In diversen Medien wurde nach den Demonstrationen gegen den Wiener «Akademikerball» vor allem die Randale hysterisch aufgeblasen. Der FPÖ wurde dabei viel Raum geboten, um sich als Opfer «linksfaschistischer Gewalt» zu inszenieren. Doch diese Stigmatisierung und Kriminalisierung von antifaschistischem Protest macht paradoxerweise auch vor den Antifaschist_innen selbst nicht Halt. Bei der Demonstration gegen den «Burschenbundball» in Linz wurden nun autonome Antifaschist_innen durch die Demoordner_innen von den restlichen Teilnehmner_innen abgegrenzt. Im Austausch für eine positive Resonanz in Medien und Öffentlichkeit wurde die Entsolidarisierung mit Antifaschist_innen in Kauf genommen.
Widersprüchliche Wahrnehmungen einer Demonstration
Am 8.2. organisierte das Bündnis „Linz gegen rechts“ eine
antifaschistische Demonstration gegen den „Burschenbundball“ im Palais
Kaufmännischer Verein in Linz - ein Event, das manche als den kleinen
Bruder des Wiener „Akademikerballs“ bezeichnen. Gruppen aus dem
autonomen Antifa-Spektrum tragen die Problematik seit geraumer Zeit in
die Öffentlichkeit und protestieren schon seit einigen Jahren gegen
dieses Vernetzungstreffen rechtsextremer Burschenschaften. Dieses Mal
erreichte die Demonstration aber eine neue Dimension, da zwischen 2.000
und 3.000 Menschen daran teilnahmen. Eine „friedliche Tanzdemo“ sollte
es laut Veranstalter_innen werden – der Ablauf der Demonstration wird
von Kritiker_innen jedoch als Entsolidarisierung gewertet.
Denn ein Teil der Demonstration wurde durch eine Kette aus
Demoordner_innen vom Rest der Teilnehmer_innen getrennt. Laut einem
Erfahrungsbericht auf Indymedia (2) soll es dabei auch zu
Handgreiflichkeiten gekommen sein. Bereits bezüglich des Herganges der
Ereignisse gibt es jedoch divergierende Wahrnehmungen. Das Bündnis „Linz
gegen rechts“ bestreitet in einer Stellungnahme (3), dass es Übergriffe
auf Antifaschist_innen gegeben habe. Die Demoordner_innen seien
lediglich eingeschritten, um die Einteilung der Blöcke auf der
Demonstration zu gewährleisten und das Flair einer Tanzdemo zu erzeugen.
Laut Manuel Stolz, Landessekretär der Sozialistischen Jugend
Oberösterreich und aktiv im Bündnis, sei es zu einer „Ausschreitung“
gekommen, als Leute aus dem hinteren Teil der Demonstration nach vorne
drängten, was ein Eingreifen der Demoordner_innen erforderlich gemacht
hätte. Da es zudem bereits im Vorfeld Diskussionen über den Charakter
der Demonstration gegeben habe, sei es notwendig gewesen, ein Zeichen zu
setzen, wo das Bündnis endet, stellt Dominik Samassa vom Bündnis „Linz
gegen rechts“ fest. Diese deutliche Grenzziehung sei ausdrücklich von
der Polizei gefordert worden, so Manuel Stolz.
Kritik an der Vorgehensweise des Bündnisses
Nun haben die Linzer Grünen und Alternativen Student_innen (GRAS)
als Antwort auf diese Vorfälle ihren Austritt aus dem Bündnis „Linz
gegen rechts“ erklärt (4). Im Gespräch können Christina Pree und Kathrin
Quell von der GRAS die Wahrnehmung des Bündnisses nicht bestätigen, denn
beide haben auf der Demonstration nichts von Übergriffen auf
Demoordner_innen beobachtet. Ihr Unmut richtet sich dagegen, dass der
Block mit den autonomen Antifaschist_innen vom Rest der Teilnehmer_innen
abgeschirmt wurde und somit eine Entsolidarisierung zugunsten einer
wohlwollenden Medienberichterstattung stattgefunden habe. Nur aufgrund
von Äußerlichkeiten wie schwarzer Kleidung und Vermummung seien
Antifaschist_innen vorverurteilt und „präventiv“ durch die
Demoordner_innen abgegrenzt worden. Dahinter stehe vor allem die Angst
der Demoleitung, vom medialen Diskurs in ein falsches Licht gerückt zu
werden. Nicht ein konkretes aggressives Verhalten der autonomen
Antifaschist_innen habe den Anlass zum Einschreiten gegeben, sondern ein
Generalverdacht, der bestimmten Personen von vornherein eine
„Gewaltbereitschaft“ zuschreibt. Zudem formuliert die GRAS Kritik an der
hierarchischen Struktur des Bündnisses.
Kathrin Quell sieht den Erfolg der Demonstration darin, dass das
Ziel erreicht wurde, einen großen Teil der Bevölkerung anzusprechen,
allein von den Größenverhältnissen sei die Demonstration beeindruckend
gewesen. Es sei aber deutlich zu spüren gewesen, dass die autonomen
Antifaschist_innen als nicht zur Demonstration zugehörig wahrgenommen
werden sollten. Christina Pree wundert sich auch deshalb über das
Verhalten der Demoleitung, weil gerade sozialdemokratische
Organisationen über eine gewisse Resonanz in der Mitte der Gesellschaft
verfügen, diese aber zu wenig dazu nutzen, um klar Position gegen
Rechtsextremismus zu beziehen – auch aus Angst davor, Stimmen zu
verlieren. Stattdessen springen sie – wie auch die grüne Partei - auf
den medialen Diskurs auf, der Ängste schürt.
Vielfältige Widerstandspraktiken und der mediale Diskurs
Die durch den medialen Diskurs forcierte Polarisierung in
„friedliches“ und „gewalttätiges“ Demonstrieren verschleiert die
Tatsache, dass es einen bunten Pluralismus von Protestformen gibt. Diese
Polarisierung führt dazu, dass selbst Demonstrant_innen Angst davor
haben, aus der Vielfalt an politischen Praktiken zu schöpfen. Allzu
leichtfertig bekommt man von den Medien den Stempel „gewaltbereit“
aufgedrückt. Damit wird auf ein weites Spektrum an kreativen
Aktionsformen verzichtet - vom humorvollen Clown Army-Spektakel bis hin
zu Blockade-Taktiken.
Im Rahmen der Demonstrationen gegen den „Akademikerball“ der FPÖ und
deutschnationaler Burschenschaften im Jänner ist es zu Polizeigewalt
und darauf folgender Randale gekommen. Diverse Medien sahen daraufhin
quasi den Untergang des Abendlandes heran brechen. Angeheizt von der
FPÖ, die sich von einem „Linksfaschismus“ verfolgt fühlt und doch nur
die Gunst der Stunde ausnutzt, um gegen jede Form von Antifaschismus zu
wettern, machten die Medien Stimmung gegen Antifaschist_innen und
empörten sich über eingeschlagene Schaufensterscheiben. Im gleichen
Atemzug wurde die massive Polizeigewalt gegen Demonstrant_innen genauso
wenig thematisiert wie der eigentliche Anlass für den antifaschistischen
Protest, nämlich das Vernetzungstreffen rechtsextremer Burschenschaften
und der FPÖ mit ihren europäischen Kameraden unter dem Deckmantel einer
harmlosen Tanzveranstaltung. Für viele Medien scheint Gewalt gegen
Menschen also einen geringeren Stellenwert zu haben als
Sachbeschädigungen. Beim „Burschenbundball“ in Linz zeigt sich auch die
Problematik, dass ein solches Vernetzungstreffen immer noch Akzeptanz
aus der Mitte der Gesellschaft findet. So wurde trotz öffentlicher
Kritik der Ehrenschutz für den Ball von Landeshauptmann Josef Pühringer
(ÖVP) und dem Rektorat der Johannes Kepler Universität übernommen. Der
Antisemitismus, (Deutsch)Nationalismus und Sexismus der Burschenschaften
wird dabei unter den Teppich gekehrt.
Für das Bündnis „Linz gegen rechts“ waren die Ereignisse in Wien der
Anlass für die Überlegung, dass die Demonstration in Linz anders
ablaufen müsse. Manuel Stolz meint, dass der friedliche Charakter der
Demonstration Voraussetzung dafür sei, dass eine Sensibilität in der
Gesellschaft für das rechtsextreme Vernetzungstreffen geschaffen werde.
Denn sobald in der Wahrnehmung der Menschen Sachbeschädigungen und
Gewalt das Bild prägen, ginge die eigentliche Problematik völlig unter,
weil alles von eingeschlagenen Schaufenstern überschattet werde. In
Aufrufen wird darauf hingewiesen, dass die Demonstration gegen den
„Burschenbundball“ friedlich, also ohne Gewaltanwendung und
Sachbeschädigungen seitens der Antifaschist_innen, verlaufen müsse. Von
Vertretern des Bündnisses „Linz gegen rechts“ wird die Berichterstattung
rund um die Demonstration am 8.2. als überwiegend positiv gesehen.
Dennoch fällt auf, dass die Demonstration selbst dann noch von den
Medien in einen künstlichen Zusammenhang mit „Gewalt“ gebracht wird,
wenn sie ohne Randale auskommt. Eine rechtsliberale Tageszeitung
übertitelte ihren Bericht über die Demonstration in Linz mit „Party
statt Randale“ und in einer oberösterreichischen Tageszeitung wird der
friedliche Verlauf allein der massiven Polizeipräsenz zugeschrieben,
während Kleinigkeiten wie der Verstoß mancher Demonstrant_innen gegen
das – ohnehin nicht ausgesprochene - Vermummungsverbot extra
hervorgehoben werden. Die Überwachung der Demonstration durch zahlreiche
Zivilpolizist_innen, die ständig Demoteilnehmer_innen fotografierten
und abfilmten, ist der Zeitung jedoch keine Erwähnung wert. Selbst wenn
also die Demonstration ruhig verläuft, werden von den Medien bewusst
Gründe herausgepickt, um die Antifaschist_innen in die Nähe von „Gewalt“
oder Gesetzeswidrigkeiten zu rücken. Gehen keine Schaufensterscheiben
zu Bruch, wird in den Medien spekuliert, dass schließlich welche zu
Bruch gehen hätten können, wenn nicht die Polizeipräsenz dies verhindert
hätte. Praktischerweise wird somit der polizeiliche Ausnahmezustand
legitimiert, der bei den Demonstrationen gegen den „Akademikerball“ in
Wien demokratische Grundrechte außer Kraft gesetzt und eine Eskalation
der Polizeigewalt begünstigt hat. Und gerade das „präventive“
Einschreiten gegenüber Demonstrant_innen, die unter den Generalverdacht
der „Gewaltbereitschaft“ gestellt werden, scheint in Europa bei diversen
Polizeieinsätzen der letzten Jahre in Mode zu geraten.
Alexander Stoff
1 Quetschenpaua: Scheißrassisten
2 https://linksunten.indymedia.org/de/node/105750
3 http://linz-gegen-rechts.at/klarstellung-zum-ablauf-der-demonstration
4 http://www.gras-linz.at/index.php?option=com_content&view=article&id=206:buendnisaustritt