Spielen gern einmal den Ordner

Die Polizei will die verfeindeten Lager am Sonnabend mit zahlreichen Einsatzkräften und schwerem Gerät auseinanderhalten. Neonazis konnten ihren alljährlichen „Trauermarsch“ in Magdeburg bislang jedes Mal ohne entscheidende Störungen zu Ende bringen.
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Erstveröffentlicht: 
15.01.2014

Polit-Analyst Begrich: Jährlicher Neonazi-Aufmarsch in Magdeburg – und Altmärker mittendrin


Magdeburg / Altmark. Für den Sonnabend schaut die Altmark nach Magdeburg. Neonazis haben in Erinnerung an die Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg einen „Trauermarsch“ angekündigt, Vereine und Verbände setzen eine „Meile der Demokratie“ dagegen, Autonome und Linksradikale wollen den Zug der Rechtsextremen auf ihre Art und Weise stören.

 

Unter den Demonstranten der verschiedenen Lager und in den Reihen der Polizei wird sich wie in den Jahren zuvor auch so mancher Altmärker befinden. Die AZ hat mit David Begrich gesprochen. Der 42-jährige Magdeburger gehört zum Verein Miteinander, Arbeitsstelle Rechtsextremismus.
Interview

Magdeburg ist am Sonnabend das Aufmarschgebiet für Neonazis aus ganz Sachsen-Anhalt und darüber hinaus. Welche Rolle spielen dabei NPD und freie Kameradschaften aus der Altmark?

Die NPD spielt bei der Organisation keine Rolle, weil sie schlichtweg nicht zu den Organisatoren der Veranstaltung gehört. Die Organisatoren kommen aus unabhängigen Gruppen, aus dem Kern der militanten Neonazi-Szene in Magdeburg. Die freien Kameradschaften aus der Altmark sind in der Vergangenheit in Magdeburg immer wieder als Teilnehmer aufgetreten. Außerdem kamen aus ihren Reihen regelmäßig Ordner für die Demonstration. Die Neonazis aus der Altmark spielen sozusagen gern einmal den Ordner. Eine ähnliche Rollenverteilung lässt sich durchaus für dieses Jahr erwarten.

In der östlichen Altmark soll es wieder einen vergleichsweise stabilen Kreisverband der NPD und einen neuen Kreisvorsitzenden geben. Was wissen Sie darüber?

Dazu kann ich nicht viel sagen. Nur so viel: Die NPD in Sachsen-Anhalt befindet sich in einer personellen und finanziellen Krise. Wie es weitergeht, lässt sich momentan schlecht prognostizieren. Die Partei ist in der Altmark schon traditionell eher schwach aufgestellt. Dominiert wird die Szene von den militanten Kameradschaften. Für die NPD existiert seit einigen Jahren ein Nord-Süd-Gefälle. Im Süden ist sie einfach deutlich stärker als im Norden.

Nach internen Querelen nicht zuletzt auf Bundesebene scheint die NPD an Anziehungskraft verloren zu haben. Zudem will der Staat den Druck auf die Partei weiter erhöhen. Welche Auswirkung könnte all dies auf die Demonstration in Sachsen-Anhalts Hauptstadt haben, droht den Neonazis ob einer mangelnden Beteiligung vielleicht sogar ein Debakel?

Es wird keine Auswirkungen auf diese Demonstration haben, weil die NPD bei der Vorbereitung und auch bei der Mobilisierung der Teilnehmer eben keine Rolle spielt. Schauen wir uns in diesem Zusammenhang auch einmal das Durchschnittsalter der Leute an: In den vergangenen Jahren hat es nur vereinzelte Teilnehmer jenseits der 35 gegeben. Die deutliche Mehrheit war zwischen 18 und 28 Jahren alt. Diese Veranstaltung ist eine Institution des jugendkulturellen Rechtsextremismus – und daran hat die NPD traditionell keine große Aktie. Das bedeutet allerdings nicht, dass kein NPD-Mitglied in Magdeburg dabei sein wird.

Wie sehen Sie die Gegner der Neonazis aufgestellt?

Ich sehe sie vielfältig aufgestellt. Für mich gehen grundsätzlich zwei Dinge zusammen: Vielfalt und Gewaltlosigkeit. Jede Form des Protestes ist legitim, solange sie gewaltfrei bleibt. Die Spannbreite reicht von der Meile der Demokratie bis hin zu den bereits angekündigten Blockaden. Ich sehe übrigens keine problematische Zersplitterung des Protestes, sondern eine sinnreiche Vielfalt.

Wo werden Sie am Sonnabend sein?

Ich werde auf der Straße sein, an ganz unterschiedlichen Schauplätzen. Und mein Handy wird wegen der vielen Presseanfragen sicherlich glühen.