BURSCHENSCHAFTEN
In der Deutschen Burschenschaft brodelt es. Liberalere Verbindungen wollen austreten, wenn es keine Reformen gegen Rechtsextremismus gibt. Ein Showdown steht bevor.
Vor Kurzem hat die Deutsche Burschenschaft (DB) einen "Hetzblog-Betreiber" aus einer Studentenverbindung geworfen. Wer jetzt meint, der Dachverband von mehr als 100 deutschen und österreichischen Studentenverbindungen gehe neuerdings gegen Rassisten und Revisionisten in den eigenen Reihen vor, der irrt: Die Alte Breslauer Burschenschaft der Raczecks zu Bonn schloss Christian Becker aus, weil er die Initiative Burschenschafter gegen Neonazis gegründet hatte.
Auch der Verlauf des Burschentags im Juni zeigt, dass die DB eher noch weiter nach rechts gerückt ist. Bünde, die sich an ihre liberalen und demokratischen Traditionen noch erinnern, wollten dort den Bonner Burschenschafter Norbert Weidner als Chefredakteur – bei Burschens heißt das Schriftleiter – der Verbandszeitung Burschenschaftliche Blätter absetzen, weil dieser den NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als "Landesverräter" bezeichnet hatte. Weidner unterhielt in den neunziger Jahren enge Verbindungen zur Neonazi-Szene. Doch nur knapp ein Drittel der Bünde stimmte gegen ihn.
In der Folge traten mehrere liberale Verbindungen aus dem Dachverband aus, einige DB-Funktionäre legten ihre Ämter nieder. Damit zementierte die Burschenschaftliche Gemeinschaft (BG), das sind die 40 rechtesten unter den ohnehin meist sehr konservativen und nationalistischen Verbindungen in der DB, ihren seit Jahren wachsenden Einfluss.
Initiative fordert Rücktritt aller Verbandsfunktionäre
Den will ein Zusammenschluss von rund zwei Dutzend Burschenschaften jetzt zurückdrängen: die Initiative Burschenschaftliche Zukunft (IBZ). In ihrem Positionspapier für den außerordentlichen Burschentag heißt es: "Teils rechtsextremistisch und rassistisch motivierte Äußerungen und Provokationen (…) sind nicht mehr erträglich. Es ist weder Außenstehenden noch Verbandsbrüdern zu vermitteln, warum die DB – trotz entsprechender Burschentagsbeschlüsse zurückliegender Jahre, in denen sich die DB klar von Rassismus und jedwedem Extremismus distanziert – nicht im Stande ist, sich auf gemeinsame Definitionen zu einigen und auf solches Verhalten eindeutig zu reagieren."
Die IBZ ruft nach "Selbstreinigungskräften" und fordert unter anderem den Rücktritt aller Verbandsfunktionäre noch vor dem außerordentlichen Burschentag, der am 24. und 25. November in der Sängerhalle in Stuttgart-Untertürkheim den Konflikt beilegen soll. Satzungsänderungen sollen unter anderem festlegen, dass die Mitgliedschaft in der rechtsextremen NPD mit der in der DB unvereinbar sein soll und was mit Verbindungen geschieht, die rechtsextremes Gedankengut in ihren Reihen dulden.
Drei besonders extreme Verbindungen sollen gleich wegen "fortgesetzten verbandsschädigenden Verhaltens" aus dem Dachverband ausgeschlossen werden, fordert die IBZ. Darunter die Raczeks zu Bonn, denen Weidner angehört. Diese Verbindung hatte auch mit der Forderung nach einem "Ariernachweis" als Bedingung für eine Mitgliedschaft in DB-Verbindungen Aufsehen erregt. Die BG hat bereits wissen lassen, ein Ausschluss von Verbindungen sei mit ihr nicht zu machen.
Gut möglich, dass die Braunbuxen, wie die rechten Burschen bei ihren Kritikern heißen, nur darauf warten, die liberaleren Gruppierungen loszuwerden, um den Dachverband auf noch strammeren Rechtskurs zu trimmen. Dann gäbe es endlich keine Debatten mehr um Kontakte zur NPD, zur FPÖ oder zu den islamfeindlichen Rechtspopulisten von Pro Deutschland. Deren Sprachrohr freiheitlich.me sah den IBZ-Reformversuch jüngst so: "Mittels unerfüllbarer Forderungen an die unabhängig-patriotischen Bünde" werde die Spaltung "von dieser klar CDU-FDP-gesteuerten Seilschaft vorbereitet".
In der Tat bekennt sich die IBZ zwar nominell zur Einheit der DB, rechnet aber nicht mehr damit, sie wahren zu können. ZEIT ONLINE liegt das interne Protokoll einer IBZ-Vollversammlung vor, die im August auf dem Haus der Stuttgarter Burschenschaft Ghibellinia stattfand. Eine Meinungsumfrage unter den Verbindungen ergab, dass eine ganze Reihe für eine "geordnete Auflösung der DB" plädiert. Die allermeisten wollen austreten, wenn es keine radikalen Reformen gibt, eine einzige will unabhängig vom Ergebnis des außerordentlichen Burschentages im Dachverband bleiben.
Gründung eines neuen Dachverbands
Der Spielraum für Kompromisse ist gering: "Organisatorische klein-klein Änderungen lösen keines der Probleme", steht im Protokoll. Es heißt, einige Verbindungen hätten vorsorglich die DB-Mitgliedschaft aus ihren Satzungen gestrichen, um einen Austritt vorzubereiten. Im Positionspapier steht, zur Not müsse nach "geeigneteren Rahmenbedingungen für die Pflege und den Erhalt urburschenschaftlicher Werte" gesucht werden.
Damit ist relativ unverblümt ein neuer Dachverband gemeint. Der wäre auch für andere Burschenschaften attraktiv, die sich der DB nie angeschlossen haben oder die bereits früher die Nase voll hatten von Rassismus und Revanchismus. So sind die Nachfolgeorganisationen der Jenaer Urburschenschaft von 1815 zum größten Teil längst aus der DB ausgetreten. Wenn sie 2015 das 200-jährige Bestehen der Burschenschaften feiern, werden sie die rechtslastige DB trotz deren Größe wohl eher nicht einladen – falls die dann überhaupt noch so groß ist.