Der Kreisverband von Bündnis 90/Die Grünen Leipzig stellt sich hinter die Forderungen der Initiative „Für das Politische!“ und unterstützt deren Einsatz gegen Überwachungswahn, Diskriminierung und soziale Verdrängung, vor allem (aber nicht nur) im Stadtteil Connewitz. Die Initiative hat sich Anfang des Jahres im Zuge der umstrittenen Einrichtung eines Polizeipostens im Stadtteil gegründet und setzt sich seither gegen eine Stigmatisierung des Viertels und eine Aufwertung politischen Engagements ein.
Der Kreisverband ruft zur Beteiligung an der am Sonntag, 21. September, stattfindenden Veranstaltung „Kontrollbereich 04277“ ab 14 Uhr auf dem Herderplatz in Connewitz auf.
"Im Laufe diesen Jahres sind eine ganze Reihe repressiver staatlicher Maßnahmen aufgeflogen. Die Überwachung des öffentlichen Raumes durch eine Kamera am Connewitzer Kreuz war nur ein Aspekt staatlicher Observationsmaßnahmen, der unter anderem durch die Überwachung von gemeinnützigen bzw. privaten Räumen, wie dem sozio-kulturellen Zentrum Conne Island durch den sächsischen Verfassungsschutz und die Etablierung einer versteckten Kamera durch die Staatsanwaltschaft Dresden in einem Haus in der Simildenstraße ergänzt wurde. Scheinbar im Gegensatz dazu, stellt Connewitz aber auch laut Polizeiaussage heute keinen Kriminalitätsschwerpunkt dar, stellt Carolin Waegner, Sprecherin des Arbeitskreises „Demokratie und Zivilcourage“, fest.
Dass ein negatives Bild auch von Teilen der Leipziger Bevölkerung geteilt wird, könne unter anderem auf die repressiven Maßnahmen und eine oft einseitige Presseberichterstattung zurückgeführt werden. Hier spielen aber auch Einzelpersonen eine Rolle, die eine strickte „Law and Order“-Politik fordern und Freiräume in jedem Fall verhindern wollen, so Waegner.
„Wir begrüßen es natürlich, dass der jahrelang andauernde Rechtsstreit zwischen Stadt und Anwohnenden um die Errichtung eines Streetballplatzes am Connewitzer Kreuz endlich ein Ende gefunden hat. Dass der Sportplatz nun deutlich kleiner als angedacht, mit Öffnungszeiten und einem dafür zuständigen Schließdienst ausgestattet ist, scheint wiederum allzu typisch für eine auf Connewitz bezogene Stadtteilpolitik“, so Waegner weiter.
Neben Überwachungsmaßnahmen und Freiräumen im innerstädtischen Raum, will die Veranstaltung von „Für das Politische!“ mit Musik, Podiumsdiskussionen und einem politischen Stadtteilrundgang vor allem auch Phänomene der sozialen Verdrängung von Bevölkerungsteilen aufgrund steigender Mietpreise thematisieren.
Dazu erklärt Diana Ayeh, Stadträtin von Bündnis90/Die Grünen: „Erst kürzlich meldete das 'DEAL-Magazin' einen stadtweiten Jahresanstieg der Angebotsmieten um 3,2 %. Connewitz und die Südvorstadt haben sich als höherpreisige Lagen der Stadt etabliert. Solche Phänomene führen erfahrungsgemäß zu einem Mangel an bezahlbarem Wohnraum für breite Teile der Bevölkerung und einer Verdrängung Einkommensschwächerer. Da Gentrifizierung eine heterogene Zusammensetzung der Bevölkerung und das konfliktarme Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsgruppen gefährden kann, muss etwa im Rahmen der Erarbeitung des 'Wohnungspolitischen Konzeptes' nach langfristigen Lösungen unter Einbezug aller relevanten AkteurInnen gesucht werden.“
Dass Kommunikation mit Anwohnenden einen wichtigen Grundstein für die Akzeptanz politischer Entscheidungen bildet, habe nicht zuletzt die Diskussion um die im Februar diesen Jahres eingerichtete Außenstelle des Polizeireviers Süd-Ost in der Wiedebachpassage gezeigt.
„Grundsätzlich begrüßt die Partei Bündnis90/Die Grünen die Etablierung dezentraler Strukturen der Polizei, die Kommunikationspolitik von Polizei und Stadt in Bezug auf den Polizeiposten in Connewitz war jedoch absolut intransparent und widerspricht im Grunde dem Personalabbau durch die sächsische Polizeireform 2020. In diesem Zusammenhang scheint es umso absurder, dass die Stadt Leipzig im Zuge einer internen Vereinbarung die Mietkosten für den Polizeiposten und damit eine Landesaufgabe übernimmt“, so Ayeh weiter.
Eine Anfrage an den zuständigen Bürgermeister Andreas Müller hatte im Mai diesen Jahres ergeben, dass die Stadt Leipzig bis zum 31. Dezember 2016 mit einer Option bis zum 31. Dezember 2020 jährlich über 20.000 Euro Miete für die Außenstelle zahlt.
„Bei dieser Entscheidung wurde weder die Leipziger Bevölkerung noch der Stadtrat einbezogen“, stellt Ayeh fest. „In Hinblick auf die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Stadt und seiner BewohnerInnen ist diese Entscheidung nicht nur sozialpolitisch zweifelhaft, sondern entspricht auch einer undemokratischen Hinterzimmerpolitik. Stadt und Stadtverwaltung sollten zukünftig Angebote des Dialoges durch Initiativen wie 'Für das Politische!' unbedingt wahrnehmen.“