Asyl-Drama: Das Warum bleibt unklar

Erstveröffentlicht: 
30.12.2014

Wellen schlagen nach Abschiebung von 18-jähriger Tschetschenin weiter hoch

 

Von Martin Pelzl
Die genauen Umstände der nächtlichen Abschiebung der 18-jährigen Tschetschenin Tamara S.* kurz vor Weihnachten sind weiterhin ungeklärt. Unterdessen wird die Front der Kritiker solch einer Winterabschiebung immer größer.


Grundsätzlich haben die jeweiligen Bundesländer die Hoheit über solch ein Verfahren. Dies bestätigte eine Sprecherin des sächsischen Innenministeriums auf LVZ-Anfrage. "Zum konkreten Fall können wir derzeit aber nichts sagen", so die Mitarbeiterin. Für die Abschiebung selbst ist zunächst die Landesdirektion Sachsen zuständig, wie deren Pressesprecher Ingolf Ulrich gestern mitteilte. "Den eigentlichen Verwaltungsakt führen wir durch", so Ulrich. Seinen Recherchen nach sei der Asylantrag der Familie von Tamara S. noch nicht entschieden worden. Er gehe im Falle der Tochter aber eigentlich davon aus, dass die Ablehnung ihres Asylantrags bekannt gewesen sein muss.


Dies ist offenbar aber nicht so gewesen. Nach allen der LVZ vorliegenden Indizien vor allem durch die Bürgerinitiative (BI) Offene Nachbarschaft Leipzig-Südwest für Flüchtlinge ergibt sich folgender (Zwischen-)Sachstand: Offenbar aus Unkenntnis der rechtlichen Details hatte die junge Frau die ab ihrem 18. Geburtstag notwendigen eigenen Papiere - also unabhängig jener ihrer Eltern - nicht beantragt. Der Familien-Asylantrag galt nach Erreichen der Volljährigkeit nicht mehr.


"Wer kennt schon das Aufenthaltsgesetz und die behördliche Praxis bis ins Detail?", fragt denn auch Jonas Özbay von der BI. Damit habe sie sich also rein juristisch wohl illegal in Deutschland aufgehalten. "Bloß weil ihr niemand gesagt hat, dass sie mit dem Erreichen der Volljährigkeit irgendwelche Anträge stellen muss", so der Leipziger. Und diese Situation habe dann seiner Ansicht nach irgendein Schreibtischtäter als Gelegenheit gesehen, die junge Frau abzuschieben, um die Familie loszuwerden. Ob sich diese Vermutung bewahrheitet, werden die nächsten Tage zeigen, wenn sich die Landesdirektion noch einmal konkret zum Fall äußern will.


Die Landtagsabgeordnete und Stadträtin der Linken Juliane Nagel hat auf die Vorfälle in der Markranstädter Straße ebenfalls reagiert und eine Kleine Anfrage an die Staatsregierung gerichtet. Mit dieser solle "das Handeln der Polizei und die Familientrennung" hinterfragt werden.


Leipzigs SPD-Chef Hassan Soilihi Mzé erklärte gestern: "Dass ein solcher Vorgang bei uns überhaupt möglich ist, macht nicht nur betroffen." Es zeige auch, dass die Abschiebepraxis im Freistaat die Achtung der Menschenwürde missen lasse. Die asylrechtlichen Bedingungen seien dringend überarbeitungsbedürftig.
Leipziger Pfarrer haben zuletzt unter dem Motto "Keine Winterabschiebung in Sachsen: Asyl ist eine Frage der Menschlichkeit!" eine Online-Petition initiiert (die LVZ berichtete). Sie soll Druck für eine Entscheidungssitzung im Innenausschuss am 15. Januar machen.


Nachtrag: Laut der Sprecherin des Innenministeriums gibt es auch in Sachen Abschiebung eine Art Weihnachtsfrieden - vom 22. Dezember bis 4. Januar. Für Tamara S. etwas zu spät. (* Name geändert)


http://goo.gl/pnJbWg; www.lvz-online.de

 

Ingolf Ulrich, Sprecher Landesdirektion