Städte gehen widerwillig auf Verkaufsverhandlungen ein
NÜRNBERG/MÜNCHEN - Am Freitag soll in Nürnberg eine Verhandlungskommission für Gespräche über den Kauf der 33.000 GBW-Wohnungen eingesetzt werden.
Mit einigen Bedenken wollen die bayerischen Kommunen auf das Angebot des Freistaats eingehen, Kaufverhandlungen über die Wohnungsgesellschaft GBW aufzunehmen. Die GBW, die in Bayern 33.000 Mietwohnungen besitzt, muss nach Vorgaben der Europäischen Union von der bisherigen Eigentümerin Bayerische Landesbank (BayernLB) abgegeben werden. Man nehme das Angebot des Freistaats zu exklusiven Verkaufsverhandlungen an, sagte der Vorsitzende des bayerischen Städtetags und Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD).
Eine Ablehnung wäre im Interesse der 85.000 Mieter „unanständig“. Allerdings gebe es derzeit noch „mehr offene Fragen als Antworten“. Alle Details müssten in jedem Fall gründlich geprüft werden“, so Maly zur NZ. „Wir werden mit einem Fragenkatalog in die Verhandlungen gehen.“ Ein Kraftakt wäre die Übernahme der GBW-Anteile für die Kommunen in jedem Fall. „Wir wollen uns nicht der Verantwortung entziehen und ganz ernsthaft Verhandlungen aufnehmen. Aber wie sie ausgehen werden – da wage ich keine Prognose.“ In Nürnberg und Erlangen sind 5500 Wohnungen betroffen.
Ein Kraftakt für die Kommunen
Auch Frank Thyroff, der kaufmännische Geschäftsführer der Wbg, der Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Nürnberg, spricht im NZ-Gespräch von einem Kraftakt für die Kommunen, falls sie den GBW-Bestand kauften. Die Wbg habe aber auch schon in der Vergangenheit schwierige Fälle übernommen. „Das ist Teil der Aufgaben eines städtischen Wohnungsunternehmens. Es geht um den Schutz der Mieter.“
Thyroff weist darauf hin, dass die GBW-Wohnungen zum Teil stark sanierungsbedürftig seien, vor allem in energetischer Hinsicht. Und das koste Geld, das sich auch auf die Höhe der künftigen Mieten niederschlagen würde. Im Anbetracht der angespannten Lage auf dem Nürnberger Wohnungsmarkt sei es für die Stadt letztlich wichtiger, Geld in Neubau und Sanierung zu investieren als in den Kauf der GBW-Wohnungen.
Als „hoch relevant“ bezeichnet auch Erlangens Stadtoberhaupt Siegfried Balleis das Thema GBW: „Erlangen hat nach München und Nürnberg die meisten GBW-Wohnungen.“ In Erlangen befinden sich insgesamt 2300 GBW-Wohnungen, die mitunter gut in Schuss sind. Von „interessanten Wohnungen“ spricht denn auch Oberbürgermeister Balleis.
Trotzdem: Für die Stadt Erlangen gelte eigentlich die Devise: „Wir haben das Geld dafür nicht.“ Dennoch würde die Stadt die GBW-Wohnungen gern kaufen. CSU-Oberbürgermeister Balleis betont: „Wir sind dankbar für das exklusive Gesprächsangebot. Der Preis wird aber entscheidend sein, ob wir uns das leisten können.“
„Die Wohnungen dürfen nicht zum Spielball von Spekulanten werden“, teilte der Aschaffenburger Oberbürgermeister Klaus Herzog mit. In der unterfränkischen Stadt gibt es rund 900 Mieter von GBW-Wohnungen, die jetzt natürlich in Sorge sind. Er ist der Meinung: „Der Freistaat muss ein verlässlicher Partner der Mieter sein.“ Klaus Herzog hofft, dass sich seine Erfahrung beim Verkauf von ehemaligen Eisenbahnerwohnungen nicht wiederholt: „Innerhalb kürzester Zeit wurden die Immobilien in Eigentumswohnungen umgewandelt – das darf nicht sein.“ Der Aschaffenburger Stadtrat habe bereits Kaufinteresse signalisiert, wie SPD-Politiker Herzog sagte: „Aber es müssen realistische, bezahlbare Preise sein.“
Für den kommenden Freitag hat Ulrich Maly Vertreter der 103 Gebietskörperschaften, in denen GBW-Wohnungen angesiedelt sind, zu Gesprächen nach Nürnberg eingeladen. Ziel sei es, eine Verhandlungskommission einzusetzen und ein Gutachten über den Wert des Wohnungsbestands in die Wege zu leiten. Wie Münchens Oberbürgermeister Christian Ude ist allerdings auch Maly der Ansicht, dass der Freistaat selbst die Wohnungen übernehmen könnte, wenn er denn nur wollte.
Beim Freistaat liege auch die politische Verantwortung dafür, dass die BayernLB in Schieflage geraten sei und die GBW abstoßen müsse, so der Nürnberger OB: „Wir lassen uns ungern den Schwarzen Peter zuschieben.“ Misslich sei der ganze Vorgang für die Kommunen deshalb, weil sie für die GBW-Wohnungen viel Geld auf den Tisch legen sollten, „ohne dass eine einzige zusätzliche Wohnung entsteht“.
Der Verkauf von 22.000 Wohnungen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) an ein Privatunternehmen sollte für Bayern „kein Vorbild“ sein, sagte Maly. Deshalb sei es wichtig, dass Bayern den GBW-Verkauf nicht frei ausschreibe, sondern zunächst exklusive Verhandlungen mit den GBW-Sitzkommunen führe. In Bieterkonkurrenz mit „Heuschrecken und Immobilienfonds“ hätten die Kommunen nach Einschätzung Malys „keine Chance“. Derzeit strebe so viel privates Geld nach Anlagen in Immobilien, dass auch Preise weit über Wert bezahlt würden.
Der Freistaat hat es nach Ansicht Malys in der Hand, den GBW-Mietern vor dem Wohnungsverkauf verbindliche soziale Zusicherungen zu machen. Je höher die Sozialbindung, desto mehr sinke der Marktwert der Wohnungen. Die Nürnberger Grünen-Landtagsabgeordnete Christine Scheel forderte Finanzminister Markus Söder (CSU) auf, zur Sicherung des Bestandes die GBW-Wohnungen wenigstens vorübergehend dem Freistaat zu übertragen und mit einer „Sozialcharta“ zu versehen, welche die Interessen der Mieter stärkt. Bis heute gebe es keinen Beleg für die Behauptung von CSU und FDP, dass ein Ankauf durch den Freistaat und eine Sozialcharta von der EU-Kommission untersagt würden.
Die Kommunen werden nach Ansicht Stahls durch das „Abwrackmodell Söder“ in doppelter Hinsicht finanziell geschädigt. Erstens müssten sie über den Preis die „CSU-hausgemachte BayernLB-Pleite“ ausbaden und zweitens würde der Freistaat die anfallende Grunderwerbsteuer von etwa 60 Millionen Euro kassieren. Söder wolle seinen Haushalt „auf Kosten sozial Schwacher sanieren“, so Stahl.