Berliner Staatssekretär ist aktives Mitglied in schlagender Burschenschaft

Erstveröffentlicht: 
28.11.2012

Aus Sicht der Berliner Wissenschaftsverwaltung sind Burschenschaften an Berliner Hochschulen unerwünscht. Das gilt offenbar nicht für den Berliner Senat. Michael Büge, Staatssekretär für Soziales ist Mitglied der Gothia und lebt das munter aus. Jüngst hat er einen Vortrag zu “Die demographische Entwicklung – sozialpolitische Risiken und Chancen” im Rahmen eines Burschenschaftlichen Abends gehalten. Der nächste Referent ist dann ein Redakteur der Jungen Freiheit und vor Jahren durfte auch schon der heute inhaftierte Rechtsextremist Horst Mahler seine extrem rechten Positionen dort vortragen. 

Von Anja Schillhaneck und Clara Herrmann

 

Im Internet findet sich ein Foto auf dem der Staatssekretär in „Couleur“ mit orangener Mütze und gestreiften Bändern zu sehen ist. Das macht die Burschen scheinbar stolz. So schreiben die Burschenschaftlichen Blätter zu Staatssekretär Büge: “Büge ist einer der wenigen deutschen Spitzenpolitiker der Gegenwart, der auch in der Öffentlichkeit stets zu seiner Mitgliedschaft in einer Burschenschaft gestanden hat. Es ist nahezu unmöglich, ein offizielles Foto von ihm ohne Burschenschafternadel zu finden.”.

 

Die Gothia ist eine pflichtschlagende Burschenschaft, Mitglied des Dachverbands Deutsche Burschenschaft (DB) und Mitglied der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG), dem organisierten rechten Rand der Burschenschaften. Die Mitgliedsburschenschaften der BG trennt vom Rest der Burschenschaften der DB u.a. die Pflichtmensur. Das ‚Fechten‘ wird überhöht und als Mutprobe zelebriert, an der sich nach Meinung der in der Burschenschaftlichen Gemeinschaft organisierten scheidet, wer dazu gehört und wer nicht – das archaische Ritual als „Treuebeweis“.

 

Das ist aber nur einer der Punkte, die für mehr als nur Irritation sorgen. Im Selbstverständnis der Organisation heißt es: „Weiterhin unterstützt die Burschenschaftliche Gemeinschaft den volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff ohne Rücksicht auf staatliche Gebilde und deren Grenzen.“ Logisch daraus folgend muss, wer Burschenschafter werden will, Deutscher sein – und zwar, so offenbar die herrschende Meinung, per biologischer Abstammung.

 

Man bekennt sich darüber hinaus zu einem „Europa der Nationen“, legt aber gleichzeitig Wert auf die Feststellung, dass „keine freiwillige Abtretung der Ostgebiete“ stattgefunden habe, und somit ein Bruch des Völkerrechts vorliege. In den Burschenschaftlichen Blättern, dem Verbandsorgan der Deutschen Burschenschaft, wird munter Stimmung gemacht von einzelnen Autoren gegen das „Orwellsche Sprachdiktat“ der political correctness oder „die Gender-Bewegung“, die eine „massive Bedrohung der Freiheit“ geworden sei. Und zu guter Letzt ist natürlich klar: Die DB sind die Guten, denn auch am Wochenende, beim außerordentlichen Burschentag habe sich, so ihre Pressemitteilung, wieder einmal gezeigt, „daß [sic!] Terror in erster Linie von linker Seite kommt, während die in den Medien so oft gescholtenen Burschenschafter sich stets auf dem Boden der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung bewegen“.

 

Wer von solchen Formulierungen stark an die Sprache der Neuen Rechte oder auch, wo es um Positionen zu Europa geht, an die der ‚identitären Bewegung‘ erinnert wird, ist damit nicht allein…


Sowohl die Deutsche Burschenschaft als auch die Burschenschaftliche Gemeinschaft verstehen sich selbst als politisch agierende Bünde. Damit ist es nicht einfach nur eine Angelegenheit des privaten Raumes, wenn ein „Spitzenpolitiker“ wie ein Staatssekretär in einer der Mitgliedsburschenschaften weiterhin aktiv ist und seine Mitgliedschaft im öffentlichen Raum zum Beispiel durch das Tragen entsprechender Embleme bekennt. Wie die aktive Mitgliedschaft in so einer Vereinigung vereinbar sein soll mit einem relevanten politischen Amt in einer bunten, heterogenen, selbstbewussten und eben nicht rückwärtsgewandt chauvinistischen Metropole wie Berlin, ist fraglich. Staatssekretär Büge muss dringend sein Verhältnis zu seinen ‚Bundesbrüdern‘, aber vor allem zu unserer Demokratie klären.

 

Und der Senat aus SPD und CDU, allen voran der Regierende Bürgermeister Wowereit, muss sich fragen lassen, ob die an den Hochschule „unerwünschten“ schlagenden, rechtsaußen Burschen im eigenen Senat erwünscht sind.

 

Clara Herrmann ist Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Abgeordnetenhaus von Berlin

Anja Schillhaneck ist wissenschaftspolitische Sprecherin, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Abgeordnetenhaus von Berlin