Neonazi-Schläger gehen geplant und mit Hiebwaffen vor

Erstveröffentlicht: 
27.11.2014

Studie zu rechtsextremen Gewalttätern in Sachsen Von Jürgen Kochinke Dresden. Schon allein die Namen klingen martialisch. Sie nennen sich "Sächsische Hammerskins" (SHS) oder eben auch "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS), ihre Aktionen können für die Opfer in der Tat lebensbedrohlich sein. Immer wieder machen Neonazi-Schläger oder rechtsextreme Gewalttäter in Sachsen von sich reden, und jetzt liegt erstmals eine groß angelegte Studie zum Thema vor. Dafür haben Wissenschaftler des Dresdner Hannah-Arendt-Instituts sogenannte Mehrfach- und Intensivtäter aus der rechtsextremen Szene unter die Lupe genommen. Ergebnis: Die Neonazis gehen meist gezielt und planmäßig vor, handeln in Gruppen und attackieren vorwiegend sogenannte politische Gegner - Alternative, Linke, Studenten.


Insgesamt haben die Wissenschaftler Unterlagen über 460 rechtsextreme Mehrfachtäter - darunter 70 Intensivtäter - aus den Jahren 2001 bis 2011 untersucht. Dabei haben die Studien auch ergeben, dass die Täter meist mit stumpfen Hiebwaffen auf den Kopf ihrer Opfer einschlugen. Als zweithäufigste Form registrierten die Forscher Tritte auf bereits am Boden liegende Opfer. Insgesamt gab es 64 lebensbedrohliche Exzesstaten. Bei den Tätern handelte es sich fast ausschließlich um Männer. 46 Prozent der Täter waren 18 bis 20 Jahre alt, 41,5 Prozent stammten aus der Gruppe der 14- bis 18-Jährigen.


Beachtlich ist auch, dass die straffällig gewordenen Neonazis keineswegs alle aus zerrütteten Familien stammten - im Gegenteil. Bei der Mehrzahl der Fälle sei von "unproblematischen, stabilen und geordneten Familienverhältnissen" auszugehen. Insgesamt verweisen die Autoren auch darauf, dass die Zahl der Gewalttaten in Sachsen - wie in anderen neuen Bundesländern auch - deutlich über dem Bundesdurchschnitt liege. Und noch ein Unterschied zwischen Ost und West sei auffällig: Während es in den alten Ländern mehr fremdenfeindliche Delikte gebe als in den neuen, handele es sich im Osten häufiger um "Konfrontationsdelikte" - also Attacken gegen Linke und Antifa-Anhänger.


Einer der Kernsätze der Autoren zum Thema lautet: "Die meisten Gruppen verfolgen mit mehr oder weniger planhaftem, aufsuchendem Gewalthandeln das Ziel, ,zeckenfreie Zonen' zu schaffen." Dagegen habe sich lediglich eine der untersuchten 17 Gruppen in Sachsen dezidiert fremdenfeindlich verhalten. Das allerdings mit enormer Aggressivität. Der Anführer dieser Truppe, heißt es in der Studie, habe sich "mit seinem Gewaltverhalten dem Typus eines tötungsbereiten Rassisten" genähert.


Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) will nun die Ergebnisse der Untersuchung nutzen, um Brennpunkte rechtsextremer Gewalt in Zukunft früher erkennen und besser dagegen vorgehen zu können. "Der Rechtsextremismus ist und bleibt Schwerpunkt der Arbeit unserer Sicherheitsbehörden", sagte Ulbig gestern bei der Vorstellung der Studie.


Auch die Forscher selbst machen Vorschläge, zusammengefasst in einem Zehn-Punkte-Katalog. Die Kernforderungen lauten: Nötig sei eine konsequente Strafverfolgung. "Lassen wir den Rechtsextremen zu viele Spielräume, ermutigt sie das zu mehr Gewalt." Darüber hinaus müssten Mehrfachtäter als Gefährder eingestuft und zentral bearbeitet werden. Das sei notwendig, da diese Tätergruppe zwar relativ klein sei, aber einen erheblichen Einfluss auf die Gewaltdynamik ausübe. Auch dürfe die Rolle sogenannter "Hassmedien" wie rechtsextremer Musik nicht unterschätzt werden. "Ziel muss es sein, rechten Straftätern ihre Propaganda- und Hassplattformen zu entziehen."