[MV] VS-Bericht: Linke Vereine gewinnen auch in der zweiten Instanz

Das haben sich die Herrschaften in der Schweriner Johannes-Stelling-Straße sicher anders vorgestellt. Die sogenannten Verfassungsschützer und ihr Dienstherr, Innenminister Lorenz Caffier, haben vor dem Oberverwaltungsgericht Greifswald die nächste Schlappe einstecken müssen. Ihre Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgericht Schwerin, welches Anfang des Jahres dafür sorgte, dass drei linke Vereine aus dem VS-Bericht 2011 geschwärzt werden mussten, wies das Gericht zurück. Bei der Band Feine Sahne Fischfilet bestätigten sie hingegen die Entscheidung aus der ersten Instanz.

 

Damit müssen das Peter-Weiss-Haus, der Verein Alternatives Wohnen in Rostock (Awiro) und das Greifswalder Wohn- und Kulturprojekt IKuWo weiterhin aus dem VS-Bericht 2011 geschwärzt bleiben. “Es beruhigt, dass mit der OVG-Entscheidung die Rechte von Vereinen und in diesem Fall kritischer Zivilgesellschaft gewahrt bleiben“ zeigt sich Marit Baarck vom Peter-Weiss-Haus erleichtert und Maximilian Schneider ergänzt: „Die Gerichte sind aktuell die Rettungsanker dieser demokratisch verfassten Gesellschaft. Gäbe es die Gerichte nicht, wäre die Verfassung ohne Schutz. Die Aufgabe des VS ist es nicht, Institutionen und Orte zu überwachen und im VS – Bericht zu diskreditieren. Wenn an diesen Orten gesellschaftkritische Workshops und Veranstaltungen stattfinden dient das einer demokratischen Auseinandersetzung“. Lars Oppelt vom Awiro e.V., der die Jugendbegnungsstätte „Cafe Median“ betreibt, äußerte die Hoffnung, „dass Innenminister Caffier und sein Ministerium die Entscheidung des Gerichts nun endlich akzeptiert und wir dieses Kapitel abschließen können. Dass wir überhaupt, und dann auch noch über zwei Instanzen gegen den VS-Bericht vorgehen mussten, finden wir bedenklich, aber auch bezeichnend“. Auch der Berliner Rechtsanwalt Peer Stolle, der alle drei Vereine und die Band Feine Sahne Fischfilet vertritt, zeigte sich zufrieden: „Der VS hat versucht unverzichtbare Träger der Zivilgesellschaft und anerkannte Institutionen alternativer Jugendarbeit in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Dafür war er bereit die Grenzen dessen was rechtlich zulässig ist zu überschreiten. Es ist wichtig dass das OVG dem einen Riegel vorgeschoben hat.“


Gegenüber Kombinat Fortschritt hieß es weiter, dass der VS zusammen mit seiner Anwaltskanzlei Latham & Watkins versucht habe, die Vereine als “linksextremistisch” darzustellen. Danach habe man mithilfe eines VS-internen Schreiben neue Bewertungen in das Verfahren einfließen lassen wollen, sich dabei jedoch widersprochen. Während der VS die Vereine zuerst lediglich als “Dritte” benannt wissen wollte, ihnen jedoch keinerlei “linksextremistische” Bestrebungen unterstellte, versuchte er diese Sicht nun teilweise zu revidieren. Diese Praxis erklärten die Richter des OVG für unzulässig, da es sich dabei nicht um eine Ergänzung, sondern einen Bewertungswechsel handele.

 

Weniger Grund zur Freude hat die Band Feine Sahne Fischfilet. Sie würdigte der VS in seinem Bericht mit mehr Text, als den NSU und das neonazistische Internetportal MupInfo zusammen. Das OVG bestätigte nun die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Schwerin, wonach FSF dennoch keinen Anspruch auf ein Eilverfahren hätte. In der Sache, also ob die Band nun zu Recht im VS-Bericht aufgeführt wird oder nicht, entschied keines der Gerichte. Dies wäre Gegenstand eines Hauptverfahrens. „Das unser Antrag auf ein Eilverfahren abgewiesen wurde, finden wir natürlich scheiße. Ob wir nun ein Hauptverfahren anstreben werden, welches voraussichtlich erst in ein paar Jahren eröffnet werden würde, werden wir die Tage mit unserem Anwalt bei einem Eis bequatschen. Zunächst einmal freuen wir uns sehr darüber, dass die drei antifaschistischen Projekte aus MV mit ihrem Vorgehen erfolgreich waren. Wir erheben den Pfeffi auf euch, Homies!“ sagte Sänger Monchi gegenüber Kombinat Fortschritt. Die erfolgreichen Vereine wünschen FSF in ihren Pressemitteilungen alles Gute und drücken die Daumen bei allen zukünftigen Schritten.

 

In die Kritik geraten war das Innenministerium auch wegen der Auswahl der Anwaltskanzlei Latham & Watkins. Die international tätige Wirstschaftskanzlei vertrat in den USA auch die Scientology-Sekte. Diese wiederum wird in Deutschland vom Bundesverfassungsschutz als verfassungsfeindlich beobachtet. Auf eine Parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion teilte die Landesregierung mit, dass dieser Umstand dort durchaus bekannt war, man aber weiterhin keinen Grund sähe die Zusammenarbeit zu beenden. Interessant dürften auch die Gesamtkosten werden, die Caffiers Ressort nun für die Verfahren berappen muss. Allein für den Beschwerdeschriftsatz, also nur das erste Dokument der zweiten Instanz, hatte Latham & Watkins 11.400 € erhalten.

 

Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar. Dem Innenministerium bleibt nun die Möglichkeit die Rechtsstreit in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen.