Interview mit einer Vertreterin des „Bündnis gegen den Burschentag in Stuttgart“ zum 24.11. in Stuttgart

to do: Verbindung kappen!

Dankenswerterweise stellte sich eine Vertreterin des „Bündnis gegen den Burschentag in Stuttgart“ einigen kritischen Fragen zum 24. November in Stuttgart.

F: Hallo, ihr versucht am 24. November Protest gegen den Burschentag in Stuttgart zu organisieren, warum eigentlich?
A: Da trifft sich der verbindungsstudentische Dachverband „Deutsche Burschenschaft“, kurz DB, in der Sängerhalle in Stuttgart-Untertürkheim zum außerordentlichen Burschentag. Die DB ist der wichtigste rechte akademische Verband aus dessen Reihen einflussreiche ultrarechte Meinungsmacher stammen.


F: Worum geht’s denn bei diesem außerordentlichen Burschentag?

A: Das ist die notwendig gewordene Fortsetzung des regulären Burschentags, der seit 1990 alljährlich in Eisenach stattfindet. Das ist quasi das Vertreter-Parlament der DB. Dieses Jahr musste der Burschentag wegen interner Auseinandersetzungen abgebrochen werden. 

F: Was für Auseinandersetzungen?

A: Verkürzt gesagt, geht es um die Kämpfe zwischen einem nationalistischen, aber eher pragmatisch orientierten, und einem extrem rechten, stark ideologisierten Flügel. Letzter akzeptiert auch bekennende Neonazis in seinen Reihen, was dem ersteren eher unangenehm ist.
Jedenfalls streiten diese verschiedenen Fraktionen miteinander über den zukünftigen Kurs des Dachverbands. Das Ganze entzündete sich dieses Jahr vor allem an der Person von Norbert Weidner, dem Chefredakteur des Verbandsblattes. Dieser kann auf eine respektable Neonazi-Karriere zurückblicken und ist auch wegen seiner Rechtfertigung der Hinrichtung des Widerstandskämpfers Bonhoeffers für den pragmatischen Flügels nicht mehr tragbar. Der pragmatische Flügel versuchte Weidner deswegen in Eisenach abzusägen, was aber scheiterte. Das zeigt deutlich wer im Verband dominiert. Daraufhin wurden die Gespräche auf einen außerordentlichen Burschentag verschoben, der jetzt in Stuttgart stattfinden soll.
Nun plant man in Stuttgart in Ruhe seine Wunden zu lecken und sich auszusöhnen. 

F: In Stuttgart hat auch eine Frauengruppe (www.frauengruppestgt.blogsport.de) zum Protest aufgerufen, sie mobilisieren zu einer Kundgebung am Bahnhofsvorplatz in Untertürkheim. Ist das eine Art von Konkurrenz-Veranstaltung?

A: Klares Nein, wir arbeiten zusammen und mobilisieren auch zu demselben Treffpunkt, nämlich 12 Uhr auf den Karl-Benz-Platz. Die Stuttgarter Frauengruppe organisiert noch zwei weitere Kundgebungen in größerer Nähe zum Veranstaltungsort der Burschis. Wir haben anfangs unabhängig voneinander angefangen Gegenprotest zu organisieren. Inzwischen haben wir aber zueinander gefunden. Es wird also mehrere Kundgebungen in der Umgebung der Sängerhalle geben. Die Burschis sind damit quasi eingekreist und die Gegendemonstrant_innen müssten sich mit der Berufung auf ihre Teilnahme an einer angemeldeten Kundgebung problemloser bewegen können.

F: Das Frauenbild der Burschenschafter kritisiert ihr schon auch, oder?

A: Auf jeden Fall tun wir das. Das Bündnis gegen den Burschentag in Eisenach hat es mal schön zusammengefasst, indem es schrieb Burschenschaften seien „die Speerspitze des Antifeminismus“. Generell sind Studentenverbindungen als elitäre Männerbünde Bastionen des männlich-konservativen Machterhalts. Dazu gehören natürlich auch die Burschenschaften, die in Vergangenheit auch eine besondere Rolle als Feinde der Arbeiter_innen- und Frauenbewegung spielten.

F: „Feinde der Arbeiter_innen- und Frauenbewegung“?

A: Naja, die Burschenschaften und andere schlagende Studentenverbindungen stellten nicht selten die Truppen der Konterrevolution. Besonders in der Weimarer Republik waren sie in den rechtsradikalen Freikorps auf Befehl der Herrschenden an der Niederschlagung von Streiks und  Arbeiter_innen-Aufständen beteiligt. Auch in Stuttgart spielten Studentenverbindungen aus Tübingen damals so eine Rolle.

F: Das ist ja schon ziemlich lange her. Und heute?

A: Wichtig ist aber, dass sich Burschenschaften immer noch positiv darauf beziehen. Immerhin haben wir es hier mit extremen Traditionalisten zu tun.
Ansonsten sitzen heute - wenn auch nicht mehr so zahlreich wie früher – immer noch Burschenschafter an den Schaltstellen der Macht in Politik und Wirtschaft. Hier sorgen sie durch Seilschaften für das Draußenbleiben von Frauen und Menschen, die ihren Auffassungen fern stehen.
In Deutschland gibt es auch Burschenschafter, die sich dafür entscheiden politisch jenseits des rechten Unions-Flügel, tätig zu werden, etwa in der NPD, bei den Republikanern oder in der Pro-Bewegung. Das sind noch verhältnismäßig wenige. Hier ist Österreich, wo deutschnationale Korporationen seit Jahrzehnten die FPÖ-Parteielite stellen, ein warnendes Negativbeispiel. Dort sind auch viele Burschenschaften, die in der DB organisiert sind, mit von der Partie bzw. Partei. Über den gemeinsamen Dachverband DB sind dann österreichische Rechtspopulisten und deutsche Rechtskonservative miteinander verbunden. Da sitzen dann CDUler, FDPler und rechte SPDler als „Alte Herren“ in einem Verband mit FPÖlern oder NPDlern. Ein Umstand, der bisher so gut wie nie problematisiert wurde. 

F: Was soll nun am 24. November konkret auf dem außerordentlichen Burschentag passieren?

A: Es wurden ja kürzlich dankenswerterweise die Tagungs-Unterlagen in einem Leak veröffentlicht. Darin finden sich fast 40 einzelne Anträge, die bis hin zur Vertagung des Dachverbandes gehen. Die Verhandlungen werden daher vermutlich lange und zäh, deswegen fangen sie auch schon am Morgen an.
Die Hardliner im Verband wollen u.a. Antrag auf Einrichtung eines Ordnerdienstes stellen. Offiziell geht es um die Aufrechterhaltung der Disziplin in den eigenen Reihen, aber ein eigener Ordner-Dienst ließe sich natürlich gut auch gegen Gegendemonstrant_innen einsetzen. Außerdem gibt es auch diese Jahr wieder einen Antrag auf eine rassistische Zutrittsbeschränkung. Der kommt diesmal nicht von den Bonner Raczeks, der Burschenschaft von Norbert Weidner, sondern von den Rheinfranken Marburg. Konkret heißt es in dem Antrag: „Bewerber nichtdeutscher Abstammung können nur bei vollendeter Assimilation an das deutsche Volk in eine Burschenschaft der Deutschen Burschenschaft aufgenommen werden. […] Assimilation liegt vor, wenn ein Bewerber nichtdeutscher Abstammung hinsichtlich Sprache und Kultur nicht von einem Bewerber deutscher Abstammung unterscheidbar ist. Die bloße Integration in die deutsche Gesellschaft reicht für die Aufnahme nicht aus. […] Die Feststellung der Vollendung der Assimilation obliegt bei Aufzunehmenden mit Herkunft aus dem abendländischen-europäischen Kulturkreis der aufnehmenden Burschenschaft. Liegt die Herkunft des Aufzunehmenden zumindest teilweise außerhalb des abendländisch-europäischen Kulturkreises, obliegt die Feststellung der Assimilation einem Aufnahmerat aus je vier Aktiven und Alten Herren, die vom Burschentag für vier Jahre gewählt werden.“ Übersetzt bedeutet das, dass nur deutschsprachige, weiße Männer mit deutschnationaler Einstellung aufgenommen werden sollen.

F: Abgefahren, dass dürfte auch mit dem Antidiskriminierungsgesetz nicht vereinbar sein. Was ist denn so an Gegenprotesten geplant?

A: Es wird mehrere Kundgebungen im Umfeld der Sängerhalle geben. Damit sollen Medien und Öffentlichkeit auf dieses ultrarechte und reaktionäre Stelldichein aufmerksam gemacht werden. Dabei soll wahrnehmbare und vielfältige Kritik an der Deutschen Burschenschaft artikuliert werden. Wir hoffen auch auf viel Kreativität der Teilnehmer_innen. Es wäre nett, wenn viele kommen und sich dafür auch selbst etwas ausdenken. Burschenschaften als vorsintflutliche Karnevalsvereine bieten sich für Verulkungen und Parodien geradezu an. Wir werden für Redebeiträge zu den verschiedenen Kritikpunkten als auch für Musik sorgen. Die Stuttgarter Frauengruppe plant auch ein eigenes Programm und ruft zur Mitnahme von Töpfen etc. auf, um mal so richtig Krach zu machen.

F: Danke für das Interview!

A: Wir sehn uns dann am Samstag, oder?