bei den an der Auseinandersetzung beteiligten Rechtsextremen zum Teil um stadtbekannte Gewalttäter handelt, scheint bei den Stuttgarter Ermittlern keine Zweifel auszulösen. Informationen der Antifa zufolge soll auch der Rechte Robert Seiler bei der Schlägerei beteiligt gewesen sein. Seiler war in der Vergangenheit verurteilt worden, weil er – gemeinsam mit weiteren Neofaschisten – einen Migranten attackiert und auf S-Bahn-Gleise geworfen hatte.