Schülerburschen-Treffen in Hamburg: Säbel, Weißbier, Provokationen

Weißbier und Gelächter: Aus sicherer Entfernung machen sich Burschenschafter auf dem Balkon des Hauses der Hamburger Germania über Gegendemonstranten lustig.
Erstveröffentlicht: 
06.07.2013

Von Amadeus Ulrich

 

Auch Schülerburschenschaften bescheinigen Verfassungsschützer eine rechtsextreme Gesinnung. Für ihr Jahrestreffen finden sie Unterschlupf in einem Hamburger Verbindungshaus - und verschanzen sich hinter blickdichten Vorhängen.

 

Sie kommen im Anzug und mit Sonnenbrille, erkannt werden wollen sie nicht. Fragen beantworten sie nicht, schweigend gehen sie zur Tür des rotbraunen Hauses. Am Balkon flattert eine große Deutschlandflagge, daneben ist ein Plakat befestigt: "Germania...der Fels in der Brandung". Es ist frühmorgens, die Sierichstraße im mondänen Hamburger Stadtteil Winterhude noch ruhig. Weinrote Vorhänge verhindern den Blick ins Innere, ab und an lugt ein jugendliches Gesicht aus den Fenstern.

 

 

Klingeln. Ein Mann mit Burschen-Kappe und Band - eine Art bunter Scherpe - öffnet die Tür. "Verlassen Sie sofort dieses Grundstück", sagt er aus dem Dunklen und hebt drohend die Hand. "Heute gibt es keine Auskunft."

 

Keine Auskunft also. Dabei wäre sicher interessant zu erfahren, was hinter den Vorhängen geschieht. Denn an diesem Samstag findet hier das bundesweite Jahrestreffen völkischer Schülerburschenschaften statt. Der Allgemeine Pennäler Ring (APR), ein Dachverband von 13 derartiger Verbindungen, hat geladen. Weil es der APR in Hamburg an eigenen Räumlichkeiten mangelt, stellt die Germania Hamburg - eine studentische Burschenschaft - ihr großzügiges Haus zur Verfügung.

 

Erst vor zwei Monaten erregten Schülerburschenschaften Aufsehen. Die Chattia Friedberg zu Hamburg trug eine Säbelmensur gegen eine andere sogenannte pennale Burschenschaft aus, damals im Haus der Burschenschaft Germania zu Königsberg nahe der Universität. Die Schülerburschen schlagen in dem Ritual mit stumpfen Säbeln auf ihre nackten Oberkörper - nicht wie die studentischen Burschenschafter auf den Kopf. Auch Minderjährige dürfen teilnehmen. Mit dabei war auch ein Kandidat der örtlichen NPD, der bei der Gelegenheit einen Pressefotografen tätlich angriff.

 

Verfassungsschützer sehen "Bezüge zum Rechtsextremismus"

 

Auch an diesem Wochenende könnte es wieder zu derartigen Säbelduellen kommen. Und wieder organisiert die Hamburger Chattia Friedberg das Ereignis - eine Schülerburschenschaft, der der Hamburger Verfassungsschutz in seinem jüngsten Bericht "deutliche Bezüge zum Rechtsextremismus" bescheinigte.

 

Kein Wunder, denn auch die großen Vorbilder der Pennäler aus der Deutschen Burschenschaft (DB) fallen immer wieder wegen rassistischen und großdeutschen Ansichten auf. In den vergangenen Jahren hat der immer noch größte Dachverband deutschsprachiger Burschenschaften daher einen regelrechten Exodus erlebt - viele nationalliberale Verbindungen haben die DB verlassen.

 

Gegen 9 Uhr an diesem Samstagvormittag rückt die Polizei mit mehreren Einsatzwagen an und sperrt die Straße ab. Wenig später trifft der letzte Burschenschafter am Germanen-Haus ein. Ausnahmsweise verbirgt er sein Gesicht nicht. Doch als ein Journalist ihn fotografiert, geht er auf ihn zu und klatscht seine Hand gegen die Kameralinse. "Dürfen Sie das überhaupt?", fragt er lautstark. Wenig später steht er auf dem Balkon des Verbindungshauses, in der Hand ein Weizenbier. "Ihr solltet mal lieber Bier trinken, ihr Deppen!", ruft er den Journalisten und Polizisten von seinem sicheren Refugium aus entgegen.

 

Offensichtlich stimmten die Gerüchte, wonach sich die Schülerburschen eine Stunde früher getroffen haben als eigentlich geplant. Denn um 10.30 Uhr startet eine Demonstration des Hamburger Bündnisses gegen Rechts gegen das Bundestreffen. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte als Vertretung der Hamburger Lehrer zur Teilnahme aufgerufen.

 

Auch ein Mann Mitte 80 demonstriert gegen die Schülerburschen

 

Sogleich bauen die Demonstranten Lautsprecher auf, beschallen das Germanen-Haus mit Musik. 200 Teilnehmer sollen es laut Polizei werden. "Solche Veranstaltungen haben keinen Platz in Hamburg", ruft ein Wortführer ins Mikro. Vier Männer in Burschenschaftskluft haben sich indes auf dem Balkon versammelt und lachen über die Parolen der Demonstranten. Die halten ein Plakat hoch: "Noch so jung und schon so scheiße!"

 

Der APR vertritt eigenen Angaben zufolge etwa 300 Schülerburschen. In seinem 2005 veröffentlichten "Geleitheft der konservativen Jugend - Identitätssuche, Pflichterfüllung und Rebellion" heißt es ziemlich eindeutig: "Breite deine Flügel über unser ewiges Vaterland und benetze sie mit deinem Schweiß und Blute. Ignoriere die Schwätzer und achte deine Führer!" Sogar ein berüchtigtes Hitler-Zitat aus dem Jahre 1935 zitiert das APR-Heft in leicht abgeänderter Form. Es heißt, die heutige "konservative" Jugend müsse "zäh wie Leder, schnell wie die Windhunde, hart wie Kruppstahl" sein.

 

 

Gegen Mittag füllt sich die Sierichstraße weiter mit Demonstranten. Friedlich halten sie ihre Plakate hoch und brüllen gegen die Ideologie der Schülerburschen an. Als eine Demonstrantin das Wort ergreift und über Frauenrechte spricht, halten die Schülerburschen auf dem Balkon die Pappfigur einer halbnackten Blondine hoch. "Wir haben nix gegen Frauen", feixen die Schülerburschen, die ausschließlich Männer aufnehmen.

 

Zwischen den Demonstranten steht ein Mann Mitte 80. Er hält ein Plakat hoch: "Fremdenhass, Gewalt, Diktatur. Nie wieder 1933". Es sei ihm wichtig, dass viele es sehen, sagt der ältere Herr - besonders die junge Generation.