Erri de Luca: "Ich verteidige meine Redefreiheit. Darum, dass man mich frei spricht, geht es mir nicht" Die Klage gegen den Schriftsteller wegen Anstiftung zur Sabotage wurde zugelassen. Bei einem Interview hatte er die Positionen der No tav unterstützt
von Ottavia Giustetti
10.06.2014
Erri De Luca, der dichtende Arbeiter, der sich an No Tav Demonstrationen beteiligt, hat in Griechenland, wohin er "eine nicht aufschiebbare Reise geplant hatte" auf die Entscheidung des Richters in Turin gewartet. Die Nachricht über die Zulassung der Anklage erhielt er von seinem Anwalt, da war die Sache in den sozialen Netzwerken und den Nachrichtenportalen längst in Aller Munde. Die Anklage gegen De Luca wurde zugelassen, er wird sich der Anstiftung zur sabotage verantworten müssen. Er ist nicht erschrocken, sondern eher besorgt. Nicht um seiner selbst Willen, sondern wegen der tiefen Bedeutung, die er diesem Verfahren beimisst. "Ich finde mich in dieser Rolle eines Auslösers von Ereignissen nicht wieder, die man mit zuschreiben will, weil ich sowohl auf der politischen als auch auf der kollektiven Ebene keinerlei Verantwortung habe".
Man wirft Ihnen aber vor, dass sie mit Ihren Worten zu Vorgängen angespornt haben, die sich dann konkret ereignet haben.
"Ja, sagen wir, dass sie einen sofistischen Trick benutzt haben, der bereits in der mittelalterlichen Scholastik gängig war, aber leicht zu entlarven ist. Die Theorie lautet: "Post hoc ergo propter hoc". Das bedeutet: "Nach diesem hier und also in Folge dessen". Sie stellen zwei Vorgänge in einen kausalen Zusammenhang, die lediglich in einer zeitlichen Verbindung stehen".
Sind Sie sicher, dass der von Ihnen öffentlich gesprochene Satz: "Der Tav gehört sabotiert" nicht die wirkung einer Aufforderung entfaltet hat?
"Nein, ich glaube nicht. Wenn Sie darüber nachdenken, ist es zudem Kurios, dass sie beschlossen haben, genau davon auszugehen und den ganzen Rest zu vergessen. Es ist, als sei mein Interview die Stunde Null des No Tav Kampfes geworden. Alles, was vorher geschehen ist, ist überhaupt nicht mehr relevant".
Wenn es sich um Getrickse handelt, wird man es vor Gericht entlarven
"Die Tatsache, dass sie darauf zugreifen, ist der Beleg dafür, dass die Erhebung des Vorwurf ohne Substanz ist".
Er wird zwar nicht die Stunde Null des Kampfes gegen den Tav gewesen sein, der gegen sie anberaumte Prozess ist aber die Stunde Null einer neuen Jahreszeit: Vor Gericht landehn nicht nur jene, die sich an den Zäunen der Baustelle zu schaffen machen, sondern auch jene, die das verbal öffentlich unterstützen.
"Das ist die Scheidelinie. Sie kennzeichnet den Augenblick, in dem man dazu übergeht, durch deren strafrechtliche Ahndung die öffentliche Meinung und die freie Meinungsäußerung einzuschüchtern. Sie glauben, dass sie hundert entmutigen werden, wenn sie mich entmutigen".
Sie haben Ihre Erklärungen aber niemals verleugnet. Was werden sie jetzt, wo es darum geht, dass sie sich vor Gericht verteidigen tun?
Ich bin lediglich Inhaber eines kleinen öffentlichen Wortes, daher verteidige ich es. Ich verwende es nicht aufs Geratewohl und ich nehme es nicht zurück, wenn jemand es kritisiert. Ich bin nicht wie diese Politiker, die dazu fähig sind, am nächsten Tag zu widerrufen, als müssten wir Alle ständig vergessen. Das sind meine Ansichten und ich verteidige sie".
So, wie Sie da reden, könnte man meinen, dass Sie eine Verurteilung in diesem Verfahren für ehrenhafter als einen Freispruch halten
"Das ist so. Mich interessiert nicht, dass man mich frei spricht. Mich interessiert ausschließlich die Verteidigung meiner Meinungsfreiheit. Ich habe im Übrigen die Absicht, meinerseits jene, die den Vorwurf gegen mich erhoben haben des Missbrauchs und der Einschüchterung zu beschuldigen".
Ist das ein Vorwurf gegen die Staatsanwälte?
"Die Turiner Staatsanwälte sind zu sehr damit beschäftigt, die No Tav Bewegung zu verfolgen. Gegen sie sind über tausend Verfahren anhängig. Offenbar vernachlässigen die Richter die hohen Etagen. Es wäre kurios, wenn bestimmte Korruptionsphänomene, die Veruntreuung öffentlichen Geldes, dieses System aus gesteuerten Auftragsvergaben und korrupten Männern, dass Expo und Mose bewegt hat, nicht auch den TAV betreffen würde. Hier genießt ma aber eine gewisse Immunität und Straflosigkeit, weil sich die Staatsanwälte mit Anderem beschäftigen".
Sind Sie also weiterhin davon überzeugt, dass der TAV sabotiert gehört?
"Selbstverständlich".
http://www.repubblica.it/cronaca/2014/06/10/news/erri_de_luca_difendo_la_mia_libert_di_parola_non_chiedo_di_essere_assolto-88541508/?ref=search