Wegen Holger Apfel: Sachsens NPD-Vorsitzender gibt auf

Apfel, Löffler

Exklusiv: Sachsens NPD-Chef Mario Löffler will sein Amt so schnell wie möglich hinschmeißen, die interne Kritik an Holger Apfel wird nun immer härter: Kreisverbände nagen seit Monaten am Hungertuch. Zudem soll unter seiner Ägide den NSU-Tätern gehuldigt worden sein.

Ein jegliches hat seine Zeit. Für den sächsischen NPD-Landeschef Mario Löffler aber ist sie nach nicht mal einem Jahr abgelaufen: Der Erzgebirgler will von seinem Amt zurücktreten, für Anfang des Jahres bereitet der Landesverband nun eilig einen neuen Parteitag vor. Er soll am 19. Januar stattfinden, vorausgesetzt, die Partei findet einen Tagungsort.

 

Nach GAMMA-Informationen steht der Personalwechsel bereits seit Wochen fest. Die sächsische NPD informierte aber erst heute darüber, nachdem das Neonazi-Portal “Altermedia” auf entsprechende Gerüchte hingewiesen hatte. In der aktuellen NPD-Mitteilung heißt es, dass Löffler “aus persönlichen Gründen” nicht nochmals um den Landesvorsitz kandidieren wolle. Und dass die Neuwahl “turnusgemäß” geschehe.

 

Das ist eine versöhnliche Sprachregelung. Aber sie ist durchweg falsch:

Regulär hätte erst Anfang 2014 eine Neuwahl des Landesvorsitzenden angestanden. Wie GAMMA aus Parteikreisen erfuhr, sollen sich der Noch-Landeschef Mario Löffler und Holger Apfel – sein Vorgänger sowie derzeitiger Vorsitzender der Bundespartei – überworfen haben. Demnach wird Apfel vorgeworfen, weiterhin erheblichen Einfluss auf den sächsischen Verband zu nehmen. Unter anderem soll Apfel die Kasse des Landesverbandes kontrollieren und umfangreiche Rücklagen für den Landtagswahlkampf im übernächsten Jahr gebildet haben. Tatsächlich steht die Partei mit Umfragewerten von unter zwei Prozent in ihrem “Kernland” derzeit schlecht da.

 

Apfels Eingriffe bekommen nun aber die Kreisverbände zu spüren: Sie seien “praktisch pleite” und bewegten sich “nahe an der Handlungsunfähigkeit”, heißt es aus gut informierten Kreisen. Auch ein Darlehen der sächsischen NPD an den klammen “Deutsche Stimme”-Verlag hatte Apfel ohne Rücksprache verfügt. Als Indiz für das gesteigerte Misstrauen zwischen Löffler und Apfel wird angeführt, dass der Bundeschef nun sogar die interne Parteikorrespondenz seines Adlatus kontrolliert.

 

Löfflers Bilanz: Landesverband in Not


Löffler war erst im Januar 2012 zum Landesvorsitzenden gewählt worden, als ausdrücklicher Wunschkandidat des kurz vorher zum Parteiführer aufgerückten Apfel. Die Personalie Löffler war von Anbeginn umstritten, vor allem im Kameradschafts-nahen Spektrum wurde er heftig angefeindet. Der “Freies Netz”-Anführer Maik Scheffler hatte sich selbst Chancen auf den Chefposten ausgemalt, wurde dann aber nur Stellvertreter.

 

Die Arbeitsbilanz Löfflers ist tatsächlich kaum vorzeigbar, die Krise im Landesverband hält an. Dazu gehören sinkende Mitgliederzahlen: Der NPD-Kreisverband im Landkreis Leipzig hatte sich im März dieses Jahres selbst aufgelöst, weitere Austritte gab es unter anderem in Chemnitz und Görlitz. Noch immer macht es den Anschein, als würden Kreisverbände wie Zwickau-Westsachsen, Mittelsachsen und Vogtland nur auf dem Papier existieren. Hinzu kommt die akute Finanznot des “Deutsche Stimme”-Verlages in Riesa.

 

Verbessert hat sich nicht viel, NPD-Veranstaltungen leiden weiter an Mobilisierungsschwäche. Das jüngste “Deutsche Stimme”-Pressefest beispielsweise soll der Partei einen Verlust in fünfstelliger Höhe beschert haben.

Derlei Probleme waren bereits Parteitags-Thema, als Löffler das Zepter übernahm. Es soll nun möglichst geräuschlos weitergereicht werden an Holger Szymanski, der laut NPD-Mitteilung von Löffler selbst als Nachfolger vorgeschlagen worden sei. Nach GAMMA-Informationen ist aber auch Szymanski – er ist Chefberater der sächsischen Landtagsfraktion und deren Pressesprecher – von Apfel designiert worden.

 

“Gedenkminute” für NSU, Solidarität mit Kriegsverbrecher


Einen PR-Mann an der Spitze ihres Landesverbandes scheint die Partei wirklich nötig zu haben. Es war unter anderem Szymanski, der in den vergangenen Monaten fleißig jene ungenehmen Presseberichte dementiert hat, nach denen es zu einer Austrittswelle in mehreren NPD-Kreisverbänden gekommen sei. Mittlerweile hat sich bestätigt, dass die Presseberichte zutrafen. Ebenso stoisch werden heuer Berichte über Verbindungen der NPD zum Terrornetzwerk des “Nationalsozialistischen Untergrundes” (NSU) zurückgewiesen.

 

Doch hier hat der Sachsen-Verband ein akutes Problem:

Am 12. November 2011 – wenige Tage nach dem Auffliegen des NSU – fand im ostsächsischen Geheege (Landkreis Görlitz) ein Neonazi-Konzert statt. Es endete mit einer “Gedenkminute” für Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Laut Szene-Berichten sei unter den Besuchern zumindest ein namhafter Thüringer Neonazis gewesen, der mittlerweile zu den NSU-Beschuldigten gehört. Veranstalter des Konzertes waren Mirko Beier, NPD-Kreisverband Meißen und Mitglied des dortigen Kreistages, sowie der Leipziger Nils Larisch, Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion und Personenschützer Apfels.

 

Das “Solidaritäts-Konzert” war unter dem Motto “Freiheit für Erich Priebke” – ein NS-Kriegsverbrecher – beworben worden, Headliner war “Die Lunikoff-Verschwörung”. Bis zu 1300 Neonazis nahmen am Konzert teil, die nachher den “Festival-Charakter” lobten. Sicherlich hat die NPD an alledem gut verdient, der Eintrittspreis betrug 20 Euro. Die Polizei hat das Treiben nicht unterbunden.

 

Zum Arsenal der Apfel-Gegner innerhalb der Partei gehört nun der naheliegende Vorwurf, die NSU-Huldigung zugelassen zu haben – denn als das Konzert stattfand, war Apfel noch Landesvorsitzender in Sachsen. Konsequenzen soll es nicht gegeben haben – nur eisernes Schweigen über diesen eindeutigen Vorfall. Der Grund: Beier und Larisch gelten als besonders Apfel-treu, der letzte war nach GAMMA-Informationen im Jahr 2008 mit dem heutigen Parteichef und weiteren einflussreichen Kadern sogar zu einer Mallorca-Reise aufgebrochen.

 

Larisch gilt überdies als Kontaktmann der NPD in die Hooligan-Szene. Er gehört zum NS-affinen Parteiflügel und organisierte in der Vergangenheit schon mehrere Rechtsrock-Events.

 

Löffler tritt ab, Apfel bleibt obenauf


Dass Löfflers Rückzug nun vorzeitig ruchbar geworden ist, stellt die Sachsen-NPD vor ein weiteres PR-Problem: Er lässt sich jetzt nicht mehr als Konzession an den Kameradschafts-nahen Flügel hinstellen. Das könnte ein neuerliches Stühlerücken im Landesvorstand nach sich ziehen.

 

Als stellvertretende Landesvorsitzende fungieren derzeit Jens Baur (KV Dresden), Maik Scheffler (KV Nordsachsen) und Helmut Herrmann (KV Leipzig). Einen solchen Posten besetzte vormals auch Löffler. Falls er, wie angekündigt, beim Landesparteitag im Januar wieder Stellvertreter werden sollte, wird zumindest einer der jetzigen Vize-Chefs aus dem Dreigespann rausfliegen.

 

Überdies soll beim Parteitag die Landesliste für die Bundestagswahl 2013 gewählt werden. Es wird niemanden wundern, wenn als Spitzenkandidat Holger Apfel bestätigt wird. Seine innerparteilichen Gegner hat er bislang noch im Griff: Beim vergangenen Landesparteitag hatten sich einige Kreisverbände gar nicht erst die Mühe gemacht, überhaupt Delegierte zu entsenden.