[RLP] Videoübertragung: Verhandlungstag endet ohne Klärung des Sachverhalts

Demo gegen das "Braune Haus"

Da die Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz Zweifel an der Zulässigkeit einer Feststellungklage hat, endete der heutige Verhandlungstag ohne eine Entscheidung in der Sache. In Rede stand die Frage ob die Anfertigung von Video-Übersichtsübertragungen durch die Polizei während der Demonstration gegen das „Braune Haus“ in Bad Neuenahr (Rheinland-Pfalz) zulässig gewesen ist.

 

Der anwaltliche Vertreter des Anmelders sieht im anlasslosen Abfilmen der Demonstration durch Kamerawagen der Polizei das Recht auf die grundgesetzlich verbriefte Versammlungsfreiheit, sowie das informationelle Selbstbestimmungsrecht der TeilnehmerInnen beeinträchtigt. Potentielle DemonstrationsteilnehmerInnen könnten sich durch die Kameras davon abgehalten sehen ihr Grundrecht auf Versammlung wahrzunehmen. Zuletzt hatte das VG Berlin unter Rückgriff auf ein Urteil des OVG in Nordrhein-Westfalen der Sichtweise des Klägers zugestimmt. Da Versammlungsrecht Länderrecht ist hat dieses Urteil jedoch nur indirekt Auswirkungen auf die Rechtsprechung in Rheinland-Pfalz.

Im vorliegenden Fall hatte die Polizei beim Kooperationsgespräch dem Anmelder der Antifa-Demo zu erkennen gegeben, dass sie möglicherweise Videoübertragungen (keine Speicherung, sondern nur Liveübertragung) des Demonstrationsgeschehens zur Lenkung des Polizeieinsatzes einsetzen würde. Auf Grundlage dieser Ankündigung, so die Kammer des VG Koblenz heute, hätte der Anmelder ein Eilverfahren vor der Demonstration anstreben können. Da er dies unterließ sah die Kammer keine Grundlage das Verfahren in der Sache zu entscheiden und hierfür eine Beweisaufnahme zu eröffnen.  
Die Klägerseite  hielt dem entgegen im Kooperationsgespräch habe ein Vertreter der Polizei lediglich gesagt er „behalte sich vor“ Videoaufnahmen zu  tätigen. Weil aus dieser Ankündigung alleine nicht zwangsläufig eine strafbare Tätigkeit der Polizei resultieren müsse, stellte diese Aussage für den Kläger zum Zeitpunkt vor der Demonstration keinen hinreichenden Klagegrund dar. Schließlich sind Videoübertragungen und -aufnahmen in bestimmten Fällen gesetzlich zulässig.  

Das tatsächliche Abfilmen stelle für den Anmelder keinen erheblichen (!) Eingriff in sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar, so das Verwaltungsgericht heute weiter. Denn er wüsste, dass die Daten nicht gespeichert werden. Nur bei Speicherung läge ein solcher tiefgreifender Grundrechtseingriff vor, der Vorraussetzung für die durch den Kläger angestrebte Feststellungsklage böte. Des weiteren vertritt die Verwaltungsgerichtskammer die Auffassung, dass ein Demonstrationsanmelder nicht stellvertretend für die zum Nachteil von DemonstrantInnen begangenen Rechtsverletzungen klagen könne.
Der Anmelder prüft nun, ob es aussichtsreich ist gegen die Nichtzulassung der Feststellungsklage juristische Schritte einzuleiten. In einem ersten Schritt wäre dann zu klären, ob der Anmelder stellvertretend für die TeilnehmerInnen wegen Verletzung ihrer Rechte klagen kann. Schließlich übernimmt ein Demonstrationsanmelder auch in anderen Versammlungsmodalitäten stellvertretend für alle DemonstrantInnen die Verhandlung mit den zuständigen Behörden. Nur wenn die Nichtzulassung der Feststellungklage aufgehoben wird, kann über die eigentliche Sache verhandelt werden: ob das anlassunabhängige Abfilmen der Versammlung durch Polizeibeamte gesetzeswidrig ist.

Prinzipiell gäbe es auch die Möglichkeit für TeilnehmerInnen der Demonstration, die nicht am Kooperationsgespräch teilgenommen haben und auch vor der Demonstration keine Kenntnis über die Videoübertragung erlangten, wegen Verletzung ihres Rechts auf Versammlungsfreiheit und der informationellen Selbstbestimmung zu klagen. Die Frist eine solche Klage anzustreben ist jedoch auf die Dauer eines Jahres beschränkt. Diese Zeitspanne ist seit der Demonstration bereits verstrichen.

Die Polizei hatte bei der Versammlung auch zwei mit Handkameras ausgerüstete Einheiten der Polizeihundertschaft vor Ort. Diese Kameras sind stellenweise anlassbezogen eingesetzt worden, um vermeintliche Straftaten zu dokumentieren. Zwei Verfahren wurden wegen Sachbeschädigung bzw. wegen Vermummung eröffnet. Beide Tatvorwürfe ließen sich nicht erhärten. Die Verfahren wurden eingestellt, die Aufnahmen seien gelöscht worden. Bei den Protesten gegen den Neonaziaufmarsch im benachbarten Remagen hatte die Polizei 2012 nach eigenen Auskünften versuchsweise auf den Einsatz von Videoübertragungen verzichtet. Dies habe die polizeiliche Arbeit erschwert. Erfolgt kein Urteil in der Sache ist davon auszugehen, dass die rheinland-pfälzische Polizei bei ähnlichen Versammlungen aus Praktikabilitätserwägungen wieder auf Videoübertragungen zurück greifen wird.