NMS: Marco Müller- Von einer persona non grata zum Mitarbeiter des Jobcenters

Neonazi Müller im Jobcenter-Trikot beim Kowsky-Lauf 2010

Am 05. Juni erschien bei „Blick nach Rechts“ ein Artikel, der davor warnt, dass das Jobcenter Neumünster mit Marco M. einen Nazi beschäftigt. Hinter Marco M. verbirgt sich der am 21. Juli 1975 geborene stadtbekannte Neonazi Marco Müller. Bereits Ende der 1990er gehörte Marco Müller, der damals im Stadtteil Faldera lebte, zur „Freien Kameradschaft“ in Neumünster.

 

Im Oktober 1997 überfiel er mit „Club 88“-Sprecher Tim Bartling, Henry Markwirth und fünf weiteren Neonazis zwei KurdInnen. Anders als Bartling und Markwirth, die zu einer halbjährigen Gefängnisstrafe auf Bewährung sowie zu einer Geldstrafe verurteilt wurden, kam Müller straffrei davon. Ungefähr in diesem Zeitraum gab es in Faldera, wo die Neonazis vermehrt agitierten und insbesondere Jugendliche umwarben, ein Treffen zwischen der Stadt, der Polizei und dem im Viertel gelegenen Jugendfreizeitheim, in dessen Protokoll Marco Müller als Führungsperson der Nazis benannt wird. Nachdem es im Jahr 1999 rechte Ausschreitungen bei einem Spiel des VfR Neumünster gegeben hatte, wurde Marco Müller im Dezember 2000 neben dem VfR-Hooligan Andre Harnack sowie Frank Rieckmann, dem Ehemann der „Club 88“-Betreiberin Christiane Dolscheid, als Zeuge vorgeladen. Sowohl durch die Hooligan-Szene als auch den „Club 88“ verfügte Müller aber auch über Kontakte zu Mike Denz, mit dem er im Januar 2000 eine Nazi-Demo im schleswig-holsteinischen Hohenwestedt besuchte. 2002 zählte er neben dem damaligen NPD-Landesvorsitzenden Peter Borchert und den bereits erwähnten Nazis Tim Bartling und Frank Rieckmann zu den Gründungsmitgliedern des „Athletik Klub Ultra“, einer extrem rechten Kampfsportschule, in dem u.a. der NPD-Ordnerdienst trainieren sollte. Müller, der selber lange Zeit im „Zenthai Gym“ (Schmidt's City Gym) trainierte, scheute die körperliche Auseinandersetzung mit seinen politischen Gegnern nicht, so war er am „Vatertag“ 2004 an einer Schlägerei mit Antifaschist_Innen am Einfelder See beteiligt, bei der auch eine unbeteiligte Person verletzt wurde. Darüber hinaus verfügte er aber über Kontakte im ganzen Bundesland, vor allem nach Dithmarschen. Im Gästebuch der aus Itzehoe stammenden Band „Kraftschlag“ hinterließ er Frontmann Jens-Uwe Arpe („Meine Ideale sind 1945 aufgehängt worden“, verkündete dieser 1992 in einem Interview) die Aufforderung, sich bei ihm zu melden, wenn er mal wieder in Schleswig-Holstein sei: „Dann können wir mal wieder einen auf die alten Tage heben.“ Zusammen mit Alexander Kuhr, der Ende der 2000er die „AG Dithmarschen“ leitete und nach seinem Umzug nach Neumünster auch in der „AG Neumünster“ aktiv war, spielte er in der Nazi-Band „Deathlist 5“. In Nazi-Versänden heißt es zu der Band und ihren CDs: „13 hits die voll gewalt sind. textlich & musikalisch“ oder „Harter Fußball-Rock aus dem Norden. Das Teil ist bewusst sogenannt 'unpolitisch' [...]. Die Band besteht aus Szeneleuten“. Müller, der den Part des Sängers übernahm, brachte z.B. seine Hooligan-Erfahrungen in die Texte der 2005 aufgelösten Band ein, die Lieder trugen Titel wie „Fight like a hooligan“ oder „HSV“.


2007 wurden Marco Müllers extrem rechte Umtriebe öffentlich diskutiert, als er neben anderen Neonazis beim Kampfsport-Ereignis „Time to Fight III“ in der Neumünsteraner Stadthalle auftreten sollte, nach antifaschistischer Intervention aber nicht antrat. 2008 erhielt Müller, dem schon im Vorjahr der den Grünen nahe stehende Veranstalter Arndt Bunk einen Persilschein ausgestellt hatte, erneut Rückendeckung und durfte seinen Kampf nachholen – mit der Auflage, seine rassistischen Tattoos zu verbergen. „Nicht nur den KuKlux-Klan-Kapuzenmann, der auf Müllers tätowiertem Bauch schon seit Jahren auf einem Kalenderblatt des Gadelander Neonazi-Club 88 zu sehen ist [...], sondern vor allem auch die großflächige Waffen-SS-Verherrlichung auf seinem Rücken“ betreffe dies, heißt es in einem Flublatt des „Bündnis gegen Rechts“. Müller, der 2009 Deutscher Meister im Muay Thai wurde, hat sich zudem das Symbol des Ku-Klux-Klan auf den linken Ellenbogen sowie zwei Pistolen unterhalb des Bauchnabels stechen lassen, um seine politischen Überzeugungen und seine Gewaltbereitschaft zur Schau zu tragen. Während Trainer Bunk seinen Schützling als „geläutert“ bezeichnete und damit für heftige Diskussionen innerhalb der Grünen sorgt, betonten AntifaschistInnen, es gebe keine Anzeichen für einen Ausstieg von Marco Müller aus der extrem rechten Szene. Dennoch gab es in der Folgezeit Gerüchte, Müller führe im Auftrag des ASD Neumünster Jugendliche an den Kampfsport heran, um deren Selbstbewusstsein zu stärken. Auch äußerlich gibt sich der 39jährige, der sich für eines seiner Accounts in Sozialen Netzwerken das Pseudonym des Pornostars „Marco Banderas“ aussuchte, inzwischen seriöser und trägt sportliche Outfits sowie eine modische Kurzhaarfrisur. Nachdem er lange im sozial schwachen Stadtteil Faldera wohnhaft war, ist er inzwischen Vater geworden und mit seiner Familie in ein besser situiertes Viertel in der Stadt an der Schwale umgezogen. Der soziale Aufstieg des extrem rechten Aktivisten, der einst selbst auf der Abschussliste des Jugendamts stand, dann aber ASD-Projekte betreute und nun anscheinend beim Jobcenter der Neumünsteraner Agentur für Arbeit untergekommen ist, mutet schon erstaunlich an. Zwar trug Müller beim Kowsky-Lauf 2010 ein weißes Langarmshirt unter seinem roten Arbeitsamt-Trikot, um seine Tattoos zu verdecken, für die rechte Fotografin Britta Oelschläger hatte er aber keine Probleme, oben ohne zu posieren, und auch im Internet macht er aus seinen Überzeugungen keinen Hehl.


Bei Facebook hat er 2012 ein Bild der Nazi-Band „Endstufe“ eingestellt, das einen Springerstiefel zeigt und die Bildunterschrift „Küsst meine Boots“ trägt. 2013 änderte er zuletzt sein Profilbild, das nun aus einem Banner des „Nationalen Widerstands“ besteht, u.a. mit dem Logo der „Nationalen Sozialisten Bundesweite Aktion“. Zudem stimmt er hier für die Wiedereinführung der D-Mark, die Todesstrafe für „Kinderschänder“ und gegen ein NPD-Verbot. Alle öffentlichen Beteuerungen, Marco Müller sei ausgestiegen, sind also wenig glaubhaft, da folgende Definition des Antifaschistischen Infoblatts auf ihn keinesfalls zutrifft: „Als Ausgestiegene bezeichnen wir Personen, die nach einem intensiven Prozess der Reflexion von sich aus ihre Ideologie als in allen Punkten falsch, menschenverachtend und nicht mehr länger vertretbar erkennen.“ Bis vor kurzem war er auch noch auf der Internetseite des nach wie vor von den Nazis Tim Bartling und Frank Rieckmann geleiteten „Athletik Klub Ultra“ als Trainer der Thaibox-Gruppe aufgeführt, nun werden die Trainer bis auf den ohnehin bekannten Bartling vorsichtshalber nicht mehr genannt. Photos auf der Internetseite belegen zudem, dass z.B. der bei den Bandidos aktive Nazi Alexander Hardt nach wie vor im „Athletik Klub“ trainiert, wenn er nicht gerade wegen seiner kriminellen Machenschaften hinter Gittern sitzt.

 

Angesichts dieser Faktenlage ist es fragwürdig, wie die Agentur für Arbeit, die auf die 1927 gegründete „Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“, die während der NS-Diktatur durchaus eine Rolle bei der Zwangsarbeit spielte, zurückgeht, den keinesfalls „geläuterten“ oder ausgestiegenen Marco Müller als geeigneten Mitarbeiter ansehen kann.