Rauswurf eines Rechtsextremen
Ein Karlsruher Angestellter der Oberfinanzdirektion wurde entlassen, nachdem er einen Newsletter-Aufruf zum gewaltsamen Umsturz gestreut hatte. Jetzt urteilte das Bundesarbeitsgericht: Staatsfeindliche Umtriebe können zur Kündigung führen - die reine Mitgliedschaft in der NPD aber noch nicht.
Ein Angestellter im Öffentlichen Dienst darf den Staat nicht aktiv bekämpfen. Der Arbeitgeber kann von Staatsdienern verlangen, dass sie "ein bestimmtes Maß an Verfassungstreue aufbringen". Das hat am Donnerstag das Bundesarbeitsgericht entschieden und somit Klarheit geschaffen in einem Fall, der die Gerichte bereits seit Jahren beschäftigt.
Dahinter steht die heikle Frage: wie umgehen mit Staatsfeinden im Staatsdienst? Wo liegt die Schwelle, ab der der Staat als Arbeitgeber einen Angestellten aus politischen Gründen vor die Tür setzen kann? In zwei Entscheidungen hat das Bundesarbeitsgericht sich mit den Aktivitäten eines Karlsruher Rechtsextremen beschäftigt - und einmal gegen, einmal für seine Kündigung entschieden.
Der heute 30-Jährige war seit August 2003 bei der Oberfinanzdirektion Karlsruhe beschäftigt. Zu seinen Aufgaben in einem Versandzentrum gehörte die Planung, Steuerung und Überwachung von Druckaufträgen. In seinem Job hatte er auch Zugriff auf Daten von Steuerzahlern, die dem Steuergeheimnis unterliegen.
In seiner Freizeit war der Mann für die NPD und für ihre Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) aktiv. So lud er 2007 zu Sommerfesten, Schulungen und "Nationalen Stammtischen" der NPD ein und nahm an Mahnwachen für gefallene Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkriegs teil. Bei seiner Einstellung 2003 war er aber auf die Treuepflicht für Staatsdiener hingewiesen worden und hatte eine obligatorische Erklärung unterzeichnet. Darin versicherte er unter anderem, dass "ich Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder gegen eine ihrer obengenannten Prinzipien gerichtet sind, nicht unterstütze und auch nicht Mitglied einer hiergegen gerichteten Organisation bin".
Düsteres Raunen über Tote bei einem Volksaufstand
Das Land Baden-Württemberg sah sich dadurch arglistig getäuscht; der Angestellte habe mit öffentlichen Auftritten für eine als verfassungsfeindlich eingestufte Partei gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue grob verstoßen. Zunächst erhielt er eine Abmahnung, dann die fristlose Kündigung.
Damit konnte sich das Land aber zunächst nicht durchsetzen: In letzter Instanz erklärte das Bundesarbeitsgericht im Mai 2011 die Entlassung für unwirksam. Die politische Gesinnung und die Mitgliedschaft in NPD und JN allein rechtfertigten noch keine Kündigung, und nach der Abmahnung habe der Kläger kein Verhalten gezeigt, das als aktive Bekämpfung der freiheitlich demokratischen Grundordnung angesehen werden könne.
Der Staatsdiener im Versandzentrum blieb aber weiter höchst aktiv in der rechtsextremen Szene. So verschickte er 2009 per Newsletter Informationen zu NPD-Veranstaltungen und auch einen Aufruf zu einer Demonstration in Halle/Salle. "17. Juni - Ein Volk steht auf und kämpft sich frei - Zeit einen neuen Aufstand zu wagen!", lautete die Überschrift. Ähnlich ging es weiter: Eines Tages könne sich das Volk "gegen den Alles über Alles raffenden und volksverratenden Staat erheben", und dann sei es gut möglich, dass diesmal "Tote nicht bei den Demonstranten, sondern bei den etablierten Meinungsdiktatoren zu verzeichnen (wären).- Dem Volk wär's recht!"
Dumpfdeutsche Tiraden also, düsteres Todesraunen und klare Appelle zu einem gewaltsamen Umsturz inklusive - nun schritt das Land Baden-Württemberg erneut zur Kündigung. Diesmal mit Erfolg. Mit dem Revolutionsaufruf wurde nach Auffassung der Erfurter Richter eine "rote Linie" überschritten, wie ein Sprecher des Bundesarbeitsgerichts sagte. Der Landesangestellte habe sich den Inhalt des Aufrufes durch die Weiterverbreitung zu eigen gemacht und somit gezeigt, dass er das nötige Mindestmaß an Verfassungstreue nicht aufbringt. Eine Kündigung sei zulässig, wenn der Arbeitnehmer darauf abziele, "den Staat oder die Verfassung und deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen". Das gelte auch, wenn das Verhalten nicht strafbar sei. (Aktenzeichen 2 AZR 372/11).
jol