Ab 2015 könnten auf der Cuvry-Brache die geplanten Neubauten entstehen. Zuvor muss der Senat noch mit dem Investor Details des Bebauungsplanes aushandeln. Strittig ist vor allem der Anteil mietgünstiger Wohnungen.
Der Kontrast könnte kaum größer sein: Bisher Bretterbuden ohne Strom und Wasser auf Deutschlands erster Favela im Kreuzberger Wrangelkiez. Doch künftig fünf- bis sechsstöckige Neubauten mit lichtdurchfluteten Wohnungen und vielen Balkonen und Terrassen auf demselben fußballfeldgroßen Gelände an der Ecke Schlesische Straße/Cuvrystraße. Das sehen die Baupläne des Immobilienentwicklers Artur Süsskind für die „Cuvry-Brache“ vor. Nach dem Brand auf dem bislang besetzten Gelände am Donnerstagabend ist man bei der Senatsverwaltung für Stadtplanung nun zuversichtlich, dass dort 2015 erste Arbeiten beginnen können.
„Das Bebauungsplanverfahren wird voraussichtlich im Frühjahr abgeschlossen sein“, sagte am Sonnabend eine Sprecherin der Behörde.
Die mutmaßlichen Brandstifter sind wieder auf freiem Fuß
Die sechs mutmaßlichen Brandstifter, die von der Polizei nach dem Feuer vorläufig festgenommen worden waren, sind unterdessen auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wieder auf freiem Fuß. Nach einem Streit mit jungen Westafrikanern sollen sie deren Baracke angezündet haben. Die Staatsanwaltschaft sah aber offenbar keine hinreichenden Gründe, um die Polen und Esten einem Haftrichter vorzuführen.
Im Senat gibt man sich nun hinsichtlich der offenbar weit gediehenen Bebauungspläne optimistisch. Investor Artur Süsskind hat die Lücke zwischen Spreeufer und einer 21 Meter hohen Brandmauer mit riesigen Graffiti 2012 vom Land Berlin gekauft. Er will dort die „Cuvry-Höfe“ bauen, eine Anlage mit 250 Wohnungen, Kita, Supermarkt und einer sich zur Spree öffnenden Terrasse. Bereits Anfang des Jahres hatte Süsskind eine Räumung der seit 2012 besetzten Brache beantragt. Diese wurde ihm auch in Aussicht gestellt, doch die Behörden rieten ihm, noch auf Zeit zu spielen. Sie fürchteten gewaltsame Proteste und setzten auf die wachsenden Konflikte der Besetzer untereinander. Tatsächlich erwies sich die Anarchie auf der Cuvrybrache als Auslaufmodell. Das zeige jetzt auch das abrupte Ende, heißt es in Polizeikreisen.
Investor Süsskind könnte nun bald freie Hand haben. Zuvor muss er aber noch mit dem Senat über Einzelheiten des Bebauungsplanes verhandeln. Dabei geht es vor allem um den Anteil mietgünstiger Wohnungen. Süsskind will zum Wasser hin Eigentumswohnungen errichten und sieht dem Vernehmen nach bei den Mietwohnungen nur einen Anteil von etwa zehn Prozent vor, der auch für Einkommensschwächere erschwinglich sein soll. Der Senat strebt hingegen im Rahmen seiner Offensive für mehr Wohnungsbau eine Quote von bis zu 30 Prozent an. Ein weiterer Verhandlungspunkt dürfte die Breite des verbleibenden öffentlichen Uferstreifens vor dem Bauprojekt sein.
Abgeordnete müssen Bebauungsplan absegnen
Einigen sich beide, muss der Bebauungsplan noch vom Abgeordnetenhaus abgesegnet werden. Damit würde die Brache im zweiten Anlauf tatsächlich bebaut. Bereits Mitte der 90er Jahre erarbeitete der Senat dort einen Bebauungsplan. Dieser sah kaum Wohnungen, sondern eine Shopping-Mall vor. Das passte dem Bezirk nicht, weshalb der Senat die Planung an sich zog. Schließlich scheiterte das Projekt an Finanznöten der Investoren. Danach war dort für Jahre der Yaam-Club, 2012 gab es Streit um das BMW-Guggenheim-Lab, das dort gastieren sollte. Danach kamen die Besetzer. Und ab Montag rücken wohl schon die Bagger an, wie in der Bezirksverwaltung zu hören ist. Der Investor wolle die Hütten so rasch wie möglich abreißen.
Bisherige Cuvry-Bewohner suchen neue Bleibe
Die bisherigen Bewohner der Cuvry-Brache sind übers Wochenende teils in Notheimen für Obdachlose untergekommen. Bezirksvertreter drückten den Flüchtlingen, Aussteigern und Wohnungslosen zudem Zettel in die Hand mit den Adressen der Berliner Anlaufstellen für Wohnungsnotfälle. Dort könnten sie sich ab Montag melden, wurde ihnen gesagt. Die meisten Betroffenen interessiert dieses Angebot aber dem Vernehmen nach gar nicht. Sie seien bereits auf der Suche nach neuen Brachen oder leerstehenden Gebäuden, wo sie weiter leben wohnen können, heißt es in der Szene.
Größere Demonstrationen oder Versuche, die Cuvry-Brache erneut zu besetzen, erwartet die Polizei nicht. Das zeichnete sich schon Freitagabend ab, als nur wenige Aktivisten gegen die Absperrung der Brache protestierten. Es liegt daran, dass die anfängliche autonome Besetzerromantik vorbei ist. Das Gelände stank zunehmend nach Müll, Ratten liefen herum. Anwohner waren vom Chaos vor ihrer Haustür genervt.