Heute am 25. Januar 2014 demonstrierten in der Heilbronner Innenstadt rund 100 unter anderem aus dem Irak, dem Iran, Syrien und Ländern Afrikas geflüchtete Menschen gemeinsam mit solidarischen Unterstützerinnen und Unterstützern.
Die Demonstration stand unter dem Motto "Bargeld statt Sachleistungen! Schluss mit der Diskriminierung von Flüchtlingen!" und richtete sich in erster Linie gegen das "Punkte-System", nach dem die Geflüchteten im Landkreis Heilbronn mit Lebensmitteln versorgt werden.
Die Demonstration begann direkt am Heilbronner Hauptbahnhof und setzte sich lautstark durch die Bahnhofsstraße in Bewegung Richtung Innenstadt. Mit zahlreichen Transparenten, Parolen wie "Say it loud, say it clear - Refugees are welcome here!" und durch das Verteilen von über 1000 Flugblättern in deutscher und englischer Sprache wurden die Heilbronner Bürgerinnen und Bürger auf die Situation der geflüchteten Menschen im Landkreis aufmerksam gemacht.
Auf dem Kiliansplatz fand eine Zwischenkundgebung statt. Ein Vertreter der Flüchtlingsgruppe im "Sozialen Zentrum Käthe" verdeutlichte in seinem Redebeitrag den Zusammenhang zwischen europäischen Kriegspolitik und der daraus resultierenden katastrophalen Lage in den Herkunftsländern der Flüchtenden. Er skizzierte gleichzeitig den staatlichen Rassismus der BRD seit der Abschaffung des Asylrechts im Jahr 1993.
Anschließend sprach Rex Osa, ein Aktivist der Refugee- Gruppe "The VOICE Refugee Forum".
"Jeder Mensch hat das Recht auf die Unversehrtheit seiner Menschenwürde. Warum verletzt ihr immer wieder dieses Recht und unsere Würde?", so Rex Osa. Er forderte die Geflüchteten dazu auf ihre Rechte aktiv einzufordern und dafür zu kämpfen.
Die Demo zog mit guter Stimmung weiter über die Allee und durch die Wollhausstraße, wo Aktivisten aus dem "Sozialen Zentrum Käthe" mit wehenden Fahnen ihre Solidarität bekundeten und die Demonstrierenden grüßten.
Vor dem Landratsamt in der Lerchenstraße formierten sich die Demoteilnehmerinnen und Demoteilnehmer für die Abschlusskundgebung. Ein Sprecher der Refugees im Landkreis schilderte in seinem Redebeitrag die bisher erfolglosen Verhandlungsversuche mit dem Landratsamt und trug noch einmal die zentrale Forderung "Bargeld statt Sachleistungen" vor.
Der entschlossene Sprechchor "We demand our rights!" beendete schließlich die Aktion.
Zum Aufwärmen ging es danach gemeinsam ins "Soziale Zentrum Käthe", wo Raum zum besseren Kenennlernen und Vernetzen vorhanden ist und konstruktive Diskussionen über die weitere Vorgehensweise in den kommenden Wochen geführt wurden. Denn sicher ist, dass der Widerstand gegen die diskriminierende Praxis der Essensausgabe an die Geflüchteten im Landkreis Heilbronn mit der heutigen Aktion erst begonnen hat.
Trotz der kurzfristigen Mobilisierung konnte eine öffentlichkeitswirksame Demonstration durch die Heilbronner Innenstadt durchgeführt und relativ viele Bürgerinnen und Bürger erreicht werden.
Dass die Forderungen der Geflüchteten nicht nur auf Solidaritätsbekundungen stießen, sondern offensichtlich auch ein Echo aus den Tiefen des aktuellen rassistischen Diskurses hervorriefen, zeigte sich bereits kurz nach der Demonstration.
Unter einem von der Lokalzeitung "Heilbronner Stimme" auf "Facebook" veröffentlichten Foto von der Aktion sammeln sich seit Stunden zum Teil offen rassistische Kommentare.
Da heisst es "Seit froh, dass ihr in Deutschland überhaupt etwas bekommt!", "Geht arbeiten!", "Heimflug oder Fresse halten!" oder "Können froh sein, dass sie überhaupt hier sein dürfen, und sich vor ihrer Pflicht drücken". Einzelne User fordern auch "Alle in nen Sack und dann anzünden".
Angeheizt wird die Debatte von den "Jungen Nationaldemokraten Heilbronn-Hohenlohe" (JN), die den Artikel ebenfalls auf ihrem Facebook-Profil verlinken und gegen eine "unkontrollierbare Asylflut" hetzen.
Umso wichtiger ist es, die Aktivitäten der Refugees im Landkreis Heilbronn weiter zu unterstützen und ihre Forderungen aufzugreifen und zu verteidigen.
Achtet auf weitere Infos und zeigt euch solidarisch!
Wir dokumentieren an dieser Stelle den Aufruf zur Demonstration am 25.01.2014 in Heilbronn:
Die Bewohnerinnen und Bewohner verschiedener Flüchtlingsheime im Landkreis Heilbronn protestieren seit mehreren Wochen gegen das sogenannte „Punkte-System“ für Lebensmittel und Gegenstände des täglichen Lebens.Obwohl die geflüchteten Menschen sich seit nunmehr 3 Wochen im Streik befinden und die Annahme der Lebensmittel ablehnen und trotz mehrmaliger Gesprächs- und Verhandlungsversuche seitens der Flüchtlinge, weigern sich die Verantwortlichen im Landratsamt, die diskriminierende Praxis der Essensausgabe zu beenden.
Damit ist der Landkreis Heilbronn einer der Landkreise in Baden-Württemberg, die daran festhalten, Flüchtlingen kein Geld für die Versorgung mit Lebensmitteln auszuzahlen. Und dies obwohl das seit 1.Januar 2014 in Kraft getretene neue „Flüchtlingsaufnahmegesetz“ (FlüAG) nahelegt, dass Sachleistungsformen überall „außer Betracht bleiben“ sollen. Stattdessen werden die Bewohnerinnen und Bewohner der Flüchtlingsheime im Landkreis Heilbronn durch einen LKW mit Lebensmitteln versorgt, der ein oder zwei mal pro Woche an den Einrichtungen Halt macht.
Die dort angebotenen Lebensmittel sind regelmäßig von schlechter Qualität, z.B. ist das Mindesthaltbarkeitsdatum oftmals überschritten. Auf die Bedürfnisse der Geflüchteten, die aus verschiedenen Ländern und Kulturen stammen und teilweise auch medizinische Probleme haben, die eine Versorgung mit ausgewählten Lebensmitteln notwendig machen, wird keine Rücksicht genommen.
Außerdem haben die Flüchtlinge keinerlei Kontrolle darüber, ob ihnen tatsächlich Essen in dem Wert zur Verfügung gestellt wird, der ihnen gesetzlich zusteht. Denn die Lebensmittel werden nach einem „Punktesystem“ ausgegeben, das nicht nachvollziehbar und transparent ist. Die Waren sind nicht entsprechend ausgezeichnet und es wird auch nicht erklärt, welches Lebensmittel welchen Punktewert hat. Da den Flüchtlingen nach den deutschen gesetzlichen Bestimmungen auch nicht erlaubt wird, zu arbeiten, haben sie keine Möglichkeit, selbst darüber zu bestimmen, was und wann sie essen und trinken möchten.
Es ist das Recht jedes Menschen, selbst zu entscheiden, welche Dinge er zum Leben benötigt – dieses Recht gilt auch für Menschen, die aus ihren Ländern geflüchtet sind und in der BRD Schutz suchen.
Deshalb fordern wir:
Geld für Lebensmittel statt Essensausgabe!
Schluss mit Sachleistungen und dem diskriminierenden „Punkte-System“!
Solidarität mit den streikenden Geflüchteten im Landkreis Heilbronn