Heilbronn: Ein Blick auf das Jahr 2013 und in die Zukunft

HN 2013

Für ein kämpferisches 2014! Ein Blick auf das Jahr 2013 und in die Zukunft.
Das Jahr 2013 ist vorbei und lieferte mehr Gründe für Protest und Widerstand gegen die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse, als wir an dieser Stelle aufzählen können: weitere Verarmung und Abbau demokratischer und sozialer Rechte unter dem europäischen Troika- Regime, Kriegsdrohungen gegen Syrien, staatliche Menschenjagd auf Geflüchtete an Europas Außengrenzen und in deutschen Städten, rassistische „Bürgerinitiativen“ gegen Flüchtlingsheime und nicht zuletzt NSU und Verfassungsschutz. In einigen Bereichen ist es gelungen, fortschrittliche Gegenpositionen zu entwickeln und sichtbar zu machen, in anderen Feldern ist die Linke in der BRD aus ihrer Isolation und Ohnmacht nicht herausgekommen.

 

Wir gehen davon aus, dass die Linke - und damit meinen wir diejenigen, die diese Gesellschaft wirklich von Grund auf verändern wollen - nur dann erfolgreicher wird, wenn sie an vielen verschiedenen Orten mit ihren Inhalten und ihrer Praxis präsent ist und sich auch jenseits subkultureller Nischen und einiger „Szene-Metropolen“ behaupten kann.
Abstrakte Bezüge auf internationale Bewegungen können ebenso wenig wie akademische Theoriearbeit oder die Fixierung auf parlamentarische Mitbestimmung den Aufbau aktiver und lokal verankerter linker Strukturen ersetzen.
In Heilbronn ist dieser Aufbau in den vergangenen Jahren relativ gut gelungen und es konnte eine Arbeit in verschiedenen Bereichen entwickelt werden.
Auch im Jahr 2013 ist dies deutlich geworden.
Wir richten unseren Blick aber nicht darauf, um uns zu beglückwünschen oder auf die Schultern zu klopfen. Vielmehr möchten wir Stärken, Schwächen und Schwerpunkte herausstellen und gerne auch zu Diskussionen anregen, wie zukünftig linke Politik in der Region und darüber hinaus aussehen kann.

Weil es sein muss: Antifaschismus

Der Abwehrkampf gegen Faschisten und ihre Ideologien stand und steht weiterhin auf der Tagesordnung.
Die Morde des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU), die Verstrickung von Teilen des Staatsapparates in den Naziterror und die rassistische Stimmungsmache gegen geflüchtete Menschen haben dies mehr als deutlich gezeigt.
Die Bandbreite antifaschistischer Aktivitäten in der Region Heilbronn war dabei im Jahr 2013 recht groß.
Die NPD konnte ihren Bundestagswahlkampf zumindest im Stadtgebiet nur unter erschwerten Bedingungen durchführen. Bei der großspurig angekündigten „Wahlkampftour“ mussten sich die Faschisten mit ihrem LKW von Polizisten beschützen lassen, während  hunderte AntifaschistInnen die Kundgebung übertönten. Intakte Plakate der faschistischen Partei waren in der Heilbronner Innenstadt kaum zu sehen, laut Berichten wurde eine Truppe plakatierender NPDler außerdem körperlich angegriffen.
Einige AntifaschistInnen verknüpften die Kampagne gegen den NPD-Bundestagswahlkampf mit der Erinnerung an den 1996 von Nazis ermordeten Werner Weickum in Eppingen, während die Antifaschistische Aktion Heilbronn die örtliche JN- Stützpunktleiterin mit einem Outing als angehende Beamtin in Bedrängnis brachte.
Außerdem konnten antifaschistische Mobilisierungen in anderen Städten unterstützt werden, z.B. gegen Naziaufmärsche in Pforzheim im Februar oder in Würzburg am 1.Mai.

Richtig war es, nicht nur bekennende Nazis ins Visier zu nehmen, sondern auch gegen diejenigen vorzugehen, die unter bürgerlichem Deckmantel rassistische und nationalistische Ideologie zu verbreiten versuchen. Mit zahlreichen spontanen Aktionen gegen die Infostände der rechtspopulistischen Gruppe „Pro Heilbronn“ ist dies gut gelungen.
Trotzdem müssen für den Widerstand gegen etablierte extrem rechte Organisationen noch neue Wege und Konzepte gefunden werden, auch hinsichtlich zu erwartender rassistischer Mobilisierungen gegen den Bau einer neuen Moschee in Heilbronn.

Angesichts der immer offensichtlicher gewordenen Bedeutung von Baden-Württemberg im „NSU-Komplex“ war es unumgänglich, einen Schwerpunkt auf dieses Thema zu legen.  Um nicht als beliebige „Anti-Rechts-Aktion“ instrumentalisiert werden zu können, war eine inhaltliche Schärfe nötig, die die Kampagne „Naziterror und Rassismus bekämpfen! Verfassungsschutz auflösen!“ unserer Meinung nach erreichen konnte. Position bezogen wurde nicht nur gegen den „NSU“, sondern auch gegen dessen staatliche Verharmlosung, die Verstrickung deutscher Geheimdienste und institutionalisierten Rassismus.
Eine monatelange Mobilisierung, mehrere Veranstaltungen, zahlreiche angemeldete und unangemeldete Aktionen im Vorfeld und zwei kraftvolle Demonstrationen in Heilbronn und Schwäbisch Hall setzten dies in die Praxis um.

Weil ihr Frieden Krieg bedeutet: Antimilitarismus

Neben dem antifaschistischen Abwehrkampf hat sich der Protest gegen imperialistischen Krieg und die fortschreitende Militarisierung der Gesellschaft als wichtiger Teilbereich linker Politik in Heilbronn verankert.
Im Zuge des Umbaus der Bundeswehr zu einer spezialisierten „Interventionsarmee“ drängt diese immer mehr in den öffentlichen Raum, versucht sich dort als normaler Arbeitgeber darzustellen und junge Menschen für sich zu gewinnen.
Dass die Bundeswehr aber weltweit an Kriegseinsätzen beteiligt ist und Soldatinnen und Soldaten im Dienste des Kapitals töten und sterben, machten antimilitaristische Aktivistinnen und Aktivisten bei mehreren Gelegenheiten in der Region klar.
Bereits zum wiederholten Male wurde der Werbe-Stand der Bundeswehr auf der „IHK- Bildungsmesse“ von kreativem Protest begleitet. Auch den Besuch eines Offiziers am „Robert-Mayer-Gymnasium“ im Juli konnten Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner zumindest kurzfristig stören. Bei einem Konzert der „Bundeswehr- Big Band“ in Wüstenrot im Landkreis Heilbronn waren trotz schwieriger Ausgangsbedingungen Aktive unter dem Motto „Der Bundeswehr den Marsch blasen!“ vor Ort.

Auch ein Konzert der Bundeswehr in der Kirche St. Peter in Bad Wimpfen im Dezember 2013 wurde von einer Kundgebung mit der Kernaussage „Die Bundeswehr ist kein Wohltäter!“ begleitet.
Mit einer Veranstaltungsreihe zum Thema „Bundeswehr in der Öffentlichkeit“ versuchte der „Arbeitskreis Internationale Solidarität Heilbronn“, die Auseinandersetzung mit dem Thema zu vertiefen. Und zur Demonstration gegen die Münchner NATO- „Sicherheitskonferenz“ fuhren Heilbronner Antimilitaristinnen und Antimilitaristen bereits zum zweiten Mal gemeinsam mit einem Bus.
Trotz dieser Erfolge haben sich – anders als im Antifa-Bereich -  aber auch Schwierigkeiten gezeigt, Menschen für das Thema Krieg und Antimilitarismus zu interessieren und für Aktivitäten zu gewinnen. Dies hat verschiedene Gründe, die sicherlich nicht nur in regionalen Besonderheiten oder Schwächen zu suchen sind. Krieg und Besatzung erscheinen vielen Menschen in der BRD als „außereuropäische“ Phänomene, mit denen sie nicht viel zu tun haben.
Hinzu kommt die Wirkung der Propaganda von „humanitären Interventionen“ und des „Krieges für Menschenrechte“, die seit dem Krieg gegen Jugoslawien 1999 auch von ehemals pazifistischen Grünen verbreitet wird.
Die Überreste der klassischen Friedensbewegung, die auch hier in Heilbronn in den 1980er Jahren Massen mobilisieren konnte, sind kaum noch handlungsfähig und Teile der radikalen Linken haben ein internationalistisches Selbstverständnis gegen einen abstrakten Antinationalismus eingetauscht.
Diese schwierigen Ausgangsbedingungen dürfen uns natürlich nicht davon abhalten, weiter gegen die Kriegspolitik der Herrschenden aktiv zu sein und antimilitaristische Initiativen auszubauen.
Lokal sehen wir vor allem die Notwendigkeit, nicht in einen aufreibenden Aktivismus zu verfallen, sondern die Kräfte für Interventionen zu sammeln, mit denen die militaristische Propaganda effektiv gestört werden kann. Außerdem gilt es, die Zusammenarbeit mit anderen Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegnern zu suchen und einen Umgang mit stark ritualisierten und von sozialdemokratischen Akteuren dominierten „Friedens-“Aktivitäten z.B. am 1.September zu finden.


Weil es keine Alternative gibt: Eigene Strukturen und Perspektiven

Unsere politische Arbeit ist zu großen Teilen ein „Re-Agieren“ auf die bestehenden Unzumutbarkeiten und die Bemühungen von reaktionären Kräften, die Wirklichkeit noch barbarischer zu machen.
Dies ist zwar in der momentanen Defensive der Linken verständlich, aber langfristig nicht erfolgversprechend, wenn wir nicht parallel dazu an der Entwicklung unserer eigenen Strukturen, Inhalte und gesellschaftlichen Visionen arbeiten.
Dass wir uns solidarisch zusammen schließen, gemeinsame Erfahrungen machen und uns organisieren, ist eine Grundvoraussetzung dafür, den kapitalistischen Status quo in Frage stellen zu können.
Ein wichtiger Schritt in diesem Selbstorganisierungsprozess wurde in Heilbronn in diesem Jahr mit dem erfolgreichen Aufbau des linken „Sozialen Zentrum Käthe“ gemacht. Auch wenn dabei große und kleine Fehler begangen wurden und weiterhin Schwierigkeiten zu überwinden sind, ist das Hausprojekt für bereits existierende und kommende emanzipatorische Bestrebungen in der Region von erheblichem Wert.
Als real selbstverwalteter Ort, als Ausgangs- und Schnittpunkt für vielfältige fortschrittliche Initiativen und als Infrastruktur ist das Haus nicht hoch genug einzuschätzen.
Und es ist ein politisches Statement gegen die herrschende Stadtpolitik, gegen die vermeintliche konservative Dominanz in der Stadt und für unsere Seite  - die Seite derjenigen die der kapitalistischen Profit- und Verwertungslogik den Kampf für eine solidarische Gesellschaft entgegensetzen.

Dieser Kampf für eine andere Gesellschaft findet allerdings nicht nur in unseren selbstverwalteten Häusern und in den verschiedenen Teilbereichsstrukturen gegen Faschismus, Rassismus, Krieg oder das Patriarchat statt - so wichtig diese auch sind.
Eine wirkliche revolutionäre Perspektive tut sich vielmehr erst dann auf, wenn wir die Grundlagen der bestehenden Ordnung ins Zentrum unserer Kritik stellen, d.h. die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse, den Widerspruch zwischen lohnabhängiger und besitzender Klasse, den bürgerlichen Staat.
Auch wenn die Ansätze, dieser Kritik eine Praxis zu geben, nicht einfach zu machen sind, gibt es dazu keine Alternative. Die auch in diesem Jahr weiter gegangenen Kämpfe in verschiedenen Ländern gegen die kapitalistische Krise, gegen verschärfte Ausbeutung, Entdemokratisierung und die Unterordnung aller menschlichen und natürlichen Ressourcen unter das Profitdiktat sollten uns dabei Mut machen.
Wir können diese Kämpfe am besten unterstützen und voranbringen, indem wir sie auch lokal aufgreifen und immer wieder deutlich machen, dass ohne eine grundlegende Veränderung der Verhältnisse keine menschenwürdige Gesellschaft zu machen ist.
Der lautstarke antikapitalistische Block auf der Heilbronner Gewerkschaftsdemonstration am 1.Mai war in diesem Sinne und in Kombination mit den vielen revolutionären und klassenkämpferischen 1.Mai- Mobilisierungen an anderen Orten ein richtiges Signal.
Auch die Beteiligung am Versuch von „Blockupy Frankfurt“, das Zentrum der Finanzmetropole lahm zulegen, war ein Schritt in diese Richtung, die es auch im Jahr 2014 zu verfolgen gilt.
Insgesamt wird es im kommenden Jahr darum gehen, neben den notwendigen Abwehrkämpfen gegen Nazis, Rassismus, Kriegstreiber und Sexisten stärker an der Entwicklung unserer eigenen Standpunkte zu arbeiten und diese sichtbar zu machen.
Dass es dazu auch einer verbindlichen und langfristig angelegten Organisierung bedarf, steht für uns außer Frage und war Ausgangspunkt der Diskussionen, die im Sommer dieses Jahres zur Gründung unserer Struktur geführt haben.

Lasst uns gemeinsam den Widerstand gegen die bestehenden Verhältnisse aufbauen!
Für eine starke revolutionäre Linke!
Für ein kämpferisches 2014!

Organisierte Linke Heilbronn (OL), Dezember 2013

 

 


 

Wer wir sind

 

Die „Organisierte Linke Heilbronn“ (OL) ist das Ergebnis eines seit Ende 2012 andauernden Diskussionsprozesses von Aktivistinnen und Aktivisten in Heilbronn.

Beteiligt ist daran die 2009 gegründete Gruppe „Revolutionäre Linke Heilbronn“ (RLHN) und mehrere Menschen, die bisher in antifaschistischen und internationalistisch/antimilitaristischen Teilbereichsgruppen engagiert waren bzw. sind.

Wir wollen gemeinsam am Aufbauprozess einer starken außerparlamentarischen Linken arbeiten, die fortschrittliche Bewegungen gegen Faschismus, Krieg und Kapitalismus mit gestaltet und für eine Perspektive jenseits der bestehenden Gesellschaft steht.

Neben aktivistischen Zusammenhängen und offenen Strukturen braucht eine solche Linke auch eine feste und verbindliche Organisierung, die Kontinuität sicherstellt, an der Weiterentwicklung linker Theorie arbeitet und Strategien und Konzepte entwickeln kann.

Um Sektiererei, Fehleinschätzungen und Alleinvertretungsansprüche zu vermeiden, ist es wichtig, sich beständig mit anderen Akteuren in Bewegungen und Kämpfen auszutauschen. Wir legen deshalb Wert auf die Verankerung unserer Mitglieder in der Praxis und die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen in Bündnissen und Zusammenschlüssen.