Zur Mobilisierung gegen den Polizeikongress

 

Als Zusammenhang, der nicht eingebunden war in die konkrete Vorbereitung der Demo gegen den Polizeikongress, haben wir uns trotzdem gerne an der inhaltlichen Mobilisierung beteiligt.
Angesichts der Misere der undogmatischen, autonomen Linken in der Stadt, waren und sind wir begeistert von der offensiven Ausrichtung der Mobilisierung.

Praktische autonome Interventionen (wir subsumieren mal der Einfachheit willen unter dem Begriff autonom auch all jene, die sich nicht explizit als Autonome verstehen) kommen, von nächtlichen Kleingruppenaktionen abgesehen, meistens nur noch im Gefolge mehr oder weniger staatsferner Proteste daher (Antifa/ Flüchtlinge/ Miete- Gentrifizierung).

Krudeste Bündnispolitik bis ins SPD Spektrum, Unterordnung unter die Entwürfe und taktischen Vorgaben von Bewegungsmanagern und ihren zahllosen Organisationen und Netzwerken.
Protestbewegungen sind heute häufig die start ups gesellschaftlicher Transformationsprozesse, die den ganzen Laden letzendlich am Laufen halten.
Am Ende sitzt der SPD Oberbügermeister neben dem Antifa bei der Blockade des Naziaufmarsches, der Mieteraktivist neben dem Staatssekretär auf der mietenpolitischen Konferenz.

In einer Gesellschaftsordung, die ein unglaubliches Geschick darin entwickelt hat, fast alles an Opposition zu absorbieren, bleibt nur der frontale Agriff auf die Eigentumsverhältnisse und den Apparat, der das Bestehende bewaffnet absichert, als letzte Option der Revolte.

Das sich am Samstagabend um die tausend Menschen zu einer unangemeldeten Demonstration am Mariannenplatz versammelt haben, halten wir angesichts der Umstände für beachtlich.
Zur unangemeldeten Demo anlässlich des 10. Jahrestages der Ermordung von Carlo, die mitten im Sommer stattgefunden hatte, waren bei wesentlich umfangreicherer Mobilisierung die gleiche Anzahl an Menschen zusammengekommen.

Auch musste jede/r bei den offensiven Ansagen unserseits, dem Thema "Bullenkongress", angesichts der Hetze des Verfassungschutzes im Vorfeld des "schwarzen Februars", den Erfahrungen des letzten Jahres in der Rigaer, sowie der örtlichen Gegebenheiten des Ortes Mariannenplatz mit einer Kesselung und massiven Attacken durch die Bullen rechnen.

Entsprechend waren auch alle pünktlich und nicht vereinzelt erschienen.
Wir fanden das Anfangstempo in der Mariannen und Oranienstrasse etwas zu schnell, besonders die Zwischensprints überflüssig. Wenn alle eh angespannt sind und Adrenalin im Übermass ausschütten, hilft es, ohne Hektik zu agieren, macht es auch für alle einfacher sich zu orientieren und ggf. zu koordinieren.

Dass die Bullen sich an diesem Abend für eine Strategie entschieden haben, uns zuerst ohne Behinderung sammeln und loslaufen zu lassen, zeigt, dass ihnen auch nicht klar war, wie sich das Ganze entwickeln würde und ob sie das so einfach in den Griff bekommen würden.

Den massenhaften direkten Angriffen der Bullen hatten wir als Demo in dieser Form nichts entgegen zu setzen, auf der Skalitzer brach weiter hinten, die Bullen im Nacken, fast Panik aus, alle beeilten sich weiter nach vorne zu kommen, um nicht unter den letzten zu sein, organisierte Versuche, die Bullen auf Abstand zu halten. gab es hier nicht.
Gas gaben die Bullen auf der Skalitzer aber erst, als der Sack an der Ecke Mariannen/Skalitzer zugemacht wurde.

Wild prügelnde Bullen von drei Seiten, die organisierteren Zusammenhänge an der Demospitze schon auf dem Rückzug in Höhe Heinrichplatz.
Wilde Flucht über-und -durcheinander, die 20 Leute an der Mauer in der Mariannen waren wohl eher ein "Zufallsfang" der Bullen, weil die vordersten Prügeleinheiten schneller vorgestossen waren, als alle an dieser Stelle flüchten konnten.
Am Heinrichplatz dann zeigte sich endgültig, wie gut die Bullen aufgestellt waren, Bulleneinheiten blockieren die Oranienstrasse, für viele bleibt nur der Weg zurück Richtung Mariannenplatz.
Von da an allgemeine Auflösung, grössere und kleinere Gruppe ziehen in verschiedene Richtungen, einiges läuft noch, darunter klasse Sachen wie an der Bundesdruckerei oder vor der Bullenwache in Neukölln, angesichts der Masse an Leuten eher wenig.

Die Bullen, die mit fast 1200 Leuten (Kandt hat heute im Innenschauss die Zahlen noch mal nach oben korrigiert) im Einsatz waren (alles Berliner? In 36 waren jedenfalls nur die üblichen Hundertschaften zu sichten), machten nun dass, was sie am besten können und über Jahrzehnte einstudiert haben: An zentralen Plätzen in 36 aufzufahren und dazwischen kleinere Bulleneinheiten abgesessen und in den Fahrzeugen patrouillieren zu lassen, um jede grössere Ansammlung zu verhindern.
(In diesem Zusammenhang finden wir es von Interesse, wie es in Friedrichshain weiter gegangen ist, von der einen Tickermeldung über 300 Leute in der Krossener Strasse und den Bullenmeldungen über "Versuche bis in die Morgenstunden, sich zu Spontanversammlungen zusammenzufinden, was aber unterbunden wurde", abgesehen, haben wir nichts dazu gehört)

Zusamenfassend lässt sich aus unserer Sicht sagen, dass angesichts der Zahlenverhältnisse in 36 nicht viel drin war, ein Umschlagen in Strassenkämpfe hätte wesentlich mehr Entschlossenheit und wohl auch Vorbereitung gebraucht, z.B. muss das schnelle Patrouillieren der Bullen per Fahrzeug durch effektive Barrikaden unterbunden werden.

Und auch dann hätten wir wohl einen sehr hohen Preis dafür gezahlt, aber an diesem Punkt sind wir in Berlin eh nicht.

Wenn wir also damit rechnen müssen, dass unsere unangemeldeten Demos massiv zerschlagen werden (und die Bullen haben seit der Carlo Demo einiges dazu gelernt, damals waren nur 400 Bullen im Einsatz, die nicht in der Lage waren, dass ganze Terrain zu kontrollieren), brauchen wir einen Plan B.
Der hiess in diesem Fall Plan C, dezentrale Aktionen. Nur hatten das wohl nur wenige auf dem Schirm, uns eingeschlossen.

Auch wir haben uns im Vorfeld vor allem mit der Fragestellung beschäftigt, wie kommen wir unter welchen Umständen auf den Mariannenplatz, was machen wir, wenn wir nicht rauf, oder schlimmer, nicht runter kommen, wie geht es danach in 36 weiter.
Die Ankündigung von Plan C im Vorfeld der Mobilisierung , insbesondere die verlinkten Erinnerungen an die dezentralen Liebig Geschichten, waren uns eher eine Drohung in Richtung Bullen, damit diese die Demo aus Angst vor Kontrollverlust laufen lassen, als eine gewünschte massenhafte Option. Hier gilt es für uns alle zu lernen.

Den Ticker während des Abends fanden wir wenig hilfreich, dürfte auch eher ein passives Abwarten auf "Anweisungen" fördern, als zur Koordierung dienen, die Bullen haben den eh auf dem Schirm und "Liveberichterstattung" finden wir in diesem Fall überflüssig.

Wir werden uns an dieser Stelle nicht an den Diskussionen um die Fotografengeschichten, noch um Mackertum, zerbeulte Anwohnerautos, etc. beteiligen.
Im Zusammenhang mit einer insgesamt doch positiven und zielgerichteten militanten Intervention dienen sie nur der Ablenkung vom eigentlichen Gehalt , zielen auf die Selbstentwaffnung einer radikalen Linken.

Dazu bedarf es nicht einmal des Trollwesens des Internets.
Schon nach der 1. Mai Demo 1989, bei der zielgerichtet diverse Geschäfte und Banken entglast und geplündert wurden, geisterte immer wieder ein angezündeter Container am Rande des Geschehens durch die kritischen Stellungnahmen, wurde der beschleunigte Rückzug ganzer Hundertschaften im Steinehagel rund um den Lausitzer Platz am Nachmittag und Abend denunziert, um nun endlich mal über Mackermilitanz diskutieren zu wollen. An den Kämpfen beteiligte Frauenbanden haben schon damals alles notwendige dazu gesagt.

Wir danken Allen aus der Vorbereitung, allen Einheimischen und Angereisten, Allen, die sich vorbereitet und Allen, die sich spontan angeschlosen haben. Solidarische Grüsse an die Verletzten und Jene, die nun von staatlicher Repression betroffen sind.

Nichts ist zu Ende - Alles geht weiter

 

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Vielen Dank für diesen wunderbar konstruktiven Text!!!!

Wunderbar!

als die letzten von der skalitzer in die mariannen geprügelt wurden haben die massen an der ecke 2 fahrräder von unbeteiligten unter sich begraben und es sind auch mehrere drüber gestürzt, das ganze hatte schon was von panik. glücklicherweise konnten gestürzte hochgezogen werden. der "zufallsfang" eben an dieser ecke (ein paar meter schon in der mariannen drinne) mit den 20 gekesselten falls im artikel dieser gemeint ist rührte daher, der wurde übrigens aber nach kurzem wieder aufgegeben.

Ich finde es schön, dass doch soviele entschlossen wirkende Leute am Samstag den Weg nach Kreuzberg gefunden haben. Jedoch sind Aussagen wie "Wir werden uns an dieser Stelle nicht an den Diskussionen um die Fotografengeschichten, noch um Mackertum, zerbeulte Anwohnerautos, etc. beteiligen.
Im Zusammenhang mit einer insgesamt doch positiven und zielgerichteten militanten Intervention dienen sie nur der Ablenkung vom eigentlichen Gehalt , zielen auf die Selbstentwaffnung einer radikalen Linken" ein Armutszeugnis. Die Radikale Linke ist kein Selbstzweck, keine Subkultur und keine Selbstbespaßungsagentur gelangweilter Jugendlicher, sondern der Versuch die Totalität des Kapitals zu überwinden und eine solidarische Gesellschaft einzurichten. Deshalb gehört Selbstreflexion und Selbstkritik notwendigerweise dazu. Es geht schließlich nicht um Identität, sondern um Emanzipation.

 

Was zu hinterfragen ist: inwieweit ein Polizeikongreß relevant genug ist, um so viele Menschen der Repression und der gefahr verheerender Körperverletzung auszusetzen? Es ist legitim und äußerst nachvollziehbar, wenn der angestaute Frust gegen die Polizei herausgelassen wird. Die ganzen Mühen, die sich vor Samstag und am Samstag gemacht wurden, um das Geschehne real werden zu lassen, wären bei einem Ereignis angebrachter gewesen, das mehr Bezug zu sozialen Kämpfen hat. Man denke nur an die Zwangsräumung letzten Mittwoch bzw die Miet- und Hauskämpfe oder die Krisenproteste in Spanien und Griechenland. Randale als Selbstzweck ist identitäre Scheiße, ist Hooliganismus. Hat nichts mir linksradikaler Politik zu tun.

 

Trotzdem war der Samstag vielleicht ein Anfang und ein Aufbruch zu offensiveren Zeiten.

 

Staat, Nation und Kapital in die Tonne treten!

... und immer so wie's gerade passt

 

Ereignis Polizeikongress:

"Die ganzen Mühen [...] wären bei einem Ereignis angebrachter gewesen, das mehr Bezug zu sozialen Kämpfen hat. Man denke nur an die Zwangsräumung letzten Mittwoch bzw die Miet- und Hauskämpfe oder die Krisenproteste in Spanien und Griechenland. Randale als Selbstzweck ist identitäre Scheiße, ist Hooliganismus. Hat nichts mir linksradikaler Politik zu tun."

 

Ereignis Zwangsräumung:

"Die ganzen Mühen [...] wären bei einem Ereignis angebrachter gewesen, das mehr Bezug zu sozialen Kämpfen hat. Man denke nur an den Polizeikongress letzten Sonntag bzw die Miet- und Hauskämpfe oder die Krisenproteste in Spanien und Griechenland. Randale als Selbstzweck ist identitäre Scheiße, ist Hooliganismus. Hat nichts mir linksradikaler Politik zu tun."

 

Ereignis Krisenproteste in Spanien und Griechenland:

"Die ganzen Mühen [...] wären bei einem Ereignis angebrachter gewesen, das mehr Bezug zu sozialen Kämpfen hat. Man denke nur an die Zwangsräumung letzten Mittwoch bzw die Miet- und Hauskämpfe oder den Polizeikongress. Randale als Selbstzweck ist identitäre Scheiße, ist Hooliganismus. Hat nichts mir linksradikaler Politik zu tun."

 

Ereignis Miet- und Hauskämpfe:

"Die ganzen Mühen [...] wären bei einem Ereignis angebrachter gewesen, das mehr Bezug zu sozialen Kämpfen hat. Man denke nur an die Zwangsräumung letzten Mittwoch bzw den Polizeikongress oder die Krisenproteste in Spanien und Griechenland. Randale als Selbstzweck ist identitäre Scheiße, ist Hooliganismus. Hat nichts mir linksradikaler Politik zu tun."

B-DL-761 B-HP-2643 B-PI-863

nur eine kleine auswahl, für dieses event hat die berliner polizei offenbar auf einiges an fuhrpark zurückgegriffen was die zivil-fahrzeuge angeht.

Aus der  Anmeldung

 

"a) Auf polizeilicher Seite regiert Vernunft und sie lassen uns in Ruhe demonstrieren."

 

Aus dem Bericht

 

"Dass die Bullen sich an diesem Abend für eine Strategie entschieden haben, uns zuerst ohne Behinderung sammeln und loslaufen zu lassen, zeigt, dass ihnen auch nicht klar war, wie sich das Ganze entwickeln würde und ob sie das so einfach in den Griff bekommen würden."

 

Immer wie es passt, oder?

 

Euer Text wurde als "selbstkritisch"  im Internet angepriesen, lesen tu ich ne unreflektierte Selbstbeweihräucherung.

 

"Wir werden uns an dieser Stelle nicht an den Diskussionen um (...), noch um (...), etc. beteiligen. Im Zusammenhang mit einer insgesamt doch positiven und zielgerichteten militanten Intervention dienen sie nur der Ablenkung vom eigentlichen Gehalt , zielen auf die Selbstentwaffnung einer radikalen Linken."

 

Ja, so ist das mit Selbstreflektion. Sie steht dem "Augen zu und durch" im Weg. Aber schön, dass die Polizei jetzt ein Argument mehr hat, um Überwachung im öffentlichen Raum legitimieren zu können. "Gehalt". Glaubt Ihr das selbst? Ich befürchte es.

 

Dass sich so viele beteiligt haben, ist auch ungemeiner Erfolg. Da der Konsens ja sinnlose Zerstörungswut im Zeichen der Anonymität zu sein schien, ist das auch keine Leistung, einen Konsens zu erhalten. Inhaltlicher Konsens wäre demoübergreifend eine intellektuelle Leistung. Aber schön, dass Ihr Euch gut fühlt.

Hier ist die Antwort, warum die Bullen die Demo loslaufen lassen mussten und warum sie sie später geprengt haben:

 

"Eine Versammlung verliert den Schutz des Art. 8 GG grundsätzlich bei kollektiver Unfriedlichkeit. Unfriedlich ist danach eine Versammlung, wenn Handlungen von einiger Gefährlichkeit wie etwa aggressive Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen oder sonstige Gewalttätigkeiten stattfinden, nicht aber schon, wenn es zu Behinderungen Dritter kommt, seien diese auch gewollt und nicht nur in Kauf genommen (vgl.BVerfGE 73, 206 <248>; 87, 399 <406>; 104, 92 <106> ). Der Schutz des Art. 8 GG besteht zudem unabhängig davon, ob eine Versammlung anmeldepflichtig und dementsprechend angemeldet ist (vgl.BVerfGE 69, 315 <351>; BVerfGK 4, 154 <158>; 11, 102 <108>). Er endet mit der rechtmäßigen Auflösung der Versammlung (vgl. BVerfGE 73, 206 <250>)."

wenn du richtig liest, wirst du merken das dieser zusammenhang der den text hier geschrieben hat nichts mit den vorbereiteten zutun hat...

aber immer schön erst mal kritisieren. ihr indyspamer...