EON zu Urenco, Atom und Kohle

Liebe Freundinnen und Freunde,
die EON-Hauptversammlung letzten Donnerstag brachte einige sehr wichtige Neuigkeiten in Sachen Urananreicherung, Atomenergie und Klimaschutz an den Tag. Besonders beeindruckend waren die Auftritte von AktivistInnen aus Finnland und Kolumbien, die EON scharf für ihre Atom- und Kohlepläne vor Ort kritisierten. Auch zur Urananreicherung und zum AKW Grohnde gab es scharfe Kritik und Nachfragen, doch selbst "normale" Aktionärsvertreter und Investment-Manager fanden am EON-Kurs nicht viel Positives: zu viele Schulden, zu wenig erfolgversprechende Projekte hieß es immer wieder. EON ist definitiv kein Liebling der Anleger mehr.


Hier die wichtigsten Punkte für uns:


1. Der Verkauf der Urenco-Anteile ist für EON (und RWE) offensichtlich sehr schwer. Zum einen können sie laut EON-Chef Teyssen nur gemeinsam verkaufen, zum anderen hat die Bundesregierung "gewisse Mitspracherechte". Welche genau "ist noch unklar", laut Teyssen. Man habe mit der Bundesregierung noch nicht gesprochen, aber die Bundesregierung könne laut EON keinen Kandidaten auswählen und habe auch kein Genehmigungsrecht bei einem Verkaufsdeal. Aber: Durch den Urenco-Gründungsvertrag von Almelo (1970) gebe es z. B. eine Mitsprache in Proliferationsfragen. Die Frage, ob auch die EU, Euratom oder die IAEO ein Mitspracherecht hätten, blieb unbeantwortet.


Hinweis: Wenn die Bundesregierung ein Mitspracherecht hat, dürfte dies auch für die Landesregierung gelten, weil die konkrete Atomaufsicht ja Ländersache ist. Wie sich die Zuständigkeiten in diesem Fall genau aufteilen, ist uns derzeit (noch) nicht bekannt.


2. Noch gebe es kein offizielles Verkaufsverfahren und erst dann werde EON die Öffentlichkeit informieren. Sicher sei aber, dass die Briten ihr Urenco-Drittel verkaufen wollen.


Mit anderen Worten, der erst wenn ein geeigneter Käufer gefunden wurde und alle Mitwirkenden ihr OK gegeben haben, werden die dann schon fast vollendeten Tatsachen veröffentlicht. Und wahrscheinlich wird dann auch ein neuer Staatsvertrag für die Urenco notwendig, der den Vertrag von Almelo ersetzt oder ergänzt. Es kann aber am Ende auch so sein, dass sich angesichts der komplexen Strukturen und Vorgaben kein geeigneter Käufer für die Urenco-Anteile findet und (fast) alles beim Alten bleibt.


3. Urenco betreibt mit Areva seit 2006 die gemeinsame Tochter ETC (Enrichment Technology Company), die die Zentrifugen erforscht, entwickelt und an den UAA-Standorten auch produziert. Die Forschung und Entwicklung wird von 540 MitarbeiterInnen zentral in Jülich durchgeführt.


Auf die Frage, ob die Urenco-Zentrifugen über die ETC und Areva in Frankreich womöglich auch militärisch eingesetzt werden könnten, musste der EON-Chef passen. Man wisse nicht viel über die ETC-Aktivitäten. Falls dem aber so sein sollte, müsse ggf. Deutschland Frankreich verklagen - eine interessante Antwort und Perspektive. Jedenfalls war es erschreckend, dass der EON-Chef eine militärische Nutzbarkeit der Zentrifugen nicht einfach ausschließen konnte oder wollte.


Zur Info: Für das Joint Venture ETC wurde 2005 zwischen Frankreich, Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden der Vertrag von Cardiff geschlossen, der eigentlich - aus Wettbewerbsgründen - einen Technologietransfer zwischen Urenco und Areva ausschließen soll. Da Areva aber mit den Urenco-Zentrifugen in Südfrankreich eine eigene UAA baut, dürfte das faktisch nur sehr schwer umzusetzen sein. Chef der ETC ist derzeit ein Areva-Manager.


4. EON hält vorerst am finnischen AKW-Neubauprojekt Pyhäjoki fest. Trotz massiver Kritik am Donnerstag sagte EON-Chef Teyssen: "Wir entscheiden im Einzelfall zu jedem Projekt" und ergänzte "Wir haben keine nukleare Strategie". Je mehr er kritisiert wurde, desto vorsichtiger wurde er allerdings. Pyhäjoki sei "erst in der Projektentwicklungsphase" und man könne nicht schon jetzt über "hypothetische Fragen" wie die Entsorgung des Atommülls "spekulieren", denn "wir haben zuviele heutige Probleme". Welche das seien, wollte er aber nicht sagen.


5. Die Kritik am AKW-Grohnde und den geplanten MOX-Brennelement-Transporten ließ er einfach so abperlen - alles prima, alles OK.


6. Für viel Aufregung sorgte der Auftritt einer kolumbianischen Indigena und eines Menschenrechtsanwalts. Sie warfen dem EON-Vertragspartner, der in Kolumbien Kohle für EON fördert, u. a. Zwangsumsiedlungen vor. Andere Redner sprachen gar von Verwicklungen in Mordfälle. Das gefiel EON gar nicht, denn die Expansion nach Südamerika soll der Rettungsanker für die verschuldete EON werden. Doch sofort geht es um extrem dubiose Aktivitäten der lokalen Kooperationspartner. Da werden wir in Zukunft sicher noch mehr Schlagzeilen hören, auch wenn EON in Indien neue Kohlekraftwerke bauen möchte.


Es hat sich wieder mal gezeigt, dass sich der Besuch der EON-Hauptversammlung (und natürlich auch der von RWE) lohnt, um die Energiekonzerne mit der gesellschaftlichen Ablehnung zu konfrontieren und auch um neue Infos zu den brisanten Projekten zu bekommen.


Perspektivisch haben wir nun auch einen weiteren Adressaten für unsere Forderungen: Nach dem Wahlsieg von Francois Hollande sollten wir zusammen mit unseren französischenen FreundInnen von der französischen Regierung einen Ausstieg der Areva aus dem Joint Venture mit Urenco fordern, verbunden mit einem Lieferstopp von UF6 für Urenco sowie der Stilllegung aller Areva-Standorte in Deutschland (also z. B. der Brennelementefabrik Lingen). Das würde den Atomausstieg in Deutschland deutlich voranbringen, Urenco massiv unter Druck setzen und die Rolle von Areva in Europa spürbar verringern. Allein die öffentliche Thematisierung dieser Forderung würde unserem Anliegen schon helfen.


Atomfeindliche Grüße
SOFA Münster (www.sofa-ms.de)