Am Samstag den 6. Juli 2013 soll in Hamburg das jährliche, bundesweite Treffen des Allgemeinen Pennäler Rings (APR), einem Zusammenschluss extrem rechter Schülerburschenschaften stattfinden. Verantwortlich für das Treffen ist die Naziverbindung Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg(Chattia); Ort des Treffens die einschlägig bekannte Hamburger Burschenschaft Germania (Germania). Erst im April war die Chattia negativ aufgefallen, all sie gegen eine weitere Kieler Schülerverbindung aus dem APR ein Säbel-Duell austrug und dazu auch der Hamburger NPD-Kandidat Björn Neumann erschien, der vor dem Haus einen Presse-Fotografen tätlich angriff.
Nun lädt die Chattia, mangels eigenen Haus, in die Räume der befreundeten Germania aus der Sierichstraße. Wieder wird erwogen eine Säbelmensur zu schlagen, vor allem soll bei dem „23. Pennälertag“ aber die bundesweite Arbeit des APR koordiniert werden.
Der APR – völkisch, elitär, männerbündisch und offen für Neonazis
Momentan gehören dem APR ein Dutzend Schülerburschenschaften, hauptsächlich aus Norddeutschland, an. Diese bezeichnen sich selbst als „national-freiheitliche und wehrhafte Pennalkorporationen“ und bekennen sich zum burschenschaftlichen Prinzip, wie es für die studentischen Verbindungen die rechte Deutsche Burschenschaft vertritt. Gegründet wurde der APR 1990 ursprünglich von fünf Pennalien. Hamburg und Umgebung war gleich mit dreien vertreten, darunter mit der Pennalen Burschenverbindung Teutonia Hamburgiaein Bund über den der Hamburger Verfassungsschutz in einem geheimen Bericht 1993 schrieb, es handele sich bei der Teutonia um eine „eindeutig rechtsextremistische Verbindung“, der „auch ausschließlich Rechtsextremisten angehören.“ Kein Wunder, die Hamburger Teutonen veranstalteten damals mit anderen Burschenschaftern und Neonazis Wehrsportübungen Niedersachsen. Die Teutonia, welche als Kontaktadresse das Haus der Germania angibt, war jahrelang inaktiv, erst vor kurzer Zeit konnte sie neue Mitglieder gewinnen und mischt nun wieder im APR mit.
Ihren eigenen Nachwuchs „keilen“ (werben) die braunen Pennäler außer im rechten Spektrum natürlich an den Schulen, wo sie vertreten sind. „Der Keilbetrieb wird direkt in den Schulklassen umgesetzt, wobei hier leider ein schlechter Zeitgeist herrscht,“ berichtete beispielsweise die Gymnasiale Burschenschaft Germania Kiel. Für ihre Vernetzung, Veranstaltungen, Reisekosten, Schulungen, Werbung aber auch für Säbelklingen und andere Fechtausrüstung erhebt der APR von seinen Mitgliedsbünden jährliche Beiträge, die Kasse des APR enthielt 2012 mehrere Tausend Euro.
Die pennale Mensur
Bei den meisten Schülerburschenschaften des APR müssen die jungen Mitglieder eine Mensur nach der „Linzer Pauk- und Ehrenordnung von 1958“ (LPO) schlagen. Bei den ritualisierten Körperverletzungen wird nicht, wie bei den studentischen Verbindungen auf den Kopf geschlagen, sondern mit stumpfem Säbeln auf den nackten Oberkörper. Die entstehenden Riss- und Quetschwunden bleiben so anschließend unter der Kleidung verborgen, denn Schülermensuren waren früher oftmals verboten. In der LPO ist auch geregelt, wer überhaupt die Säbelduelle austragen darf, Schüler „die das 14. Lebensjahr vollendet haben, sowie alle Personen, welchen der ‚Allgemeine Ehrenkodex’ die Waffenehre zuspricht,“ es „gelten die Bestimmungen des Waidhofner Abkommens.“ Mit dem Waidhofner Abkommen wurde Ende des 19. Jahrhunderts beschlossen, „dem Juden auf keine Waffe mehr Genugtuung zu geben, da er deren unwürdig ist!“ Bei den Pennalien ist der radikale Antisemitismus, den die meisten Verbindungen vom Wilhelminismus bis zum Nationalsozialismus propagierten, bis heute virulent.
Völkische Ideologie
Als quasi programmatische Grundlage veröffentlichte der APR 2005 ein „Geleitheft der konservativen Jugend – Identitätssuche, Pflichterfüllung und Rebellion“. Der schwülstige Text strotzt nur so vom Bekenntnis zu Männerbund, Elite, Führertum und völkischem Nationalismus. „Jugend unseres Volkes!…Erhebe dich aus den Trümmern unserer Zeit, befreie dich von allem, was dich peinigt – breite deine Flügel über unser ew‘ges Vaterland und benetze sie mit deinem Schweiß und Blute … ignoriere die Schwätzer und achte deine Führer!“ heißt es dort im Epilog. Gepriesen wird auch das wohl bekannteste Lied desJungvolks in der Hitler-Jugend (HJ) „Auf hebt unsre Fahnen,“ in dem Werte besungen werden, welche als Vorbild für die Pennäler gelten sollen. Sogar aus Hitlers Rede 1935 vor 50.0000 HJ-Angehörigen wird, allerdings leicht abgeändert zitiert. „Zäh wie Leder – schnell wie die Windhunde – hart wir Kruppstahl,“ so müsse auch die heutige „konservative“ Jugend laut APR-Heft sein.
Ähnlich wie einige studentische Burschenschaften, fielen auch APR-Pennalien immer wieder durch personelle Kontakte nach Rechtsaußen auf, sei es durch Doppelmitgliedschaften, durch Publikationstätigkeiten oder durch Einladungen von braunen Referenten zu Veranstaltungen.
Verhältnis zur Deutschen Burschenschaft
Die völkischen Schüler sind eng vernetzt mit der Deutschen Burschenschaft (DB) und hier besonders mit deren extrem rechten, innerverbandlichen Kartell Burschenschaftliche Gemeinschaft (BG), das immer wieder durch geplante „Arier-Beschlüsse“ in die Schlagzeilen gerät. Die DB-Burschenschaften stellen oft ihre Häuser für die Pennalien des APR zur Verfügung, unterstützten diese finanziell oder ideell und halten mit ihnen gemeinsame Veranstaltungen ab. Die Studentenverbindungen wissen, dass sie sich hier einen verlässlichen, rechten Nachwuchs heranbilden. So war in der Zeitung der DB, den Burschenschaftlichen Blättern 1/2004 zu lesen: „Eine Pennalie als ‚Vorfeldorganisation’ zur Ausbildung des couleurstudentischen Nachwuchses sichert vielen einen vollen Fuchsenstall.“ Füchse nennt man die jungen Anwärter in Burschenschaften. Viele Alte Herren des APR sind dementsprechend Mitglieder in studentischen Burschenschaften und meistens sind es die am äußersten rechten Rand. Prominentester Politiker mit Vergangenheit in einer Schülerburschenschaft dürfte momentan Michael Büge (CDU) sein, der seinen Job als Staatssekretär in Berlin wegen burschenschaftlicher Tätigkeiten verlor. Er war in der APR-Verbindung Iuvenis Gothia aktiv.
Die Organisatoren Chattia Friedberg
Die diesjährigen Hamburger Ausrichter des APR-Tages sind mit der neofaschistischen Szene bestens vernetzt. In der jüngsten Vergangenheit gab es häufige Doppelmitgliedschaften mit der NPD. Gleich zwei Hamburger Chatten verloren wegen neonazistischer Aktivitäten ihren Job als Lehrer bzw. Filial-Leiter einer Bank. Der Banker hatte 2008 einen braunen Bestseller namens „Blutzeugen“ über gefallene NS-Kämpfer in der Weimarer Republik veröffentlicht. Bei Treffen zu denen die Chattia einlud kamen auch schon ehemalige SS-Angehörige, Aktivisten der Kameradschaftsszene, und 2007 mit Klaus Kaping ein verurteilter Holocaustleugner. Ein inzwischen aus der Szene ausgestiegener Chatte war 2010 für den Ordnerdienst der Hamburger NPD aktiv. Mitglieder der Chattia waren in den letzten Jahren häufiger im Vorstand des APR vertreten, sei es als Sprecher oder Kassenwart. Laut Szenekennern waren letztes Jahr Chattia-Veranstaltungen zwar schlechter besucht, dafür machte man aber einige Ausflüge und Besuche in Deutschland. So z.B. im Mai 2012 einen gemeinsamen Wochenend-Besuch mit der Burschenschaft Dresdensia Rugia, zu „Ulex“, einem Alten Herrn der Chattia. Ulex war nicht nur der Spitzname von Propaganda-Minister Joseph Goebbels, sondern ist auch der „Biername“ des Chatten Thorsten Heise. Da in der Chattia auch Nichtakademiker und Frauen Mitglied werden können, wurde auch der langjährige und mehrfach vorbestrafte Nazikader aufgenommen. Ob Heise den Namen Ulex wählte, weil er Geld mit brauner Propaganda verdient, in seinem Verlag erschien auch das Blutzeugen-Buch, ist unbekannt. Auf jeden Fall ist der einer der wichtigsten Anführer der Szene und aktuell Landesvize der Thüringer NPD.
Rechtes Veranstaltungszentrum gemeinnützig und früher finanziell gefördert
Das Haus der Germania in der Sierichstraße ist nicht nur Ort des APR-Treffens, sondern diente in den letzten 25 Jahren immer wieder als Treffpunkt und Veranstaltungsraum für die extreme Rechte. Die vom Inlandsgeheimdienst als rechtsextremistisch geführten OrganisationenDeutscher Freundeskreis und Hamburger Kreis trafen sich hier Anfang bzw. Mitte der 1990er Jahre. In den letzten Jahren waren ins Germanenhaus immer wieder Personen eingeladen, die auch vor der NPD und anderen neofaschistischen Organisationen auftraten. Trotzdem können über den sog. Hausverein der Germanen, das Studentenwohnheim Harry-Lange e.V., der das Haus finanziell trägt und einen weiteren Bonner Verein, die Beiträge der Burschen und Alten Herren von der Steuer als gemeinnützig abgesetzt werden. 2003 finanzierte die Bürgerschaft auf Antrag von Abgeordneten aus CDU, Schillpartei und FDP sogar ein Teil der Renovierung des braunen Hauses aus der Tronc-Abgabe, Einnahmen aus der Hamburger Spielbank, mit 7.500 Euro.
Die Ideologen von der Blauen Narzisse
Aus der Pennalen Burschenschaft Theodor Körner aus Chemnitz, wie die Chattia auch dem Inlandsgeheimdienst schon aufgefallen, kommen mit Felix Menzel und Sebastian Schermaul, zwei wichtige Ideologen der extremen Rechten. Sie schrieben nicht nur an dem „APR-Geleitheft für die konservative Jugend“ mit, sondern gründeten auch 2004 das Print- und Internet-Projekt Blaue Narzisse, das wichtigste neurechte Magazin für Schüler_innen in Deutschland. Menzel war bis 2007 APR-Vorsitzender. Beim 20. APR-Tag 2010 in Eisenach wurde dieBlaue Narzisse dort ausführlich vorgestellt. Viele ihrer Autor_innen sind Mitglieder aus Schüler- oder Studentenverbindungen. Doch Chefredakteur Menzel und sein Umfeld sind auch durchaus praktisch orientiert. Vor einigen Jahren war er ein Wortführer der Konservativ-Subversiven Aktion (KSA), die mit spektakulären Aktionen Veranstaltungen von politischen Gegnern störte. Menzel stellte 2008 das KSA-Konzept, Titel „Mit den gleichen Waffen zurückschlagen,“ in der Hamburger CDU-Zentrale vor. Die Bildzeitung schrieb dazu „Neonazi bei Partei-Seminar.“
2009 kam Menzel erneut nach Hamburg um über Medien zu referieren. Ort war die schlagende Verbindung Landsmannschaft Mecklenburgia Rostock, welche enge Kontakte zu den Germanen pflegt und auch sonst in ihrem Haus mal Referenten hatte, welche nicht gerade das Image demokratischer Konservativer haben. 2012 wurde Medienexperte Menzel zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er eine Bundespolitikerin beleidigt hatte.
Neues Pferd: Identitär
Da das Projekt KSA nicht mehr zog, setzen Menzel, Blaue Narzisse und Konsorten inzwischen auf ein neues Pferd: Die ursprünglich aus Frankreich stammende Identitäre Bewegung. Ihr Anliegen: „Uns Identitären geht es um den Erhalt unserer ethnokulturellen Identität, die heute durch den demographischen Kollaps, die Massenzuwanderung und die Islamisierung bedroht ist.“ Interne Dokumente belegen, dass die Identitären, Wahlspruch „100 % Identitär, 0 % Rassismus “, nicht nur ihren völkischen Nationalismus mit kulturalistischer Verpackung als harmlos verkaufen wollen, sondern gezielt initiiert wurden und somit keine „rechte Graswurzelrevolution“ sind. Anfang Oktober 2012, bevor dieIdentitäre Bewegung Deutschland (IBD) gegründet wurde und ihren ersten Internetauftritt hatte, verlinkte die Germania auf ihrer Facebookseite eine „Kriegserklärung“ (Eigenbezeichnung) der Generation Identitaire dem großen französischem Vorbild. Die Videobotschaft welche die Germanen als „großartig“ empfohlen, wurde bald von youtube für Deutschland gesperrt. Kurze Zeit nach der „Kriegserklärung“ im Germanen-Link wurden die Identitären in Deutschland gegründet. Alles nur Zufall? Am 1. Juli will APR-Burschenschafter Menzel nun in Dresden ein Identitäres Zentrum mit mehreren Räumen eröffnen.
In Hamburg fielen die Identitären vor allem durch Störaktionen wie im Museum für Völkerkunde und gegen eine antirassistische Kundgebung im Stadtteil Horn auf. Letztere Aktion misslang gründlich. Prompt kam danach Manöverkritik von Menzel via Blauer Narzisse. Die Aktionen und die Internetpräsenz der Identitäten, finden auch bei Mitgliedern aus hiesigen Verbindungen Zuspruch. Und so schließen sich die Kreise aus völkischen Pennälern, rechten Akademikern, reaktionären Konservativen, neurechten Ideologen und aktionsorientierten Identitäten. Ein Teil dieses Spektrums wird in Hamburg beim Pennäler-Tag zusammenkommen.