Jetzt also doch: „Kontrollbereich“ in Leipzig

Kontrollbereich

Das Sächsische Innenministerium hat auf Wunsch der Polizeidirektion Leipzig einen so genannten Kontrollbereich im Stadtgebiet eingerichtet. Dem Polizeigesetz des Freistaates zufolge sind in diesem Gebiet anlasslose Kontrollen erlaubt.

 

Praktisch gesehen darf die Polizei innerhalb eines Kontrollbereiches sämtliche PassantInnen anhalten und willkürlich deren Identität feststellen – oder sie ersatzweise auf die Wache verbringen. Das Vorgehen zielt offenbar auf Abschreckung durch Generalverdacht.

 

Wie die Polizeidirektion heute mitteilte, sei die Maßnahme bereits vor den Weihnachtsfeiertagen beantragt worden. Im Übrigen wolle man aber die örtliche und zeitliche Ausdehnung des Kontrollbereichs „aus Gründen der Einsatztaktik“ nicht bekannt geben. Durchhalten lassen wird sich die Geheimniskrämerei kaum. Die handbuchmäßige Einrichtung eines Kontrollbereiches durch die Polizei zieht nämlich „gebietsbezogene Maßnahmen zu dessen Abgrenzung“ nach sich.

 

Reaktion auf „Gewaltaufruf“


Als Anlass dafür benennt der Pressesprecher der Polizeidirektion einerseits „Erfahrungen der Vorjahre“ hinsichtlich der Silversternächste am Connewitzer Kreuz. Andererseits verweist er auf einen vor zwei Wochen anonym veröffentlichten „Gewaltaufruf“, den man ernst nehmen müsse. In der Silvesternacht wolle die Polizei daher einen „erhöhten Personalansatz“ aufbieten, der gleichwohl nicht beziffert wird.

 

Von ihm wird es nicht zuletzt abhängen, wie weit umrissen der Kontrollbereich ausfallen wird. Unter anderem werde die Polizei etwaige „Anschlagsziele“ observieren und „weitere örtliche Schwerpunkte in der Stadt“ absichern, berichtet LVZ-Online. Dass hier das Connewitzer Kreuz gemeint ist, liegt nahe – man sei „auch auf Spontandemonstrationen im Leipziger Süden“ vorbereitet, heißt es weiter.

 

Zusätzliche Meldeauflagen


Der Polizei könnte allerdings aus ihrer eigenen Statistik bekannt sein, dass in den Vorjahren gerade der Verzicht auf große Präsenz – bis hin zu Wasserwerfern und Räumpanzern – zum Abflauen oder gänzlichen Ausbleiben der jetzt trotzdem prognostizierten „Krawalle“ geführt hatte. Der Trend könnte sich nun ausgerechnet auf Initiative der Polizei wieder in Richtung der Konfrontation wenden.

 

Beim Kontrollbereich bleibt es nämlich nicht: So wurden dem Vernehmen nach in den vergangen Tagen mehreren Personen in Leipzig so genannte Meldeauflagen für die Silvesternacht zugestellt. Betroffene werden gebeten, sich zeitnah beim Ermittlungsausschuss oder der Roten Hilfe zu melden.

 

Umstrittene Behauptungen


Die Verhältnismäßigkeit der aktuellen Zuspitzung wird noch bis übermorgen dahinstehen. Auffallend ist, dass die Maßnahmen hoch angebunden sind. Die Einrichtung eines Kontrollbereiches im Beritt des Leipziger Polizeipräsidenten Merbitz bedarf der Unterschrift seines CDU-Parteifreundes und Innenministers Ulbig – und einer guten Begründung. Sie ergibt sich aus einem Beitrag des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen, die kurz vor Beantragung des Kontrollbereichs veröffentlicht worden war. Der Geheimdienst bewertet darin den „Gewaltaufruf“ als authentisch und schreibt ihm einer gewalttätigen „Leipziger Szene“ zu. An dieser Darstellung gibt es jedoch begründete Zweifel.

 

Dass nunmehr mit der Einrichtung eines Kontrollbereiches reagiert wird, bleibt so oder so verwunderlich: Anlässlich der ohnehin hohen Streifendichte im Leipziger Süden fragte kürzlich die Linksfraktion im Landtag, wo und wie oft hier seit Anfang 2013 Kontrollbereiche bestanden haben. Die überraschende Antwort aus dem Innenministerium: gar nicht. Die langfristig angelegten polizeilichen Schwerpunktkontrollen – auch sie schließen verdachtslose Identitätsfeststellungen mit ein – werden stattdessen mit „grenzüberschreitender Kriminalität“ begründet. Unnötig zu sagen, dass auch diese Darstellung fraglich ist.