36 Jahre Frauen Lesben Leben in den besetzten Häusern in Köln Ehrenfeld
Am 2. Mai 2013 sind die Häuser in der Marienstr. 19, 21 und 23 in Köln Ehrenfeld 36 Jahre besetzt. Damit gehören wir zu den ältesten Besetzungen in der Stadt. Von vielen immer wieder für tot erklärt, wollen wir das Projekt und seine Ideale am Leben erhalten. Seit die Verteilungskämpfe auch in den besetzen Häusern härter werden, äußern sich Frauen und Männer in Mails oder Flugis zu der Geschichte der Häuser, und hier insbesondere der Marienstr. 21.
Gegen besseres Wissen, oder weil sie es nicht wissen wollen, leugnen sie vehement den Anteil der Frauen. Alles, was nicht in das eigene Weltbild passt, dem Eigennutz oder der eigenen Eitelkeit schadet, wird totgeschwiegen oder geleugnet. Einfache `Sündenbock` Zuschreibungen erfreuen sich großer Beliebtheit. Dagegen wehren wir uns, und wollen versuchen die Geschichte aus Frauensicht zu erzählen. Wir erheben keinen Anspruch auf Wahrheit. Unsere Geschichte ist die Summe vieler unterschiedlicher Geschichten. In dem Sinne freuen wir uns über Erinnerungen und Beiträge von ZeitzeugInnen.
Die Häuser in der Marien- und Lessingstr. wurden im Mai 1977 vom SozialistischeSelbsthilfeKöln Ehrenfeld, als politische Aktion gegen Korruption und Zerstörung billigen Wohnraums, besetzt. Die Wohnungen wurden im Kölner Stadtanzeiger und Express als preiswerter Wohnraum, der an Bedürftige abgegeben wird, inseriert. Daraufhin meldeten sich ganz unterschiedliche Menschen, ArbeiterInnen und Arbeitslose, Psychiatrie Geschädigte, AkademikerInnen, ArbeitsmigrantInnen, politische Flüchtlinge und StudentInnen. Daraus entstand die `wilde Mischung`, die jahrelang für ihre Politik und Aktionen bei der Stadt, Sanierungsbetreibern und Spekulanten gefürchtet war. Anfang der 80er Jahre wurden die `Mariensträfler` von den damaligen AntiImps als Sozialschwärmer belächelt.
Bald nach der Besetzung ziehen auch ehemalige Frauenhausbewohnerinnen ein. Gewalt gegen Frauen und Kinder sollte in den Häusern ebenso wenig Platz haben wie Rassismus. Männer, die gewalttätig gegen Frauen waren, wurden auf die Straße gesetzt. Auch mit Rassismus unter uns mussten wir uns auseinander setzen.
Besetzerinnen arbeiten in den autonomen Frauenhäusern und engagieren sich darüber hinaus vielfältig gegen Gewalt an Frauen. Von Anfang an werden alle Belange der Häuser auf der gemeinsamen MieterVersammlung besprochen und beschlossen. Später übernehmen die HausVersammlungen der jeweiligen Häuser die Aufgabe der MV. Gemeinsame
Versammlungen gab es zu besonderen Anlässen bis 2005. Wir brauchen keinen starken Mann, wir sind selber stark und schlau genug!
Im Dez. 1980 wird die 1. Frauen-WG in den besetzten Häusern in der ansonsten `gemischten` M 21 gegründet, die von einem Teil der BesetzerInnen begrüßt, von anderen bekämpft wird. Da flog schon mal ein Stein in die WG-Küche, wurde versucht Frauen am Einzug zu hindern. Frauen, die sich nicht den hetero-sexistischen Normen unterwerfen als lustfeindlich oder wahlweise Huren beschimpft, tätlich angegriffen bis hin zu Morddrohungen. In die Politik nach außen flossen allerdings feministische Inhalte ein und niemand vertrat offen anti-feministische Positionen. Die Frauen aus der M 21 hielten nicht nur das ´eigene´ Haus in Stand, sondern leisteten einen großen Beitrag zum Erhalt der umliegenden Häuser.
1988 beschloss die HV, der M 21, dass dort nur noch Frauen einziehen sollen. Seitdem sind ausschließlich Frauen, viele davon Lesben, über die HV in die M21 eingezogen. Migrantinnen wurden bei der Wohnungs- oder Zimmervergabe bevorzugt. Wir bemühen uns bei allen Entscheidungen einen Konsens herzustellen. Jede Hausbewohnerin muss immer wieder Kompromisse machen, was manchmal wehtut.
Die gesellschaftlichen Verhältnisse spiegeln sich auch in unserem Haus. Rassismus, Sexismus und Lesbenfeindlichkeit gibt es auch unter uns. Wobei der Rassismus nicht immer von weißen Frauen, Sexismus und Lesbenfeindlichkeit nicht nur von Männern ausgeht. Wir mussten schmerzlich lernen, dass die Realität nicht nur schwarz/weiß ist, sondern viele Zwischentöne hat.
Leider mussten wir auch immer wieder die Erfahrung machen, dass Neubewohnerinnen vor dem Einzug allen unseren Prinzipien zustimmten, sich dann, nach dem Einzug, nicht mehr daran gebunden fühlten, sie boykottierten, verleugneten, uns betrogen, bestahlen.
Das feministische Wohnprojekt, dass von Männern, wie Frauen, in Frage gestellt wird, gäbe es längst, wenn sich nicht immer wieder Männer, (manchmal von Frauen unterstützt) an der Hausversammlung vorbei gewaltvoll ins Haus einnisten würden. Seit ca. 6 Jahren leben 2 Generationen in der FrauenLesben WG. Wir sind unterschiedlich, was unsere soziale, kulturelle Herkunft, politische Erfahrung, Stand der Auseinandersetzung mit Sexismus, Rassismus, Homophobie und weißen Privilegien angeht.
Viele Frauen sind aus den Häusern ausgezogen, oder erst gar nicht eingezogen, weil sie die gewalttätigen Situationen nicht aushalten. Aktuell verhindert die gewalttätige Aneignung von FrauenLesben Raum in der M 21 den Einzug einer Frau aus Afrika und eines Lesbenpaares ohne festen Aufenthaltsstatus. Diese Aktion wird offen anti-feministisch begründet „Hier wird es kein Frauenhaus geben.“
Unvollständige Aufzählung (feministischer) Initiativen und andere Projekte, an denen die Bewohnerinnen der M 21 beteiligt waren, von Ihnen initiiert oder unterstützt wurden seit 1977 bis heute:
- Regionale und überregionalen Häusertreffen ( auch Besetzerinnentreffen)
- Neu Besetzungen
- (Anti)Sanierungsgruppe Ehrenfeld
- Mieterberatung
- Antimilitarismusgruppe
- selbstorganisierte Frauen Selbstverteidigungsgruppen
- bundesweites autonomes Knastgruppentreffen
- Aktionen, Veranstaltungen Demos gegen den Putsch in der Türkei 1980
- Unterstützung der Aktionen von Flüchtlingen – 1. autonome Flüchtlingsgruppe
- Unterbringung von Flüchtlingen
- Zuflucht für von Gewalt betroffene Frauen und Mädchen
- Anti Gen- und Reprotechnikgruppen, bundesweite Treffen
- WenDo Trainerinnentreffen
- Solidaritätsforum für die in der Türkei sexualisiert gefolterten Frauen
- Internationale Frauengruppe; Aktionen gegen Rassismus, Flüchtlingspolitik, Lagerunterbringung,
- Bündnisse zum 8. März und 25. Nov., daraus entstand später Lila in Köln
- Kampagne für die Entschädigung von ZwangsarbeiterInnen bei Siemens
- Veranstaltung für das Recht auf Asyl für verfolgte Lesben (Unterstützung von Lesben aus dem Iran
und Zimbabwe)
- Initiierung von WenDo Gruppen in Brasilien,
- Veranstaltungsreihe `Andere Länder andere Lesben`
- Interkulturelle Theatergruppe
- Veröffentlichung des 1. Buches auf tamilisch zu sexualisierter Gewalt an Mädchen
- Demo und Schutz beim Lesben Frühlingstreffen in Köln
- Organisierung von WenDo Delegationen aus Brasilien,
2012 gründeten 6 Hausbewohnerinnen mit Unterstützerinnen den Verein Mieterinnenselbsthilfe M21.
Präambel: Wohnraum verteuert sich in Köln ständig, billiger Wohnraum ist äußerst knapp. Da Frauen wirtschaftlich diskriminiert sind, haben sie besondere Schwierigkeiten auf den
Wohnungsmarkt. Für allein erziehende Mütter, Alte und Frauen/ Lesben, die in Wohngemeinschaften wohnen wollen, ist es schwierig angemessene und preiswerte Wohnungen zu finden.
Das soziale Umfeld und der Wohnraum sind die zentralen Lebensbereiche. Hier können Frauen Unterstützung und Gemeinschaft, aber auch Gewalt erleben. Deshalb ist es unser Anliegen, Wohnraum zu schaffen, wo Frauen/ Lesben selbstbestimmt und ohne die Androhung von Gewalt leben können.
Das Haus Marienstr. 21 wurde 1977 durch Besetzung vor dem Abriss gerettet. Mit Duldung des Eigentümers und für eine geringe Miete wird es seitdem durch hohen persönlichen Einsatz der BewonerInnen instand gehalten.
Da Frauen in der Hausgemeinschaft seit ihren Anfängen eine tragende Rolle gespielt haben, beschloss die Hausversammlung 1988, dass freiwerdende Wohnungen immer an Frauen vergeben werden sollen. Damit wollen wir einerseits der Benachteiligung von Frauen auf dem Wohnungsmarkt (s.o.) begegnen, und andererseits von Gewalt betroffenen Frauen eine vorübergehend oder längerfristige Wohnmöglichkeit bieten. Dieses Angebot wird von den Frauenberatungsstellen und Frauenhäusern in Köln regelmäßig genutzt.
Auch wenn wir dafür angegriffen werden; einige unseren Wunsch nach einem selbstbestimmten FrauenLesbenLeben als nicht mehr Zeit gemäß bezeichnen, geben wir die Idee eines feministische Wohnprojektes nicht auf.
Wir haben in den letzten Monaten sehr viel Unterstützung erfahren und wünschen uns mehr. Darüber hinaus wünschen wir uns Auseinandersetzungen über:
- Wie können wir unsere Freiräume vor Gewalt und Ausbeutung schützen ?
- Welche Sanktionsmöglichkeiten haben wir jenseits von Polizei und Justiz ?
- über Gewalt an Frauen und TäterInnenstrategien
- über Rassismus, Sexismus und Homophobie ( in der linken Szene)
Unterstützt uns dabei,
- der Ausbeutung von erkämpften (Frauen) Freiräumen zum Eigennutz
- der Verleugnung von Frauenkämpfen und deren Erfolgen entgegen zu treten.
Sagt eure Meinung, diskutiert mit uns, kommt vorbei !
Auch wenn die Situation im Haus im Moment sehr unerfreulich ist wollen wir im Mai an 36 Jahre Hausbesetzung erinnern und mit unseren FreundInnen feiern. Wie und wo werdet ihr noch erfahren.
Mieterinnenselbsthilfe e.V.
Marienstraße 21
50825 Köln
e-Mail: mieterinnenselbsthilfe@riseup.net