Kurdistan: Delegationsbericht 17.03.2013

Kurdistan 1

Derzeit befindet sich Aktivist_innen aus Hamburg mit einer Delegation in Nordkurdistan um das kurdische Widerstandsfest Newroz zu besuchen und um sich einen aktuellen Eindruck der Situation vor Ort zu verschaffen. Nach dem sie den 16.03. in der Großstadt Diyabakir verbracht haben, ging ihr Weg nun weiter Richtung Südost-Kurdistan, hoch bis in die schneebedeckten Berge, bis nach Hakkari/Colemerg....

 

Tagesbericht 17.03.2013

Nach einem überwältigenden Frühstück mit den köstlichsten Spezialitäten der Region fuhren wir in unserem Kleinbus los Richtung Hakkari (Colemerg). Durch grüne Wiesen schlängelte sich unser Weg Richtung Südost-Kurdistan hoch bis in die schneebedeckten Berge, der bis kurz vor Colemerg ohne Zwischenfälle verlief.

Während der Fahrt erfuhren wir, dass es auch in diesem Jahr wieder Übergriffe auf einige Newroz-Festlichkeiten gab. So wurde das Fest in Batman von der Polizei und das Fest in Erzurum von türkischen Faschisten in Zusammenarbeit mit der Polizei angegriffen. Außerdem wurden in Istanbul vier Teilnehmer_innen der Newroz-Feier im Stadtteil Zeytinburun mit Messern attackiert und dadurch verletzt.

Erst 40 km vor Colemerg wurden wir zum erste Mal von einer Militärkontrolle aufgehalten, die allerdings lediglich unsere Pässe kontrollieret und uns dann weiterfahren ließ. Entgegen unseren Erwartung waren die Soldaten nicht offensichtlich bewaffnet, traten uns jedoch sehr misstrauisch gegenüber. Dies machte sich dadurch bemerkbar, dass die Soldaten uns über unsere Hintergründe ausgefragten und den türkisch-sprechenden Teil unserer Delegation in Einzelgespräche verwickeln wollte.

Die zweite Kontrolle erfolgte 10 km vor Colemerg und wurde von Polizeikräften einer Spezialeinheit durchgeführt. Die Polizisten waren schwer bewaffnet, ließen uns am Straßenrand anhalten und versuchten durch Smalltalk an Informationen zu gelangen. Nachdem sie unsere Pässe kontrolliert hatten, ließen sie uns jedoch gleich weiterfahren.

In Colemerg angekommen, wurden wir sofort von den Freund_innen in der BDP-Zentrale herzlich begrüßt und eingeladen, sie zu einem Stadtteil-Newrozfest am Vorabend der großen Festlichkeiten zu begleiten.

Mitten auf der Straße wurden zwei hohe Feuer entzündet, um die bereits bei unserer Ankunft viele Menschen ausgelassen zu Live-Musik im Kreis tanzten. Es war eine fröhliche und ausgelassene Stimmung, bei der sowohl kleine Kinder wie auch ältere Menschen gemeinsam feierten.

Wir wurden von vielen Festteilnehmer_innen begrüßt und dazu eingeladen mit ihnen zu tanzen.

Nach dem Fest, haben wir die Möglichkeit bekommen, die Co-Vorsitzende der BDP, Gülten Kisanak, zu begrüßen. Wir trafen sie und weitere Genossinnen und Genossen in einem Hotel, tranken dort einen Tee, führten kurze herzliche Gespräche und durften ein paar Fotos machen.

Als wir Abends noch eine Suppe in einem Restaurant neben unserem Hotel essen waren, konnten wir feststellen, dass das Militär und die Polizei sich über unsere Anwesenheit und auch unseren Aufenthaltsort in Colemerg bewusst sind. So wurde ein gepanzertes Militärfahrzeug vor unser Hotel gewunken. Nachdem mehrere bewaffnete Polizisten einer Spezialeinheit kurz aus dem Fahrzeug stiegen, hielt der Wagen noch einmal demonstrativ für ein paar Minuten direkt vor dem Restaurant, in dem wir uns befanden und wir wurden beobachtet.

Die Präsenz von bewaffneten Militäreinheiten ist in Colemerg weitaus größer, als sie es in Amed ist. Militär- und Polizeifahrzeuge patrouillieren ohne Unterbrechung durch die Straßen. Das hängt damit zusammen, dass dies einerseits eine Region ist, in der die Guerilla sehr stark vertreten ist und viele Aktionen durchführt und andererseits weil die Bewegung hier nach Angaben der Freund_innen noch stärker in der Bevölkerung verankert ist. So bekam die BDP bei den letzten Kommunalwahlen etwa 96% der Stimmen. Nichtsdestotrotz ist festzustellen, dass die Präsenz der Polizei und des Militärs rund um die Feierlichkeiten im Vergleich zu den letzten Jahren deutlich abgenommen hat. Die Regierung scheint bemüht zu sein Auseinandersetzungen mit Kurd_innen oder ein all zu offensichtliches Einschüchterungsverhalten vermeiden zu wollen. Im Kontext der momentan stattfindenden Friedensgespräche zwischen der Türkei und der kurdischen Bewegung scheint dies im Sinne aller beteiligten Parteien zu sein. Doch viele Menschen vor Ort teilten uns mit, dass sie wenig Vertrauen in einen positiven Ausgang der Verhandlungen haben. Sie glauben nicht daran, dass die Signale der Türkei den Konflikt beizulegen mit dem dafür nötigen Willen und der vor allem dafür nötigen Bereitschaft den Kurd_innen endlich mehr Rechte und Autonomie zuzustehen einhergehen.

Mit vielen neuen Eindrücken, die es erst mal zu verarbeiten und einzuordnen gilt, gingen wir spät ins Bett.

Unten findet ihr schon Bilder von der Newroz-Feier in Colemerg/Hakkari

Am Mittwoch findet eine Newroz-Demonstration in Hamburg statt!
20. März | 16:30 | Dammtor -> Aufruf unter: http://atesh.blogsport.eu/2013/03/17/newroz-demonstration-in-hamburg-am-...
Hoch die internationale Solidarität