(Livorno) Repression des Staatsapperats

Spazio Esterno Ex Caserma, via Adriana 16, Livorno

Livorno (IT), 30. November bis 2. Dezember 2012. Was geschah...
Das im Folgenden dargestellte Geschehen führte zu insgesamt 36 Verfahren und 24 Anklagen, die damit verbundenen Gerichts und Anwaltskosten belaufen sich auf ca. 40.000 Euro. Um zu verstehen was zwischen dem 30. November und dem 2. Dezember 2012 in Livorno passierte, bedarf es einigen Erklärungen vorweg.

 

Im Juni 2012 fand in Livorno eine, von der örtlichen Partito Demokratico (PD, Demokratische Partei Italien) organisierte, Konferenz statt, an welcher der toskanische Gouverneur Enrico Rossi und der Bundesvorsitzende der PD, Bersani, teilnahmen. Das Kollektiv Ex Caserma Occupata1 (im Folgenden ECO genannt) organisierte, zusammen mit anderen radikal-linken Organisationen eine Gegenkonferenz und eine Demonstration unter dem Motto „Occupy PD“.

 

Ziele dieser Gegenaktivitäten waren das Aufzeigen der Unfähigkeit der lokalen Regierung (die bereits seit mehr als 60 Jahren an der Macht ist) und das propagieren und verbreiten alternativer Lösungsansätze, in Hinsicht auf die ökonomische und soziale Krise der Stadt. Einige Tage zuvor war der Befehlshaber der Polizei von Livorno, D'Agostino, durch den aus Varese stammenden Marcello Cordona abgelöst worden und wir erhielten einen ersten Vorgeschmack darauf wie die zukünftige Einsatztaktik der Polizei und der PD aussehen würde.

 

Während der Demo stand ein unverhältnismäßig großes Aufgebot an Anti-Riot Bullen, Militärpolizei und Bereitschaftspolizei bereit, welche die Situation sichtlich nervös beobachteten. Die Demonstration verlief jedoch bis auf einzelne Eierwürfe auf anwesende Zivis ruhig. Die Proteste würden in den darauffolgenden Monaten fortgesetzt, so zum Beispiel während des Generalstreiks vom 12. September, in dessen Verlauf sich Schüler, Studenten und Arbeiter zusammenschlossen um die Kämpfe gemeinsam und solidarisch zu führen.

 

Im Zuge einer weiteren Konferenz der PD kam der zweite Vorsitzende Renzi nach Livorno, um bei einer Versammlung eine Rede zu halten. Das ECO Kollektiv beschloss gemeinsam mit Studenten und Schülern öffentlich gegen Renzis Auftritt zu protestieren. Es wurde ein Transparent außerhalb des „City-Port Auditoriums“ gezeigt und es fand eine Diskussion mit dem Bürgermeister der Stadt statt. Bis auf einige Zivibullen und dem Ordnungsdienst der PD waren keinerlei Sicherheitskräfte vor Ort. Es wurde angeregt das Transparent innerhalb der Halle zu zeigen. Diese Anfrage wurde abgelehnt, es gelang jedoch einigen Genossen in die Halle zu kommen.

 

Als Renzi seine Rede hielt, wollten sie das Banner entrollen. Es kam zu einer kurzen Rangelei zwischen den Genossen und dem Ordnungsdienst. Nach wenigen Sekunden beruhigte sich die Lage wieder. Die Frage die sich uns stellte war, weshalb es zwischen diesen beiden Ereignissen eine derart große Differenz in der Handhabung des Protests gab. Vielleicht sind Proteste gegen Renzi akzeptabler als gegen Bersani? (Renzi ist der wichtigste Gegner Bersanis innerhalb der PD und die livornesische PD steht auf der Seite Bersanis).

Am 30. November 2012 verstanden wir es. An diesem Freitag kam der zukünftige Kandidat für den Premierministerposten nach Livorno, um eine Rede im „City-Port Auditorium“ zu halten. Ein breites Bündnis aus Schülern, Studenten, Arbeitslosen, No TAV Aktivisten, Arbeitern und Ökoaktivisten sammelte sich vor der Halle, um gegen die Konferenz zu protestieren. Im Gegensatz zu den Protesten bei der Veranstaltung mit Renzi, waren die Bullen diesmal weitaus nervöser. Es kam zu Personalienfeststellungen, allerdings gelang es einigen Genossen trotz des großen Polizeiaufgebots in die Halle zu kommen. 

 

Kaum hatten sie die Halle betreten und ein Transparent entrollt, wurden sie mehrmals, mit steigender Intensität, von den Bullen angegriffen. Mehrere Aktivisten trugen zum Teil schwere Verletzungen davon und mussten im Krankenhaus behandelt werden. Es muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass zu keinem Zeitpunkt eine Eskalation seitens der Protestierenden vorhanden war.

 

Nach einer weiteren brutalen Attacke der Bullen, wurde die Aktion angesichts der Aggressivität der Staatsorgane beendet. ECO Kollektiv rief als Reaktion auf diese exzessive Gewaltanwendung, für den nächsten Tag zu einer Demonstration auf. Neben dem ECO Kollektiv beteiligten sich weitere Gruppen an dem Aufruf u.a. Sinistra Critica (radikale, kommunistische Partei), No TAV und Umweltkomitees, Die Anarchistische Föderation Italiens, das libertär-anarchistische Bündnis Livorno und Basisgewerkschaften.

 

Kurz nachdem sich die Demo in Bewegung setzte, erfolgte der erste Angriff der Bullen. Doch anstatt sich einschüchtern zu lassen strömten immer mehr Menschen auf die Straße, um zu zeigen, dass sie auch ohne „Erlaubnis“ der Behörden ihr Recht auf Protest durchsetzen würden. Es folgte eine weitere heftige Attacke einer römischen Aufstandsbekämpfungseinheit, wobei es zu zahlreichen Verletzten kam. Um die Sicherheit der Demonstranten zu schützen wurde beschlossen die Demonstration aufzulösen und sich am nächsten Tag erneut zu treffen.

 

Die Demo am darauffolgenden Tag war noch einmal ca. doppelt so groß. Die Menschenmenge versammelte sich auf dem Piazza Grande und zog von dort aus in die Innenstadt. Vor dem Polizeihauptquartier wurde eine Zwischenkundgebung abgehalten. Die Lage war angespannt und um sie nicht noch weiter zu verschärfen, beschloss man sich in Richtung der Abschlusskundgebung in Bewegung zu setzen. Dabei wurde der Sitz der Präfektur passiert. Doch anstatt, wie sonst üblich bei großen Demonstrationen, die Eingänge zu verschließen, hatte die Einsatzleitung beschlossen das Gebäude mit mehreren hundert Riot-Cops zu schützen.

 

Als sich die Demo auf Höhe des Gebäudes befand, starteten die DIGOS (Zivibullen die für politisch motivierte Straftaten zuständig sind) einen Angriff um einzelne Leute zu verhaften. Die Menge wehrte sich und drängte die Bullen zurück hinter ihre eigenen Linien. Von den Rednern wurde zu Besonnenheit aufgerufen und weiter in Richtung Via San Giovanni zu ziehen. Die Bullen wurden dazu aufgefordert die Eingänge der Präfektur zu verschließen und sich zurück zu ziehen, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Dieser Aufforderung kamen sie natürlich nicht nach und es kam zu ersten Angriffen auf die Präfektur und auf die Bullen.

 

Die Situation geriet allmählich außer Kontrolle. Es kam zu weiteren Angriffen, welche aber lediglich aus dem vereinzelten Werfen von Feuerwerkskörpern und Bengalos bestanden. Es steht die berechtigte Frage im Raum weshalb bei jeder noch so kleinen Demo selbst Gully-Deckel verschweißt werden, in einer dermaßen angespannten Situation jedoch nicht einmal die Tore der Präfektur verschlossen wurden.

 

Für uns steht fest das diese Auseinandersetzungen eine gewollt herbeigeführte Eskalation waren, mit dem Ziel Protest zu delegitimieren und Angst unter den Menschen zu erzeugen. (Hierbei wollen wir uns jedoch ausdrücklich NICHT von militanten Aktionsformen distanzieren, den manchmal sind diese der letzte Weg um den Protest auf die Straße zu tragen. In Zeiten der Krise wird die bürgerliche Demokratie jedes Mittel anwenden um den Klassenkampf von oben zu führen und die Menschen in Schach zu halten, deshalb ist die Wahl der Mittel auch unsererseits freigestellt.)

 

Die Demo setzte sich bald darauf wieder in Bewegung und endete am Piazza Cavour.


Unser Recht auf Meinungsäußerung und Protest steht nicht zur Debatte. Wir werden uns niemals staatlicher Willkür und Repression beugen. Protest ist legitim und bedarf keinerlei Erlaubnis irgendeiner Autorität. Selbst wenn sie jede unserer Aktionen mit Repression und Gewalt überziehen werden wir ohne Angst vor ihnen stehen und unsere Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen.

 

Für den Kommunismus! Für die Anarchie!
Livorno beugt sich nicht!!!

Ex Caserma Occupata, August 2013.              
www.excasermaoccupata.org