Fachhochschule Worms kocht braune Suppe mit Wilhelm Hankel

Collage "Braunes Kauderwelsch für Worms"

Unter dem Sozialdemokraten Karl Schiller war er einst Leiter der Geld- und Kreditabteilung im Bundeswirtschaftsministerium. Mit dem Chefposten bei der  Hessischen Landesbank kamen dann auch diverse Honorar- und Gastprofessuren in Deutschland und den USA. Doch ungeachtet seiner langjährigen SPD-Mitgliedschaft - so richtig heimisch fühlt er sich seit Jahren im Autorentrupp der Jungen Freiheit, bei BüSo, Pro Köln, Jan van Helsings secret.TV oder zur Abwechslung auch mal in der National-Zeitung.

 

Die Rede ist von einem alten Mann, der sich berufen fühlt, die vermeintlich unterdrückten Geheimnisse der Weltverschwörung ans Tageslicht zu bringen, zuvorderst „Deutschlands Ausbeutung durch den Euro“. Seine letzte Sternstunde hatte der Wirtschaftswissenschaftler 1997, als er gemeinsam mit den Kollegen Nölling, Starbatty und Schachtschneider eine Klage gegen den Vertrag von Amsterdam anstrengte, mit der er vor dem Bundesverfassungsgericht letztlich jedoch scheiterte.

 

Dieser Mann heißt Wilhelm Hankel.

 

Zumindest an der Wormser Fachhochschule sind „politisch gewagte Thesen jenseits der eingetretenen Pfade“ (Zitat aus der Einladung) gern gesehen, sofern sie rechts der Mainstreams liegen. Daher war es dem ehemaligen FH-Präsidenten und FDP-Kommunalpolitiker Norbert Varnholt „eine große Freude“, diesem Mann die große Bühne der FH-Aula zu überlassen. Gemeinsam mit dem Wormser Publikumshelden, dem „Eigengewächs“ und Krisenguru Max Otte. Unter dem Titel „Was kommt nach dem Euro und wie sichere ich mein Vermögen?“. Und netterweise gesponsort von der Jungen Freiheit, die auch bundesweit für die Veranstaltung geworben hatte.

 

Die Ankündigung „gewagter Thesen“ traf den Nagel im Grunde ziemlich auf den Kopf, gibt es aus akademischer Perspektive über den Doppelvortrag doch im Grunde nichts, rein gar nichts zu berichten. Deutschland werde systematisch ausgebeutet, von der EU, den Euroländern, überhaupt von der ganzen Welt. Es gelte, die Vorherrschaft des internationalen Finanzkapitals zu brechen, die Globalisierung zu stoppen und Deutschland zu renationalisieren. Rechte Phrasen, nationalistisches, antiamerikanisches, antisemitisches Gewäsch, das so auch aus dem Munde von Holger Apfel oder Querfrontler Jürgen Elsässer stammen könnte. Europa, der Euro als übernationales Friedensprojekt? Lächerlich. Zahlen, Fakten, Argumente: Fehlanzeige. Stimmt nicht ganz - an einer Stelle wurden Zahlen zur kommunalen Finanzlage so offensichtlich falsch benutzt, dass es jedem, der mit Zahlen nicht auf Kriegsfuß steht, den Magen schier umdreht.

 

Die nennenswertesten neuen Erkenntnisse: Euro-Scheine haben eine Landeskennung. Und bei den bevorstehenden Wahlen sollte man sein Kreuzchen schon an der richtigen Stelle machen: bei denen nämlich, die den Euro abschaffen und die Ausbeutung unseres Vaterlandes beenden wollen. Ein Schelm, wem da genau zwei Parteien einfallen: REPs und NPD. Damit die Zuhörer es nicht vergessen, wurde diese Wahlempfehlung im Laufe des Abends noch dreimal wiederholt.

 

Nach frenetischem Applaus durfte auch Otte sein Fanpublikum bedienen. Er habe die Krise ja schon lange kommen sehen. Und sei deswegen so gefragt, dass er zwischen Deutschland und den USA kaum noch Zeit für einen Vortrag in Worms findet. Aber diesmal habe er nicht nein sagen können. Zur Krise? Den Perspektiven? Nun, wie es weitergeht, sei noch nicht absehbar - alles möglich, von Zusammenbruch des Euro bis zum Staatsbankrott. In Bundesanleihen sollte man darum lieber nicht investieren - viel zu wenig Zinsen bei in Wirklichkeit viel zu schlechter Bonität. Gold sei hingegen immer etwas wert. Muss man aber alles individuell sehen.

 

Ganz große Klasse. Die Welt zu Gast in Worms. Der ehemalige Hochschulpräsident Norbert Varnholt, vor Ort auch als FDP-Kommunalpolitiker bekannt, beteuert, welch große Ehre es für ihn ist, Gastgeber sein zu dürfen. Und das an diesem Abend außergewöhnlich große Publikum applaudiert begeistert: ein paar Student_innen, ein paar Journalist_innen, ein paar mit Nationalmannschaft-Schals ausgestatteten Deutschland-Fans unter Hunderten stramm dasitzenden Herrschaften, die die eingangs stapelweise verteilte Junge Freiheit goutierten.

 

Um genauer zu sein: es applaudierten nur rund 90% des Publikums. Ein paar Leute enthielten sich irritiert. Hatte die neu gegründete und vor Ort noch unbekannte Antifaschistische Initiative Worms doch das Feld den Junge-Freiheit-Hostessen nicht ganz überlassen und dem Publikum einen Aufklärungsflyer zukommen lassen. Kein netter Zug von den „noch nicht ganz erwachsenen“ (Hankel) jungen Leuten, die sich dann auch noch erdreisteten, per Diskussionsbeitrag eine inhaltliche Kritik des Vorgetragenen nachzuschieben. Und zugegeben, es gab einiges zu kritisieren. Das wiederum kam nicht so gut an. Am wenigsten bei Gastgeber Varnholt, der schon in den zweiten Satz dazwischenfuhr und nicht aufhörte dazwischenzureden, bis seine Helfer dem unerwünschten Kritiker das Mikro entrissen hatten. Was diesen Antifaschisten (verächtlicher hätte man das Wort kaum aussprechen können) überhaupt einfalle, „einen Menschen, der so viel für das Land getan hat“ zu kritisieren. Wo sie das Hankel doch erstmal nachtun sollten, bevor sie den Mund aufmachten. Die restlichen Publikumsfragen waren schön handzahm: Bundesschatzbriefe ja oder nein, welche Bank zu empfehlen sei usw.

 

Bemerkenswerte Beobachtungen:


1. Zumindest zweimal las Hankel erstarrten Blickes und sichtlich gründlich das verteilte Aufklärungsflugblatt. Offensichtlich sah er keine Möglichkeit, auch nur irgendeinen der geäußerten Vorwürfe zu kontern oder zu entkräften - weshalb er dazu lieber gänzlich schwieg.

 

2. Im Gegensatz zu Varnholt und dem Publikum, gab sich Otte nach Lektüre des Aufklärungsflyers alle Mühe, Distanz zu Hankel aufzubauen. Er saß abgewandt, applaudierte kaum und betonte in seinem Vortrag den einen oder anderen Unterschied zu Hankels inhaltlicher Position. Dass Hankel den Euro rein aus nationalistisch-monetärer Perspektive sieht, ist auch Otte etwas kurz gegriffen. Man soll den Eindruck gewinnen, es sei ihm unangenehm mit Hankel auf dem Podium zu sitzen. Dabei treten die beiden keineswegs zum ersten Mal gemeinsam auf - auch im kommenden November gehören beide zu den Key Speakers der "Edelmetall- und Rohstoffmesse" in München. Auf dieser durchaus ominösen Messe waren sie auch schon letztes Jahr und ihre Beiträge wurden in der Kongressdokumentation verewigt. Die wiederum erschien im einschlägig bekannten, rechts-esoterisch-weltverschwörerischen Kopp-Verlag.

 

3. Die Referentenliste der diesjährigen "Edelmetall- und Rohstoffmesse" verschwand tags darauf von der Messehomepage. Seitdem ist dort nur noch Kurzinfos zu finden. Außer man kennt die URLs der aus der Öffentlichkeit zurückgezogenen Unterseiten. Für den Fall, dass die Seiten nach Veröffentlichung dieses Artikels auf indymedia ganz von der Messehomepage verschwinden sollten, ist die Referentenliste als PDF-Datei beigefügt.

 

4. Dass ein Vortragsabend an der Fachhochschule über 300 Zuhörer_innen findet, ist für Worms nicht an der Tagesordnung. In jeder anderen Situation hätten die zahlreich anwesenden Lokaljournalisten einen großen Artikel mit Bild auf die Lokalseite von Wormser Zeitung, Wochenblatt oder Nibelungen-Kurier gehievt. Aber diesmal gab es Kritik. Und über dem Abend lag vielleicht ja doch ein leichter Hauch von Rechts. Grund genug, die Veranstaltung, auf die man im Vorfeld noch ausführlich hingewiesen hatte, in der Berichterstattung unter den Tisch fallen zu lassen. Nie dagewesen, nie stattgefunden. Rechte? Gibt's in Worms doch nicht!

 

Fazit:


Das akademische Niveau der Veranstaltung war einer Hochschule nicht würdig. Umso bezeichnender, dass einem rechten Demagogen wie Hankel eine akademische Plattform geboten wird. Zumal Hankels Gefährlichkeit sowohl durch die Anschlussfähigkeit in bürgerliche Kreise, als auch durch sein Kooperationsinteresse mit Quer- bzw. Volksfrontlern aus linken Zusammenhängen nicht unterschätzt werden sollte. Spätestens bei nach der mehrfachen Wahlempfehlung für faschistische Parteien hätte die Veranstaltung abgebrochen werden müssen.

 

Dass auch dies nicht geschieht, dass kritische Stimmen abgewürgt werden und kritische Presseberichterstattung qua Connections unterbunden wird, entblößt nicht nur die spezifischen Wormser Verhältnisse. Es ist auch ein gutes Beispiel für typisch deutsche Verhältnisse. Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus gehören eben zu den faschistischen Grundtendenzen inmitten der bürgerlichen Gesellschaft. Es reicht also nicht aus, Szenenazis zu bekämpfen. Für eine effektive antifaschistische Arbeit sind bürgerliche Faschos und die zugrundeliegenden faschistischen Strukturen inmitten der bürgerlichen Gesellschaft eine mindestens ebenso große und ebenso wichtige Aufgabe. Die neugegründete Antifaschistische Intitiative Worms nimmt sich dieser Aufgabe an.

 

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