Ohne Angst

Erstveröffentlicht: 
22.11.2014

Die Bürgerversammlung in der Dreikönigskirche zeigt: Viele Dresdner empfangen die Flüchtlinge mit offenen Armen.

 

Es war einer der wichtigsten Momente der gut zweistündigen Veranstaltung. In Am Sayad Mahmood, tätig im Dresdner Ausländerrat und einzige Frau mit Kopftuch im Saal, schnappt sich das Mikrofon und stellt eine einfache Frage: „Woher kommt diese Angst?“ Sie lebe seit 18 Jahren in Deutschland. Sie könne das einfach nicht verstehen. Vielleicht war die Frage vor allem an die 5 000 Menschen gerichtet, die zeitgleich in der Innenstadt gegen die vermeintliche Islamisierung Deutschlands demonstrierten. Im Saal der Dreikönigskirche waren diese Ängste hingegen nur selten zu spüren. Die meisten trieb nicht die Frage um, ob Dresden Asylbewerber aufnehmen muss, sondern wie man ihnen konkret helfen kann.

 

Verdopplung der Asylbewerberzahlen von rund 2 000 auf 4 000 bis Ende 2016, die Einrichtung von zwölf neuen Heimen und Investitionskosten von fast 15 Millionen Euro – das sind die Zahlen, über die in Dresden seit Oktober diskutiert wird. Bevor der Stadtrat am 11. Dezember über den Plan des Rathauses entscheidet, lud die Stadt gestern Abend zu einer Bürgerversammlung ein. Die 400 Plätze in der Dreikönigskirche waren eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn weg – unter den Besuchern viele Stadträte. 200 weitere Menschen verfolgten das Geschehen über Lautsprecher vor dem Eingang.

 

Unsachlich wurde es nur zu Beginn der Fragestunde als ein offenbar Linksextremer seinen Monolog, in dem er die jetzige Asylpolitik in die Nähe Nazideutschlands rückte, nicht beenden wollte. Er wurde des Saals verwiesen. „Es hat jeder das Recht, sich zu blamieren“, kommentierte Moderator Frank Richter. Der Leiter der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung sorgte dafür, dass es zu jeder Zeit bei einer fairen Diskussion blieb. Ein Laubegaster meldete sich mit der Befürchtung, dass der Stadtteil mit den Asylbewerbern zu einem „sozialen Brennpunkt“ werde. Er erntete höhnisches Gelächter dafür. „Der gegenseitige Respekt sollte eine Selbstverständlichkeit sein“, kommentierte Richter.

 

Welche Ängste unter Dresdnern existieren, zeigte auch folgende Frage an Polizeipräsidenten Dieter Kroll: „Wir garantieren Sie, dass mit den Asylbewerbern nicht IS-Terroristen eingeschleust werden?“ Kroll entgegnete: „Die Polizei ist für Terrorabwehr nicht zuständig. Jeder Versuch einer Antwort würde in Dilettantismus enden.“ Nochmals betonte er, dass von den Asylbewerbern kein Risiko ausgehe. Sicherlich gebe es Einzelfälle. „Aber wenn man daraus die Gefährlichkeit einer ganzen Personengruppe ableitet, geht das zu weit.“ Er kündigte an, im Sommer ein Kinderfest für die Asylbewerber zu veranstalten.

 

Ein Großteil der Fragen zielte darauf, wie man die Asylbewerber in die Dresdner Bevölkerung integrieren kann. Warum bloß 400 der insgesamt 4 000 Flüchtlinge einen Deutsch-Sprachkurs erhalten sollen, wollte eine junge Frau wissen. Sozialbürgermeister Martin Seidel (parteilos) stellte klar, dass 400 Kurse pro Jahr geplant seien. Dies könnte reichen, weil einige Asylbewerber schon länger da seien und schon einen Kurs belegt hätten.

 

Außerdem würden die Kinder in Kitas und Schulen Deutsch lernen. „Wenn der Bedarf höher ist, kann man das sicher ausbauen“, so Seidel. Er kündigte außerdem an, dass im Rahmen eines Förderprogramms Lehrer dafür angestellt werden. Bislang kümmern sich meist Ehrenamtliche um die Sprachkurse.

 

Ein Fragesteller wollte wissen, warum die Asylbewerber nicht komplett dezentral in Wohnungen untergebracht werden. Derzeit trifft das für 60 Prozent zu. „Es gibt Menschen, die kennen solche Wohnverhältnisse wie hier in Dresden nicht“, antwortete Seidel. Diese Menschen müsse man in Heimen dort heranführen. Vor jeder Eröffnung einer neuen Einrichtung soll es dort einen Tag der offenen Tür geben.

 

Nach der Veranstaltung lobte der Sozialbürgermeister „die sachlichen Fragen“ aus dem Publikum. Er suche nun nach Wegen, wie man diesen Dialog fortsetzen könne. Moderator Frank Richter bezeichnete die Verständigung als Weg, um Ängste abzubauen. „Selbst wenn es gar keine Flüchtlinge gäbe, würde solch eine Veranstaltung der Stadt Dresden guttun.“