Schluss mit der Kriminalisierung des antifaschistischen Widerstands!

Knast

Gemeinsam gegen die Willkür von Staatsanwaltschaft und polizeilichem Staatsschutz!

Am 6. Oktober diesen Jahres wurde ein Stuttgarter Antifaschist in seiner Wohnung verhaftet. Drei Wochen verbrachte er darauf in Untersuchungshaft im Stammheimer Knast, bis er am 29. Oktober gegen eine Kaution in Höhe von 3000,- wieder entlassen wurde. Ihm wurde und wird weiterhin vorgeworfen, an einer Auseinandersetzung mit Nazi-Schlägern am 22. September in Stuttgart-Zuffenhausen beteiligt gewesen zu sein.

Die Umstände seiner Verhaftung, die wochenlange Untersuchungshaft, sowie Drohungen von Staatsanwaltschaft und polizeilichem Staatsschutz verdeutlichen einmal mehr die politisch motivierte und willkürliche Kriminalisierung linker und antifaschistischer AktivistInnen in Stuttgart und der Region.

Die Festnahme und Untersuchungshaft
Am morgen des 6. Oktober wurde die Tür der Wohnung in der der Beschuldigte mit seiner Frau und seiner 4 Monate alten Tochter lebt, von vermummten Polizisten eingetreten, er aus dem Bett heraus verhaftet und die Wohnung durchsucht. Anschließend wurde er in U-Haft genommen und in den Knast nach Stuttgart-Stammheim gebracht.
Ihm wird vorgeworfen zwei Wochen zuvor an einer Auseinandersetzung mit einigen Faschisten in Stuttgart-Zuffenhausen beteiligt gewesen zu sein. Die Neonazis, zum Teil wegen rassistischen Überfällen auf MigrantInnen vorbestraft und als Schläger und Messerstecher bekannt, zogen dabei den Kürzeren und landeten im Krankenhaus. Den Nazis wurden daraufhin vom Staatsschutz Bilder bekannter Antifaschisten vorgelegt, sie konnten nach Belieben einen oder mehrere der darauf abgebildeten Personen belasten. Die Ermittlungen dazu wurden vom, durch ähnliche Ermittlungsmethoden bereits bekannten, Staatsschützer Bartels geleitet. Einzig die Aussage der Nazis, der auf einem der Fotos abgebildete Antifaschist sei an der Auseinandersetzung beteiligt gewesen, reichte Polizei, Staatsanwalt Biehl und dem Gericht für die Verhängung und Vollziehung eines Haftbefehls und die Inhaftierung des Antifaschisten. Dass zahlreiche Menschen unabhängig voneinander bezeugen, dass er sich zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung beim Training in einem Fitnessstudio befand, war und ist für Staatsschutz und Staatsanwaltschaft kein Anlass, ihr Vorgehen zu hinterfragen. Im Gegenteil, gingen sie sogar dazu über Drohungen gegen die Zeugen auszusprechen.

Die Nazis in Zuffenhausen - keine Opfer, sondern Täter!
Das staatliche Vorgehen muss für sich schon Anlass genug zu Protesten sein, dennoch lohnt ein Blick auf die Situation vor und nach der besagten Auseinandersetzung. Die dabei verletzten Nazi-Schläger sind keine Unbekannten, unter ihnen befindet sich z.B. Robert Seiler, er wurde einst verurteilt weil er zusammen mit weiteren Nazis einen Migranten attackierte und auf S-Bahn Gleise geworfen hatte. Das Opfer konnte sich damals trotz seiner Verletzungen noch rechtzeitig vor einem heranfahrenden Zug in Sicherheit bringen. Nachdem Seiler die für die Tat verhängte Haft abgesessen hatte, trat er durchweg wieder durch rassistische Pöbeleien und Übergriffe, wie eine Messerattacke auf einen Migranten, in Erscheinung.
Etwa 30 Nazis, unter ihnen auch die „Opfer“, versuchten nur kurze Zeit nach der Auseinandersetzung in Zuffenhausen, eben dort zum Teil vermummt und mit Eisenstangen, Teleskopschlagstöcken und Messern bewaffnet wieder eine Gruppe Migranten anzugreifen, die sich in Sicherheit bringen mussten. Die Polizei war zu diesem Zeitpunkt mit mehreren Kastenwägen vor Ort, griff jedoch nicht ein!
Ganz anders vor einigen Jahren als eine Gruppe AntifaschistInnen eine unangemeldete Demonstration zur Wohnung einer damaligen Nazi-Kaderin in Zuffenhausen durchführte: Weil dort eine einzige Scheibe zu Bruch ging, wurden mehrere AntifaschistInnen festgenommen und teilweise über mehrere Tage, teilweise bis zu einer Woche inhaftiert und mehrere später verurteilt. Hierbei spielte übrigens auch damals der polizeiliche Staatsschutz eine wichtige Rolle und setzte sich intensiv für die Inhaftierung der AntifaschistInnen ein.

Die Kriminalisierung linker und antifaschistischer Aktivitäten...
Die Reihe von polizeilichen Angriffen, Verboten, Ermittlungsverfahren, Strafbefehlen und Verurteilung im Zusammenhang mit linken und antifaschistischen Aktivitäten in Stuttgart und der Region ist lang. Allein eine penible Aufzählung jedes einzelnen Falles der letzten Jahre würde den Rahmen dieses Flugblattes sprengen. Zu erwähnen wären dabei z.B. die Versuche antifaschistische Symbole wie durchgestrichene Hakenkreuze zu kriminalisieren – unter diesem Vorwand fanden über Monate Beschlagnahmungen, Hausdurchsuchungen, Verbote von Infotischen, Anklagen und Prozesse statt. Erst nach, immer noch vergleichsweise zaghaften, kritischen Stimmen aus dem bürgerlichen Lager und Gerichtsurteilen die das Vorgehen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft in Frage stellten, wurde diese Praxis eingestellt. Der Großteil der staatlichen Repression findet jedoch weniger großflächig, sondern durch kontinuierliche Angriffe auf unterer Ebene statt:
- Strafbefehle über hunderte Euro und mehr oder gerichtliche Verurteilungen, weil sich Polizisten durch Parolen auf Demonstrationen beleidigt gefühlt haben wollen.
- Geldstrafen für Demoanmelder, weil illegalerweise Musik vom Lautsprecherwagen gespielt oder dort Seitentransparente als Schutz vor dem polizeilichen Abfilmen der TeilnehmerInnen und damit als „Vermummung“ verwendet worden sein sollen.
- Ausreiseverbote bei größeren Protestaktionen wie zuletzt gegen den Nato-Gipfel in Straßbourg.
- Drohungen des polizeilichen Staatsschutzes gegenüber einzelnen AktivistInnen.
- Massive Polizeiaufgebote, Festnahmen und stetige Übergriffe mit Verletzten bei Kundgebungen und Demonstrationen. Erst im Juni musste eine Kundgebung im Rahmen einer antifaschistischen Infotour wegen massiven Polizeiangriffen abgebrochen werden.
- Desweiteren die schon einige Jahre zurückliegende Bewährungsstrafe für das Verteilen von antifaschistischen Flugblättern, die angeblich einen Aufruf zu Straftaten darstellten, oder die polizeiliche Stürmung des Sozialen Zentrums Subversiv und auch von Vereinen der kurdischen und türkischen Linken.
Immer wieder spielen dabei der polizeiliche Staatsschutz, in Person u.a. des beim aktuellen Fall wieder federführend aktiven Bartels, sowie die Staatsanwaltschaft eine entscheidende Rolle. Rückendeckung und Unterstützung erfahren sie dabei in der Regel von Richtern, die Hausdurchsuchungen in deren Sinne genehmigen und Urteile fällen.

Mit der Stuttgarter Staatsanwaltschaft zeichnet sich im Übrigen dieselbe Staatsanwaltschaft für zahlreiche Anklagen von aktiven Linken und AntifaschistInnen verantwortlich, die sich trotz bis heute andauernden internationalen Protesten beharrlich weigert, mehrere Wehrmachtsangehörige die im zweiten Weltkrieg ein ganzes italienisches Dorf massakriert hatten, anzuklagen.

 

BRD - Bullenstaat
Die Zunahme staatlicher Repression ist weder nur auf aktive Linke beschränkt, noch allein Markenzeichen der besonders reaktionären Verfolgungsbehörden in Stuttgart. Vielmehr werden immer mehr Bereiche des alltäglichen Lebens vom staatlichen Willen nach Kontrolle, Überwachung und Sanktionierung durchzogen: Telekommunikationsüberwachung, Planungen zur Verschärfung der Versammlungsgesetze in mehreren Bundesländern, stärkere Zusammenlegung von Polizei und Geheimdiensten und immer mehr Befugnisse für dieselben, sowie Zensurplanungen für das Internet sind nur einige der Stichwörter die die Entwicklung der letzten Jahre kennzeichnen. All das ist kein Zufall. Gerade in Zeiten zunehmender Verarmung weiter Teile der Bevölkerung, in denen die letzten sozialen Sicherungen abgebaut werden und immer klarer wird wie wenig der Kapitalismus denjenigen die nicht zu den wenigen Profiteuren gehören, noch zu bieten hat, schwindet die Legitimität des bürgerlichen Staates zusehends. Immer mehr ist dieser Staat daher auf unmittelbare Kontrolle der Bevölkerung, auf direkte Bestrafung und ständige Drohung gegenüber potentiell „gefährlichem“ Handeln angewiesen.
Im Rahmen der allgemeinen repressiven Entwicklung kommt dem Vorgehen gegen Linke und AntifaschistInnen eine besondere Bedeutung zu. Natürlich soll gerade in der Krise das herrschende System als alternativlos erscheinen. Aktivitäten und Organisierungen für die Perspektive einer anderen, solidarisch organisierten Gesellschaft ohne Ausbeutung, Krieg und Konkurrenzkampf sollen klein gehalten oder zerschlagen werden. Allein der Versuch in eine solche Richtung aktiv zu werden soll als aussichtslos erscheinen.

Faschisten, Staat und Kapital angreifen!
Wie immer trifft die Repression auch im Fall des von der staatlichen Willkür und der Diffamierung der Nazis betroffenen Antifaschisten einen einzelnen. Es gilt das Vorgehen jedoch als Angriff auf uns alle zu begreifen. Unsere einzige Antwort darauf kann nur die Solidarität mit allen kriminalisierten AntifaschistInnen sein.
Es gilt die bevorstehenden Gerichtsverfahren zu nutzen um unseren Protest auf die Straße zu tragen und die Praktiken der Verfolgungsbehörden öffentlich zu machen. Es gilt auch, Strukturen aufzubauen, die dem bürgerlichen Staat und seiner Justiz kontinuierlichen und organisierten Widerstand entgegensetzen und für die Überwindung dieser Verhältnisse einstehen.

 

Solidarität mit allen kriminalisierten AntifaschistInnen!
Antifaschismus ist notwendig, nicht kriminell!
Unterstützt linke Rechtshilfe- und Solidaritätsstrukturen wie die Rote Hilfe!

 



Gewalt ist gleich Gewalt?
Immer wieder wird eine Gleichsetzung von antifaschistischen Militanten und faschistischen Schlägerbanden betrieben. Weil sie gleiche oder ähnliche Mittel einsetzen würden, seien sie beide auf der gleichen Stufe und somit gleich bekämpfenswert. Schon die argumentative Grundlage solcher Behauptungen ist falsch: Faschisten streben eine Gesellschaft an, die ideologisch auf Rassismus, Sozialdarwinismus und antisemitischen Verschwörungstheorien aufbaut und real brutale Ausbeutung, Massenmord und Krieg bedeutete. Seit 1990 haben Nazis und Rassisten in der BRD mindestens 130 Menschen ermordet und viele weitere durch Angriffe verletzt – lediglich weil sie aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe oder politischen Orientierung nicht in das Weltbild der Faschisten passten.
 Antifaschistische Militanz die sich genau gegen solche Bestrebungen wendet, ist weder in ihren Auswirkungen, noch in ihren politischen Zielen mit der tatsächlichen oder auch nur verbalen Gewalt die von Nazis ausgeht vergleichbar oder gar gleichzusetzen.

 



Solidarität mit den 7 angeklagten Antifaschisten
In den nächsten Monaten steht die Berufungsverhandlung gegen 7 Antifaschisten an, die beschuldigt werden, an einem Angriff auf Nazis im Februar 2007 in Sindelfingen beteiligt gewesen zu sein. Damals fand unter Polizeischutz ein Konzert des faschistischen Liedermachers Frank Rennicke statt.
In erster Instanz wurden sie teilweise zu Haftstrafen verurteilt und gegen beim Prozess anwesende AntifaschistInnen aus nichtigen Gründen Ordnungsgelder verhängt.
Mehr Infos zum Prozess unter:
www.antifa-aufbau.tk
www.antifaprozess.blogsport.de