Latakia ist die größte Hafenstadt Syriens und hat fast eine Millionen EinwohnerInnen. Schon früh nach Beginn des Aufstands gründete sich hier ein Komitee, um die Proteste zu organisieren. Trotz zweier größerer Zwischenfälle im Lauf des letzten Jahres blieben die AktivistInnen kreativ: Vor dem Bahnhof in Latakia fand die erste große Sitzblockade des Aufstands statt. Mehr als 8.000 Menschen werden in der ethnisch und religiös durchmischten Region gesucht - darunter fast alle AktivistInnen des Komitees.
Ende letzten Jahres haben wir von Adopt a Revolution einen Betrag von
2.100 € erhalten – unser Bedarf ist aber leider viel größer. Trotzdem
versuchen sich die Mitglieder des Komitees so professionell wie möglich
zu verhalten. Über den von allen Mitgliedern des Komitees gewählten
Vorstand stimmen wir alle drei Monate neu ab. Die AktivistInnen können
selbst entscheiden, in welchem Bereich sie aktiv werden möchten – je
nach persönlicher Kompetenz. Diese Bereiche nennen wir “Büros”. Es gibt
das Kommunikationsbüro, das Hilfsbüro, das medizinische Büro und das
Büro für Statistik. Außerdem ist eine große Gruppe von AktivistInnen auf
der Straße in den Feldteams aktiv.
Das Komitee Latakia besteht
insgesamt aus ca. 200 AktivistInnen. Fast ein Drittel davon ist online
im Medienbereich tätig. Ihre Aufgabenfelder sind das Verbreiten von
Fotos und Videos aus Latakia, die Kommunikation mit verschiedenen Medien
sowie den Außenauftritt des Komitees zu gestalten. Der Rest der
AktivistInnen sind direkt auf der Straße aktiv. Sie organisieren die
Demonstrationen, besorgen lebensnotwendige Bedarfsgüter für Flüchtlinge
und vieles mehr. Obwohl wir immer extrem vorsichtig agieren und maximale
Sicherheitsvorkehrungen treffen, sind zahlreiche unserer Mitglieder
zurzeit in den Gefängnissen des Regimes. Einer unserer Aktivisten, Hasan
Azhari, starb nach einem Monat Haft an den Folgen der Folter.
Zu
unserem Komitee gehören auch viele AktivistInnen im Ausland. Manche
haben schon vor der Revolution dort gelebt, andere sind erst später aus
Syrien geflohen, weil sie von den Sicherheitskräften des Regimes
verfolgt wurden. Ihre Namen waren aufgrund ihrer revolutionären
Tätigkeit an allen Checkpoints des Militärs bekannt, sodass sie das Land
schließlich verlassen mussten. Die AktivistInnen im Ausland spielen
eine wichtige Rolle dabei, mit internationalen Organisationen zu
kommunizieren. Außerdem kommen sie mit Teilen ihrer privaten Gehälter
für die Ausgaben unseres Komitees auf und unterstützen so maßgeblich
unsere Arbeit.
Wegen der strengen Sicherheitskontrollen von
Seiten des Regimes ist die Situation für die AktivistInnen sehr
kompliziert. Die Sicherheitskräfte haben jeden im Verdacht, Teil der
Revolution gegen das Regime zu sein. Das schränkt die Bewegungsfreiheit
der AktivistInnen extrem ein – egal in welchem Bereich sie tätig sind.
Alle laufen ständig Gefahr, festgenommen zu werden, denn kaum jemand
steht nicht auf den Fahndungslisten. Auch die konfessionelle Pluralität
in Latakia trägt eher zu einer angespannten Stimmung in unserer Stadt
bei, da sich diejenigen aus den verschiedenen Gruppen, die sich nicht
explizit zur Revolution bekannt haben, noch immer kritisch gegenseitig
beäugen. Deshalb muss der Plan, aktuell eine Demonstration zu
organisieren, ein Tagtraum bleiben. Um die AktivistInnen so wenig wie
möglich zu gefährden, konzentrieren wir uns momentan auf Medien- und
Hilfsarbeit, sowie auf medizinische und juristische Tätigkeiten.
Im
Bereich der Hilfsarbeit finden die meisten Aktivitäten innerhalb der
Stadt statt. Über ein geheimes Netzwerk freiwilliger HelferInnen
versuchen wir aktuell ca. 10.000 Familien zu unterstützen. So konstant
wie möglich versorgen wir sie mit Nahrungsmitteln und kleineren
Geldbeträgen. Die Mehrheit dieser Familien sind die Angehörigen
Getöteter, Verhafteter und Vermisster sowie Flüchtlinge. Transparenz ist
dabei ein Grundprinzip unserer Arbeit und ein hohes organisatorisches
Niveau ist uns sehr wichtig. Deswegen haben wir auch unsere eigene
Software für die verschiedenen Bereiche des Rechnungswesens entwickelt.
Unser strenges System erlaubt es uns, die Aufwände klar nachvollziehen
zu können, ebenso wie die Familien und Individuen, denen die
Unterstützung zu Gute kamen. Im medizinischen Bereich konzentrieren wir
uns darauf, Feldkrankenhäuser logistisch auszustatten und die
Freiwilligen in medizinischen Grundlagen auszubilden.
Die Medien
spielten und spielen bei den friedlichen Protestbewegungen in der Welt
und besonders im arabischen Frühling ein große Rolle. Dieser Tatsache
sind wir uns bewusst, weswegen wir versuchen, unsere Kommunikationsbüros
immer gut auszurüsten. Dabei geht es besonders darum,
Kommunikationsunterbrechungen durch den Ausfall des Internets zu
vermeiden. Durch unser Kommunikationsbüro und dank eines geheimen
Netzwerks von AktivistInnen inner- und außerhalb der Stadt erhalten wir
Nachrichten aus erster Hand – und unser Komitee ist damit eine der
wichtigsten Informationsquellen im Bezug auf Nachrichten aus Latakia und
der befreiten Umgebung.