Siegfried Borchardt, unter seinesgleichen eine Galionsfigur der Szene und neu gewählter Stadtrat in Dortmund, sorgt für Medienberichte, die dem „Die Rechte“-Gründer und Chef Christian Worch offenbar missfallen. Der will am liebsten nicht mehr Vorsitzender sein – oder seine Partei auf Linie bringen.
In Dortmund steht ein Mann vor dem Rathaus und genießt den Auftritt seines Lebens. Dutzende Journalisten sind da – seinetwegen. Kameras werden auf ihn gerichtet. Mikrofone ihm entgegengestreckt. Eigentlich spricht man in der Szene ja nicht mit der „Feindpresse“. Doch dieser besondere Tag verlangt nach einer Ausnahme. „Ich bin Nationaler Sozialist“, sagt Siegfried Borchardt also in die Kamera. „Und wenn das kompatibel ist, was der Nationalsozialismus gesagt hat, dann ist das in Ordnung.“
Was genau womit kompatibel sein soll, damit es für ihn in Ordnung ist, erklärt er nicht. Muss er auch nicht: Seit mehr als drei Jahrzehnten ist Borchardt als Neonazi bekannt. „SS-Siggi“ nennen sie ihn nicht nur in der Szene. Ihm gefällt das nicht so ganz. Er will sozusagen zwischen unterschiedlichen Brauntönen differenzieren: Lieber würde er es hören, so verrät er, wenn man ihn „SA-Siggi“ riefe. An diesem Tag wird der 60-Jährige an seiner ersten Sitzung als Ratsmitglied in Dortmund teilnehmen. 2100 Stimmen hat „Die Rechte“ bei der Kommunalwahl am 25. Mai in der Ruhrgebietsmetropole geholt, 1,0 Prozent, genug für ein Mandat.
Vorsitzender will nicht zum Parteitag kommen
Im mecklenburgischen Städtchen Parchim sitzt ein Mann an seinem Schreibtisch und ärgert sich. Vor zwei Jahren hat Christian Worch „Die Rechte“ gegründet. Aber abgesehen von Teilen Nordrhein-Westfalens ist der Parteiaufbau vorerst gescheitert. Die Kandidatur bei der Europawahl kam nicht zustande, weil viele „Kameraden“ anderes zu tun hatten, als mühsam Unterstützungsunterschriften zu sammeln. Mit vollmundigen Ankündigungen auf den Weg gebrachte Landesverbände wie in Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Niedersachsen oder Baden-Württemberg existieren schon nicht mehr oder nur noch auf dem Papier. Sogar internen Widerspruch musste sich der arrogant und eigensinnig veranlagte Worch gefallen lassen – etwa als es um die Aufnahme eines Ex-Porno-Sternchens in die Partei ging. Zum Parteitag Anfang Juli, wenn satzungsgemäß Vorstandswahlen anstehen, will er offenbar gar nicht erst kommen, so tief steckt der Frust. Nicht einmal eine Bilanz der zweijährigen Arbeit mag er persönlich vorlegen, glaubt man internen Mails.
Wie es scheint, hat Christian Worch in wichtigen Fragen weder in seinem fünfköpfigen Vorstand noch in der Partei überhaupt eine Mehrheit hinter sich. Insbesondere Nordrhein-Westfalen, das etwas mehr als die Hälfte der rund 500 Mitglieder stellt, hat er dabei im Blick. Man müsse eine Bundesgeschäftsstelle einrichten, meint Worch – und wo sollte die angesiedelt sein, wenn nicht dort, wo das Gros der Mitglieder zu finden ist und wo bislang die meisten wichtigen Sitzungen stattfanden?
Seine zweite Forderung, festgehalten in einer Mail, die ihm zugeschrieben wird: Man müsse das Land NRW verklagen, wenn es eine „Wesensnähe“ der „Rechten“ zur NSDAP behaupte. Worch wollte seine Partei einst ganz anders darstellen: irgendwo zwischen NPD und Rechtspopulisten angesiedelt, das Programm weitgehend von der verblichenen DVU übernommen, die Mitglieder auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung verpflichtet. Eine solche Positionierung war schon damals pure Illusion oder gar bewusste Täuschung. Eine von Neonazi Worch geführte Partei würde vor allem Leute aus dem Spektrum militanter Neonazi-Kameradschaften oder besonders radikale NPDler anlocken – das war bereits bei der Gründung klar. Doch Worch will offenbar an der alten Fiktion festhalten.
„Ich hab’ die Demokratie nicht erfunden“
Auftritte wie der von Borchardt bringen zwar Medienberichte in Hülle und Fülle. Doch sie zerstören das Bild, das Worch von seiner Partei zeichnen wollte. „SS-Siggi“, der lieber „SA-Siggi“ gerufen werden möchte und bisher um die 30 Vorstrafen gesammelt hat, diktiert den Reportern – zweieinhalb Wochen, nachdem er und seine „Kameraden“ eine Wahlparty im Dortmunder Rathaus stürmen wollten – in die Notizblöcke: „Keine Gewalt ist auch keine Lösung.“ Borchardt („Ich hab’ die Demokratie nicht erfunden. Und ich kann mir auch was Schöneres vorstellen.“) spielt mit dem Gedanken, einen „parteiinternen Sicherheitsdienst“ aufzubauen, „zehn, zwölf Leute“, die ihn künftig zu Sitzungen „begleiten“. Die Reminisenz an die SA ist nicht zu übersehen. Wer da gegen den Vorwurf, man stehe in der Tradition der NSDAP, klagen will, der hat es schwer.
In Dortmund könnte Worch weiterer Ärger drohen. Ohne seine persönliche Aversion gegenüber der NPD wäre die Gründung der „Rechten“ nicht denkbar gewesen. Und ohne den Streit militanter Neonazis in NRW mit der NPD wäre der dortige „Rechte“-Landesverband nicht der stärkste in der Partei geworden. Doch die wichtigsten Feindbilder sind verschwunden. Ex-NPD-Chef Holger Apfel ist seit einem halben Jahr nicht mehr im Amt. Dortmunds Kreisvorsitzender Matthias Wächter, der den Hass auf sich zog, weil er die Aufnahme von Führungsleuten aus den Reihen der „Autonomen Nationalisten“ in die NPD blockiert hatte, ist inzwischen seinem Mentor Apfel gefolgt und arbeitet in dessen Kneipe auf Mallorca.
Die Hintermänner vom verbotenen „Nationalen Widerstand Dortmund“
Schon vor den Wahlen vom 25. Mai waren Lockerungsbemühungen festzustellen. Teile des „Die Rechte“-Fußvolks verteilten Flugblätter der NPD oder hängten deren Plakate auf. In Dortmund wird bereits darüber spekuliert, ob Borchardt mit dem NPD-Stadtverordneten Axel Thieme eine gemeinsame Ratsgruppe bilden könnte. Dabei geht es auch um viel Geld. Bislang stehen den DR-Vertretern im Rat und in vier Bezirksvertretungen lediglich Aufwandsentschädigungen von insgesamt knapp 1200 Euro monatlich zu. Als gemeinsame Gruppe im Rat könnte das Duo Borchardt/Thieme jährlich weitere rund 40 000 Euro beanspruchen.
Selbstständig entscheiden können die beiden über eine weitere Annäherung freilich nicht. Thieme wird seine Partei fragen müssen. Und Borchardt seine Hintermänner aus den Reihen des verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmunds“, für die er schon seit Jahren nicht viel mehr ist als eine Galionsfigur. Einer, der die Traditionslinien des bundesdeutschen Neonazismus seit den 80er Jahren – bis hin zum Klischee – verkörpert, der aber real wenig zu sagen hat in der lokalen Szene.
Jüngere geben in Dortmund und NRW die Linie vor – die, die einst unter dem Label „Autonome Nationalisten“ bekannt wurden. Mit ihnen muss sich auch Worch auseinandersetzen. „Am liebsten wäre mir persönlich, wenn es einen anderen Kandidaten für das Amt des Bundesvorsitzenden gäbe“, hieß es dieser Tage in einer weiteren Mail an die Vorstandskollegen, die aus seiner Feder stammen soll. Allerdings müsse er „mit der Möglichkeit rechnen, dass es vielleicht keinen alternativen Kandidaten gibt“. Der Autor weiter: „In dem Fall wäre ich in der Pflicht, einer Nominierung zuzustimmen beziehungsweise eine Wahl anzunehmen.“ Allerdings müsse die Partei ihre Hausaufgaben machen – sprich: das Land Nordrhein-Westfalen verklagen und eine Bundesgeschäftsstelle einrichten. Geschehe dies nicht, werde er auch als Vorsitzender an keiner Parteiveranstaltung oder Vorstandssitzung außerhalb von Parchim teilnehmen: „Ich sehe nicht ein, auch nur einen Cent Fahrtkosten oder einen Centiliter Diesel für eine Partei aufzuwenden, die so was nicht auf die Reihe bringt.“